LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14129 02.02.2017 Datum des Originals: 02.02.2017/Ausgegeben: 07.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5500 vom 10. Januar 2017 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/13956 Bestandsentwicklung des Wanderfalken durch aktiven Artenschutz von Jägerschaft und weiteren Naturschützern Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Wanderfalke (falco peregrinus) gehört wohl zu den beeindruckendsten Falken, die wir in Nordrhein-Westfalen haben. Er ist nicht nur einer der größten Vertreter seiner Familie, sondern gehört auch zu den am weitesten verbreiteten Vogelarten der Welt und gilt nicht zu Unrecht als echter Kosmopolit. Seine Entwicklung in Nordrhein-Westfalen ist sehr spannend und wechselhaft und dennoch ein erfolgreicher Beleg dafür, was Artenschutz in unserem Bundesland alles erreichen kann. Laut Literatur soll es noch in den 1950er Jahren rund 900 Wanderfalkenpaare in Deutschland gegeben haben. Nur wenige Jahre später sank der Bestand rapide und nicht zuletzt wurde der Wanderfalke als "vom Aussterben bedroht" geführt. Ein Hauptgrund für diesen dramatischen Einbruch waren Umweltgifte: Vor allem das damals noch in weiten Teilen gebräuchliche Pestizid DDT reicherte sich über die Nahrungskette im Körper des Wanderfalken an. Es ließ viele Bruten ausbleiben und führte dort, wo doch Eier gelegt wurden, zu hohen Verlusten durch Schädigung der Embryonen und Dünnschaligkeit der Eier. Diese waren dadurch extrem bruchgefährdet und konnten eine erfolgreiche Brut nicht mehr sicherstellen. In den meisten westlichen Industrieländern wurde in den 1970er Jahren DDT verboten. Dieses und das Bereitstellen künstlicher Nisthilfen haben mit dazu geführt, dass sich die Bestände zunehmend erholten. Im größten Teil des Verbreitungsgebietes des Wanderfalken gilt er als Felsbrüter. Diesen Umstand machte man sich in dem dicht besiedelten NRW zu Nutze und durch den Bau von Nisthilfen an Kirchtürmen und Industriebauwerken breitete sich der Wanderfalke gerade im urbanen Raum schnell aus. Dies war ein großer Erfolg für den Artenschutz und all jener, die sich aktiv um den Schutz dieser damals bedrohten Art bemüht haben und ein Beleg dafür, was im Artenschutz erreicht werden kann, wenn viele gesellschaftlichen Gruppen (wie beispielsweise Jäger, Falkner, Naturschützer und Kirchenvertreter) sich um den Erhalt von Arten gleichberechtigt kümmern. Ein LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14129 2 Erfolg auch oder gerade deswegen, weil der Wanderfalke zu dieser Zeit als Wildart auf der Liste der jagdbaren Arten geführt aber ganzjährig geschont war. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5500 mit Schreiben vom 2. Februar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie hoch waren die Bestände an Wanderfalken vor bzw. während der 1950er Jahre in Nordrhein-Westfalen? Nach Kenntnis der Vogelschutzwarte NRW des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV) konnten im Zeitraum 1930 bis 1945 alljährlich 20 bis 25 Brutpaare des Wanderfalken in der Mittelgebirgsregion in NRW angetroffen werden. Danach nahm der Wanderfalken-Brutbestand kontinuierlich ab. Die letzte Brut fand an den Bruchhauser Steinen, Hochsauerlandkreis, im Jahr 1969 statt. 2. Wie sieht die aktuelle Bestandssituation des Wanderfalken in Nordrhein-Westfalen aus? Der Gesamtbestand des Wanderfalken in Nordrhein-Westfalen lag im Jahr 2015 bei 222 Brutpaaren und 400 ausgeflogenen Jungvögeln. 3. Wie bewertet die Landesregierung die bislang erreichten Ziele des Artenschutzes beim Wanderfalken? Die bislang erreichten Ziele des Artenschutzes beim Wanderfalken sind sehr positiv. Sie führen dazu, dass der Erhaltungszustand des Wanderfalken im nordrhein-westfälischen Tiefland mittlerweile als günstig bewertet wird. Im Bergland wird der Erhaltungszustand noch als unzureichend eingestuft. Auch in den Gefährdungseinstufungen der Roten Liste NRW zeigt sich dieser positive Trend. Die landesweite Einstufung des Wanderfalken war im Jahr 1999 noch „vom Aussterben bedroht“ und hat sich zum Jahr 2008 auf „ungefährdet (abhängig von Schutzmaßnahmen )“ verbessert. 4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die positive Bestandsentwicklung nicht zuletzt auf das Zusammenspiel von Naturschützern aus den Reihen der Jägerschaft und Falkner und weiteren organisierten Gruppen wie NABU aber auch Kirchenvertretern zurückzuführen ist? Die Anfänge der Wiederbesiedlung in Nordrhein-Westfalen basieren auf Auswilderungsaktionen des Deutschen Falkenordens e.V. (DFO) an Gebäuden. Zwischen 1979 und 1986 wurden insgesamt 17 Wanderfalken an drei verschiedenen Stellen des Landes ausgewildert, von denen nachweislich mindesten drei Vögel bis zur Brutreife überlebten. Anfang der 1990er Jahre vereinbarten die Vogelschutzwarte NRW und die AG Wanderfalkenschutz NRW (AGW), auf ein weiteres Auswilderungsprogramm mit gezüchteten Falken zum Aufbau einer neuen Brutpopulation in Nordrhein-Westfalen zu verzichten und die natürliche Rückbesiedlung abzuwarten . Diese Strategie erwies sich als richtig. So fand im Jahr 1989 eine natürliche Wiederbesiedlung an den Bruchhauser Steinen im Hochsauerlandkreis statt. Seitdem nahm der Wanderfalken -Brutbestand zu, verbunden mit einer landesweiten Arealerweiterung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14129 3 Die natürliche Wiederbesiedlung wurde durch drei Faktoren für die Bestandserholung ermöglicht : Zum einen der Rückgang toxischer Pestizide (u.a. DDT), der intensive Schutz von Brutplätzen vor illegaler Verfolgung und Störungen sowie die ganzjährige Schonzeit nach Bundesund Landesjagdgesetz. Seit 1989 kümmert sich im Wesentlichen die AGW um den Schutz des Wanderfalken. Arbeitsschwerpunkte der AGW sind die Dokumentation der Bestandsentwicklung, die Beringung der Jungvögel, die Schaffung von Brutplätzen und die Ausrichtung von Fachtagungen. Viele Bruthilfen wurden an künstlichen Gebäuden installiert. Ohne die Erlaubnis und Mithilfe der Eigentümer ist dieser Artenschutzerfolg nicht möglich gewesen. Zu nennen sind hier die Kraftwerksbetreiber , Industriefirmen, Kirchengemeinden, Landesbetrieb Staßenbau NRW, Deutsche Telekom AG und viele weitere Eigentümer. Neben dem DFO, haben vereinzelt Jagdausübungsberechtige und von Jägern oder Falknern geführte Auswilderungsstationen sowie Falkner verletzt aufgefundene Wanderfalken gepflegt und wieder ausgewildert. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14129