LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14120 01.02.2017 Datum des Originals: 27.01.2017/Ausgegeben: 06.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5448 vom 15. Dezember 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13823 Krach in der Landesregierung um die Rückführung von Ausreisepflichtigen nach Afghanistan aus Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der Beteiligung des Landes an einer bundesweiten Sammelabschiebung afghanischer Flüchtlinge am 14.12.2016 hat der nordrhein-westfälische Innenminister erheblichen Streit innerhalb Landesregierung ausgelöst. 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber wurden am 14.12.2016 per Charterflugzeug von Frankfurt nach Kabul in Afghanistan zurückgeführt. An der ersten Sammel-Abschiebung beteiligten neben Bayern auch Hamburg, Baden-Württemberg, das Saarland, Hessen und Nordrhein -Westfalen. Der Sammelabschiebung lagen die deutsch-afghanische Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration vom 2. Oktober 2016 sowie ein einvernehmlicher Beschluss der Innenministerkonferenz zugrunde. Gegenüber der Rheinischen Post vom 15. 12.2016 hat das nordrhein-westfälische Innenministerium bestätigt, dass Nordrhein -Westfalen an der Aktion beteiligt sei. Nach Medienmeldungen hatte Nordrhein-Westfalen 13 Afghanen für die Sammelabschiebung per Charterflug angemeldet. Schließlich wurden in Frankfurt aber nur zehn für den Flug registriert . Unter ihnen sollen zwei Straftäter gewesen sein. Drei Personen sollen sich durch Untertauchen der Abschiebung entzogen haben. Nach Angaben der Rheinischen Post wurden im Jahr 2016 bislang – vor dem Termin am 14.12.2106 – drei Ausreisepflichtige aus Nordrhein-Westfalen nach Afghanistan zurückgeführt , 2015 seien keine Afghanen aus Nordrhein-Westfalen abgeschoben. Gegenüber der DPA erklärte die Abgeordnete Monika Düker, dass es nun Gespräche mit Innenminister Ralf Jäger geben müssen, wie es angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in der Frage weitergehen solle. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14120 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5448 mit Schreiben vom 27. Januar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Beteiligung Nordrhein-Westfalens an der Sammelabschiebung nach Nordrhein-Westfalen am 14.12.2016 vor dem Hintergrund , dass die stellvertretende Ministerpräsidentin sich von dieser Beteiligung distanziert und eine Beteiligung des Koalitionspartners die Grünen an der Entscheidung zu dieser Beteiligung negiert? Aus Nordrhein-Westfalen wurden und werden auf Grundlage eines Beschlusses der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2005 auch weiterhin Abschiebungen von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen nach Afghanistan nur nach sorgfältiger Einzelfallprüfung und vorrangig bei Straftätern, Gefährdern und alleinstehenden Männern durchgeführt. Diese eingeschränkte Praxis wurde im Hinblick auf die durch das Bundesministerium des Innern organisierte Charterabschiebung am 14.12.2016 nicht verändert. Geändert haben sich allein die Rahmenbedingungen bei der Beschaffung von für Abschiebungen notwendigen Reisedokumenten: Während es in der Vergangenheit kein effektives Reisedokumentenwesen bei den afghanischen Konsulaten gegeben hat, sind durch die Gemeinsame deutsch-afghanische Erklärung über die Zusammenarbeit in den Bereichen freiwillige Rückkehr und Rückführung vom 02.10.2016 verbesserte Rahmenbedingungen insoweit geschaffen worden. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit der Nutzung von sog. EU Laissez Passer durch deutsche Behörden, sofern afghanische Vertretungen nicht innerhalb von vier Wochen ein nationales Passersatzpapier ausgestellt haben. Dieser Umstand erklärt die im Vergleich zu den bisherigen bundesweiten Abschiebungen nach Afghanistan (Januar-November 2016: 31 Personen gem. Statistik der Bundespolizei) hohe Belegung des Sammelcharterfluges vom 14.12.2016 mit 34 Personen , davon 10 Personen aus Nordrhein-Westfalen. Zum 30.11.2016 gab es in Nordrhein-Westfalen 1.468 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige . Nach der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge waren zum 31.12.2016 in Nordrhein-Westfalen 16.691 Asylverfahren von afghanischen Asylsuchenden anhängig. Die sog. Gesamtschutzquote im Asylverfahren in 2016 betrug für Afghanistan 56 %. Diese Daten belegen einen wachsenden Ausreisebedarf hinsichtlich afghanischer Staatsangehöriger , die nach Entscheidung des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, insbesondere auch unter Berücksichtigung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse, im Einzelfall keinen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Inwieweit die Lageeinschätzung des UNHCR vom 22. Dezember Auswirkungen auf eine Veränderung der Anerkennung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender durch das BAMF hat, bleibt abzuwarten. Die darüber hinaus bestehenden humanitären Abschiebehindernisse sind im Einzelfall zu prüfen. Auch für vollziehbar Ausreisepflichtige aus Afghanistan gilt der Vorrang der freiwilligen Ausreise : Während im Zeitraum Januar-Dezember 2016 14 Personen abgeschoben wurden, kehrten insgesamt 459 Personen aus Nordrhein-Westfalen im Rahmen des REAG/GARP-Programms freiwillig nach Afghanistan zurück. Für in zwangsweiser Durchsetzung der Rückkehrverpflichtung abzuschiebende Personen kann die weitere Beteiligung an Charterflugabschiebungen nach Afghanistan ein geeignetes Mittel sein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14120 3 2. Wie stellte sich die Beteiligung Nordrhein-Westfalens in Bezug auf den Personenkreis dar (Angemeldete Personenzahl, tatsächlich zurückgeführte Personen/Freiwillige Rückführung/Abschiebung/Anzahl möglicher verurteilter Straftäter)? Für den Charterflug am 14.12.2016 waren aus Nordrhein-Westfalen 13 vollziehbar ausreisepflichtige Personen vorgesehen. Tatsächlich zurückgeführt werden konnten davon 10 Personen . Darunter befanden sich 5 Personen mit einem strafrechtlichen Hintergrund. Nach Mitteilung des Bundesministeriums des Innern wurden die zurückgeführten Personen bei ihrer Ankunft in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von lOM-Mitarbeitern, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung (IPSO) und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Botschaft und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt. 3. Aus welchen Gründen konnte die Landesregierung nicht sicherstellen, dass alle angemeldeten 13 Personen auch tatsächlich zurückgeführt werden konnten? 3 Personen wurden im Rahmen der Zuführung zum Flughafen durch die zuständigen kommunalen Ausländerbehörden nicht angetroffen. 4. Wie viele Personen afghanischer Herkunft wurden jeweils in den Jahren 2015 und 2016 aus Nordrhein-Westfalen zurückgeführt? Im Jahr 2016 wurden bis zum 23.12.2016 insgesamt 14 Personen aus Nordrhein-Westfalen nach Afghanistan zurückgeführt, im Jahr 2015 keine Person. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 5. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung für künftige Sammelabschiebungen und Rückführungen nach Afghanistan aus Nordrhein-Westfalen? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14120