LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14127 02.02.2017 Datum des Originals: 02.02.2017/Ausgegeben: 07.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5456 vom 19. Dezember 2016 der Abgeordneten Holger Ellerbrock, Dietmar Brockes, Ralph Bombis und Henning Höne FDP Drucksache 16/13831 Wann hat sich der grüne Umweltminister Remmel mit den aktuellen Problemen der Entsorgung von Expandiertem Polyestrol (EPS) auseinandergesetzt und sind die nordrhein -westfälischen Abfallverbrennungsanlagen überhaupt in der Lage, HBCD-haltiges EPS als Reinfraktion dauerhaft ohne massive Preissteigerungen oder extrem langen Zwischenlagerzeiten zu entsorgen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 11. Oktober 2016 haben sich Abgeordnete der FDP-Landtagsfraktion im Rahmen der Kleinen Anfrage 5236 (Drs. 16/13171) an die Landesregierung gewandt und auf die Entsorgungsprobleme der Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetriebe in Nordrhein-Westfalen aufgrund der im Bundesrat am 25. September 2015 novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien und zum 1. Oktober 2016 in Kraft getretenen Änderungen aufmerksam gemacht. Zuvor hatte bereits die Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) die Länder aufgerufen, eine erneute Änderung der Abfallverzeichnisverordnung auf den Weg zu bringen, sodass HBCDhaltige Abfälle künftig nicht mehr als gefährlich eingestuft werden sollen. Diesem Ansatz verweigerte sich Minister Johannes Remmel in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage (Drs. 16/13429) noch im November: „Die Landesregierung beabsichtigt nicht, aufgrund temporärerer Entsorgungsprobleme einer einzelnen Abfallart eine ökologisch sinnvolle Regelung der Abfallverzeichnisverordnung zurückzunehmen.“ Die Fraktionen von CDU und FDP haben in einem Plenarantrag (Drs. 16/13688 i.V.m. Drs. 16/13802) die Landesregierung unter anderem aufgefordert, dem Verordnungsantrag des Saarlandes im Bundesrat am 16. Dezember 2016 zuzustimmen. Unmittelbar vor der parlamentarischen Beratung des Antrags von CDU/FDP am 15. Dezember 2016 hat Minister Johannes Remmel das Wort ergriffen und mitgeteilt, dass die rot-grüne Landesregierung zur Bundesratssitzung am 16. Dezember 2016 den Verordnungsantrag des Saarlandes unterstütze, jedoch lediglich für einen Zeitraum von einem Jahr (vgl. Bundesrat Drucksache 752/2/16). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14127 2 Der Antrag des Landes Saarland beschreibt die aktuelle Ausgangslage wie folgt: „In Teilen Deutschlands konnte mindestens im Oktober 2016 von einem Entsorgungsnotstand für die betroffenen Abfälle gesprochen werden. Diesem konnte – teilweise – durch kurzfristige z.T. differierende Regelungen der Länder begegnet werden“ (Bundesrat Drucksache 752/16). Es kann also lediglich von einer temporär zufriedenstellenden Lösung gesprochen werden, die die Landesregierung aufgrund des Drucks der Opposition und der Fachverbände für ein Jahr bereit ist mitzugehen. Das Saarland hat in ihrem Verordnungsantrag keine zeitliche Begrenzung vorgesehen. Im Verlauf der Debatte im Landtag am 15. Dezember 2016 erklärte Minister Remmel auch, dass er das vorhandene Problem erst vor ein paar Tagen durchdrungen habe und grundsätzlich weiterhin das Ziel verfolge, dass EPS als gefährlicher Stoff dauerhaft eingestuft werden soll. Wenn es zutrifft, wie Minister Remmel am 15. Dezember 2016 öffentlich einräumt hat, dass er als Fachminister die mit einem seit über einem Jahr bekannten anstehenden Veränderungen verbundenen Probleme selbst erst vor wenigen Tagen durchdrungen habe, so ist dies mehr als bedenklich. Sein grüner Fachministerkollege aus Baden-Württemberg hatte bereits einen Tag nach Einreichen der Kleinen Anfrage der FDP-Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen , nämlich am 12. Oktober 2016, mit einem entsprechenden Erlass reagiert, mit dem er versucht hat, die Probleme der Branche zu entspannen. Erst am 25. Oktober 2016 zog Minister Remmel mit einem Erlass für das Land Nordrhein-Westfalen nach. Mit der jetzt eingeschlagenen Lösung verschafft man der Entsorgungsbranche zunächst lediglich eine Atempause. Wenn HBCD-haltiges Expandiertes Polystyrol (EPS) als Reinfraktion verbrannt werden soll, gibt es aktuell nur wenige Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen , die über die entsprechende Genehmigung verfügen und dort auch nur mit wenigen Kapazitäten in der Lage sind, die Beseitigung dieser Reinfraktionen durchzuführen. Überdies stellt sich die Frage, in welchen Mengen und an welchen Stellen derzeit das als gefährlich eingestufte Material lagert. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5456 mit Schreiben vom 2. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Die Berichte über die aktuellen Entsorgungsprobleme HBCD-haltiger Dämmmaterialien hat die Landesregierung sehr ernst genommen. Das Umweltministerium hat sich frühzeitig über bestehende Probleme informiert und zeitnah Maßnahmen zur Entspannung der Lage initiiert. Sowohl vor der Verabschiedung der Abfallverzeichnisverordnung mit dem dynamischen Verweis auf die POP-Verordnung im September 2015 als auch bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung für HBCD-haltige Abfälle am 1. Oktober 2016 haben sich das Umweltministerium NRW wie auch die Fachgremien der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) intensiv mit der Neuregelung befasst (so z.B. in der 87. Sitzung des Abfalltechnikausschusses der LAGA am 14./15. Juni 2016 und in der 107. LAGA-Sitzung am 14. September 2016). Aufgrund erster Meldungen von Dachdeckern und anderen Betrieben Anfang Oktober 2016, dass ihnen bei Sanierungsmaßnahmen anfallende HBCD-haltige Abfälle überhaupt nicht mehr oder nur zu unverhältnismäßig hohen Prei- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14127 3 sen abgenommen werden, hat das Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur - und Verbraucherschutz am 12. und 18. Oktober 2016 Gespräche mit den Betreibern der Müllverbrennungsanlagen und den Verbänden der Entsorgungswirtschaft BDE und BVSE geführt . Am 19. Oktober 2016 hat das MKULNV das Thema mit Verbandsvertretern des Dachdecker -, Bau- und Abbruchgewerbes erörtert. An diesem Termin haben auch Handwerksbetriebe und Unternehmen der Baubranche sowie ein Hersteller von EPS teilgenommen. Die Schilderungen der Abfallerzeuger führten zum Erlass vom 25. Oktober 2016, ergänzt am 2. November 2016 mit der Klarstellung, dass insbesondere keine rechtliche Notwendigkeit besteht , abweichend von der bisherigen Praxis Dämmmaterialien auf der Baustelle zu separieren und als Monofraktion an den Müllverbrennungsanlagen anzuliefern (weitere Informationen sind dazu in der Vorlage 16/4430 sowie in den Antworten zu den Kleinen Anfragen 5228 (Drs. 16/13151) und 5236 (Drs. 16/13171) zu finden). Um die zwischenzeitlich entstandenen Entsorgungsengpässe abzubauen und damit sowohl die Handwerksbetriebe als auch die Entsorgungsunternehmen zu entlasten, hat Nordrhein-Westfalen in der Bundesratssitzung am 16. Dezember 2016 den Antrag gestellt, die seit dem 1. Oktober 2016 geltende Rechtslage für ein Jahr auszusetzen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen und unmittelbar von der Bundesregierung umgesetzt. Seit dem 28.Dezember 2016 sind HBCD-haltige Dämmstoffe nicht mehr als gefährlicher Abfall im Sinne der Abfallverzeichnisverordnung eingestuft. Die Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Abfallverzeichnisverordnung wurde am 27. Dezember 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist einen Tag später in Kraft getreten. Damit ist die Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass die HBCD-haltige Dämmmaterialien vorübergehend, wie vor dem 1. Oktober 2016 als nicht-gefährliche Abfälle mit anderen Abfällen in dafür zugelassenen Entsorgungsanlagen vermischt und anschließend in Hausmüllverbrennungsanlagen verbrannt werden dürfen. Der vorgesehene Aufschub bis zum 31. Dezember 2017 ermöglicht es den Fachgremien des Bundes und der Länder, für die Abfälle, die gemäß der EU-Verordnung über persistente organische Schadstoffe (POP) aus dem Wirtschaftskreislauf auszuschleusen sind, Anforderungen für einen bundesweit einheitlichen Vollzug zu erarbeiten. Notwendig sind Vorgaben, die eine rechtskonforme Entsorgung im Sinne der POP-Verordnung sicherstellen sowie die Rückverfolgbarkeit und Dokumentation des Entsorgungsweges gewährleisten. 1. Welche Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen verfügen unabhängig des NRW-Erlasses vom 25. Oktober 2016 (Aktenzeichen IV-3 910.03) aktuell über entsprechende Genehmigungen und bzw. ausreichende Ressourcen, um HBCDhaltiges EPS in Reinfraktion zu entsorgen? HBCD-haltiges EPS in Reinfraktion ist gemäß Abfallverzeichnisverordnung dem Abfallschlüssel 17 06 03* „anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen Stoffen besteht oder solche enthält “ zuzuordnen. Über eine Genehmigung zum Einsatz dieser Abfallart verfügen die Sonderabfallverbrennungsanlagen der Fa. Currenta in Dormagen und Leverkusen, die Thermische Rückstandsverwertung (TRV), Wesseling und das RZR Herten (Sonderabfalllinie) sowie 14 Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle (Asdonkshof, Kreis Wesel, MVA Bonn, MVA Bielefeld , MVA Düsseldorf, MHKW Essen, MVA Hagen, RZR, Herten, Siedlungsabfalllinie, MHKW Iserlohn, AVG, Köln, EGK, Krefeld, MHKW, Leverkusen, GMVA Niederrhein-Oberhausen, MVA Weisweiler, MHKW Wuppertal). Bereits mit Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz vom 25. Oktober 2016 ergänzt durch Erlass vom 2. November 2016 wurde klargestellt, dass keine Verpflichtung zur Getrennthaltung von HBCD-haltigem EPS an den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14127 4 Anfallstellen besteht. Weiterhin wurde deutlich gemacht, dass vor der Verbrennung eine Vermischung mit anderen, weniger heizwertreichen Abfällen zulässig ist. Die Frage nach freien Ressourcen für die sog. Reinfraktion stellt sich somit nicht. 2. Welche Mengen an HBCD-haltigem EPS wurden seit dem 1. Oktober 2016 in welchen nordrhein-westfälischen Müllverbrennungsanlagen in welcher Form entsorgt ? (Bitte detailliert angeben.) Wie in der Antwort zu Frage 1 dargelegt, wurde HBCD-haltiges EPS seit dem 1. Oktober 2016 unter dem Abfallschlüssel 17 06 03* „anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen Stoffen besteht oder solche enthält“ entsorgt. Weiterhin war gemäß Erlass vom 25. Oktober 2016 ergänzt durch Erlass vom 2. November 2016 eine Entsorgung unter den Abfallschlüsseln 17 09 03* „sonstige Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich gemischte Abfälle), die gefährliche Abfälle enthalten“ und 19 12 11* „sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen, die gefährliche Stoffe enthalten“ möglich. Soweit die Mengenschwelle von 25 Volumenprozent HBCD-haltiger Dämmstoffe pro Tonne Abfallgemisch nicht erreicht wurde, war auch eine Entsorgung unter den Abfallschlüsseln 17 09 04 „gemischte Bau- und Abbruchabfälle mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 09 01, 17 09 02 und 1709 03 fallen“ und 19 12 12 „sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen, mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 12 11 fallen“ möglich. Welche Mengen an HBCD-haltigem Dämmmaterialien als Reinfraktion unter dem Abfallschlüssel 17 06 03* entsorgt wurden, wurde durch Abfrage bei Betreibern der Hausmüllverbrennungsanlagen ermittelt. Aus den Antworten ergibt sich eine Menge von insgesamt ca. 263 Tonnen, die im Zeitraum 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2016 entsorgt wurden. Zu den anderen o.g. Abfallschlüsseln können keine Angaben getroffen werden, da die Zusammensetzung von Abfallgemischen nicht erfasst wird. 3. Welche Informationen liegen der Landesregierung vor, welche Mengen von HBCDhaltigem EPS von wem an welchen Orten des Landes Nordrhein-Westfalens aktuell aufgrund der schwierigen Entsorgungssituation gelagert werden? (Bitte detailliert angeben). Nach Hochrechnung des Dachdeckerverbandes lagern bei deren Mitgliedsfirmen ca. 1.600 Tonnen HBCD-haltige Dämmstoffe. Weitere Informationen liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Welche Preissteigerungen befürchtet die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Preissituation am Markt, wenn HBCD-haltiges EPS dauerhaft als Reinfraktion in Nordrhein-Westfalen entsorgt werden soll? Wie bereits in den Antworten zu Frage 1 und 2 klargestellt, ist eine Entsorgung von HBCDhaltigem EPS als Reinfraktion nicht vorgesehen (u.a. aufgrund des hohen Heizwerts). 5. Wann hat sich die Landesregierung mit den aus der Änderung der Abfallverzeichnisverordnung verbundenen Problemen, bedingt durch die vor über einem Jahr beschlossene, novellierte Abfallverzeichnisverordnung, auseinandergesetzt, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14127 5 wenn Minister Remmel öffentlich einräumt, dass Problem erst vor wenigen Tagen durchdrungen zu haben? (Bitte einzelne Termine und entsprechende Teilnehmerkreise aufführen.) Siehe Vorbemerkungen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14127