LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14157 07.02.2017 Datum des Originals: 02.02.2017/Ausgegeben: 10.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5492 vom 9. Januar 2017 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/13939 @migoboras: Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem niederländischen Kamera-Grenzüberwachungssystem und die Rückschlüsse der Landesregierung für Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zum 1. August 2012 führte die damalige niederländische Regierung das System „@migoboras “ ein: Hierbei handelt es sich um ein Kamera-Grenzüberwachungssystem. An 15 niederländischen Grenzübergängen nach Deutschland und Belgien wurde das System damals zum Einsatz gebracht. Aus einem Bericht der Landesregierung an den Landtag Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2014 (Drs.-Nr. 16/2440) geht hervor, dass die Bekämpfung von illegaler Einwanderung , von organisierter und von sogenannter Migrationskriminalität, wie beispielsweise Menschenhandel , Ziel der Überwachung durch @migoboras sei. Aktuell (2014) habe sich an der Zielsetzung nichts geändert. Das System werde nur ausnahmsweise bei schweren Straftaten wie Entführungen, Mord und Raubüberfälle im Kontext von „Quick Alerts“ auch zur Fahndung eingesetzt. Die EU-Kommission hat das System in 2012 überprüft und weder eine Verletzung des Schengener Grenzkodex noch einen Verstoß gegen EU-Recht festgestellt, sofern die Kontrollen in einem räumlichen Gebiet von 20 Kilometern ab der Landgrenze zwischen einem Mitgliedstaat und den Vertragsstaaten des Schengen-Abkommens erfolgen (Entscheidung des EuGH vom 19. Juli 2012 nach Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State). Im Zusammenhang mit der Einführung von @migoboras in den Niederlanden forderte der Landtag in der 15. Wahlperiode mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE (Drs.-Nr. 15/3394) die Landesregierung auf, im Dialog mit den niederländischen Regierung darauf hinzuarbeiten, dass von den geplanten Videokontrollen an Grenzübergängen abgesehen wird und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14157 2 sich gegenüber der Bundesregierung und den Institutionen und Gremien der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass ein Dialog über Datenschutz und Videoüberwachung im Schengen-Raum geführt wird, mit dem Ziel einheitliche Regelungen zur Wahrung der uneingeschränkten Reisefreiheit und dem Datenschutz an Grenzübergängen zwischen Mitgliedstaaten des Schengen-Raums auf europäischer Ebene dauerhaft zu etablieren. Die damalige, zuständige Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen wird in dem APr 16/745 vom 21. November 2014 in Bezug auf @migoboras wie folgt wiedergegeben: „Die Testphase sei ihrer Kenntnis nach abgeschlossen. Deswegen halte sie es auch für angemessen, dass die LR jetzt bei den niederländischen Freunden nachfrage, um hier einmal einen Bericht zu bekommen.“ Der Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und der Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 5492 mit Schreiben vom 2. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um im Rahmen eines Dialogs über Datenschutz und Videoüberwachung im Schengen-Raum das vom Landtag in der 15. Wahlperiode formulierte Ziel einer einheitlichen Regelung zur Wahrung der uneingeschränkten Reisefreiheit und dem Datenschutz an Grenzübergängen zu erreichen (Erfüllung des beschlossenen Antrages Drs.-Nr. 15/3394)? Wie im Bericht an den Ausschuss für Europa und Eine Welt vom 21. November 2014 erläutert, hatte die damalige Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, Frau Dr. Angelica Schwall-Düren, in Gesprächen mit der niederländischen Seite, insbesondere dem Generalkonsul , auf Bedenken der Landesregierung zum System @migoboras hingewiesen. Der damalige niederländische Minister für Einwanderung und Asyl, Herr Geerd Leers, informierte die Ministerin über eine Entscheidung der Europäischen Kommission zum Thema und darüber , dass nach Ablauf der Testphase das System wie geplant in Betrieb ginge. In einem Schreiben vom 26. November 2014 wandte sich die Ministerin an den niederländischen Minister für Sicherheit und Justiz, Herrn Stef Blok, und fragte nach Ergebnissen des Systems @migoboras . In einem Antwortschreiben vom 10. März 2015 informierte der niederländische Minister für Sicherheit und Justiz über die Ergebnisse der Durchführung der mobilen Sicherheitsüberwachung (siehe Antwort zu Frage 3). 2. Falls das vom Landtag in der 15. Wahlperiode formulierte Ziel nicht erreicht wurde: Warum wurde das Ziel nicht erreicht? Nach dem in der 15. Wahlperiode formulierten Ziel (Antrag vom 29. November 2011) hat die EU-Kommission das System @migoboras 2012 überprüft und am 5. Juli 2012 weder eine Verletzung des Schengener Grenzkodex noch einen Verstoß gegen EU-Recht festgestellt. Auch eine damit übereinstimmende rechtliche Bewertung durch den Europäischen Gerichtshof vom 19. Juli 2012 ist eindeutig. Unter der Bedingung, dass das System weiter wie bisher betrieben wird, sieht die Landesregierung daher derzeit keine Notwendigkeit, Schritte gegenüber der EU-Kommission zu unternehmen oder andere Institutionen der Europäischen Union zu ersuchen, gegen die Niederlande vorzugehen. Der direkte Dialog auf politischer Ebene sowie auf Fachebene mit den niederländischen Partnern wurde gesucht und besteht bei Bedarf weiterhin . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14157 3 3. Die damalige Ministerin hielt es im Herbst 2014 für angemessen, dass die Landesregierung jetzt bei den niederländischen Freunden nachfrage, um hier einmal einen Bericht zu bekommen: Welche Ergebnisse liegen der Landesregierung aus den Niederlanden nach Abschluss der Testphase von @migoboras über die Wirksamkeit und die Zielerreichung dieses Kamera-Grenzüberwachungssystems vor? Die niederländische Königliche Militärpolizei wendet das System @migoboras seit dem 1. August 2012 als technisches Hilfsmittel bei der Durchführung der Mobilen Sicherheitsüberwachung an. Dies geschieht auf Straßen in einem Umkreis bis zu zwanzig Kilometern ab der gemeinsamen Grenze zu Deutschland und Belgien, höchstens neunzig Stunden pro Monat und sechs Stunden pro Tag. Die Kfz-Kennzeichen werden nur für die Dauer der Kontrolle der Mobilen Sicherheitsüberwachung (maximal sechs Stunden) gespeichert. Die Daten werden anschließend aus dem System gelöscht. Mit dem Ziel der anonymen Datengewinnung und - analyse für Profile der Mobilen Sicherheitsüberwachung hat das Kamerasystem ab August 2012 viele Millionen von Durchfahrten beobachtet und allgemeine, nicht zur Person zurückführende Daten zur Art der Durchfahrt erhoben. Dies betrifft beispielsweise die Fahrzeugklassen , Herkunftsland und Zeitpunkt der Durchfahrt. Aufbauend darauf konnte besser bestimmt werden, wo und wann Kontrollen der Mobilen Sicherheitsüberwachung durchgeführt werden mussten. Für das weitere Ziel des Systems @migoboras, der Observierung und Auswahl zum Anhalten von Fahrzeugen, sind mit Hilfe der erstellten, allgemeinen Profile von Kraftfahrzeugen bestimmte Fahrzeuge gezielter ausgewählt worden. Die tatsächliche Auswahl eines Fahrzeugs bleibt laut dem niederländischen Ministerium für Sicherheit und Justiz ein Zusammenspiel aus Erkenntnissen durch das System @migoboras und der Beobachtung durch Beamte vor Ort. Das System @migoboras ist zudem darauf ausgelegt, bei einem eingeleiteten Quick-Alert in Fällen von schweren Straftaten zu unterstützen. Die niederländische Königliche Militärpolizei teilte mit, dass sie häufig gebeten wurde, einen derartigen Quick-Alert ins System aufzunehmen . Wenn eine Fahrzeugerkennung vorlag, wurde sofort Kontakt zur Polizei-Dienststelle aufgenommen , die den Quick-Alert beantragte, um anschließend Folgemaßnahmen einzuleiten. Laut dem niederländischen Ministerium für Sicherheit und Justiz ist durch das System @migoboras insgesamt die Informationsposition der niederländischen Königlichen Militärpolizei verstärkt worden. Sie ist besser in der Lage, innerhalb des gesetzlichen Rahmens die Kapazitäten der Mobilen Sicherheitsüberwachung wirksam einzusetzen und Kontrollen gezielter durchzuführen. 4. Welche Rückschlüsse zieht die nordrhein-westfälische Landesregierung aus den vorliegenden Ergebnissen für ihr eigenes Handeln? Mit der Einschränkung, dass das System @migoboras weiter wie bisher betrieben wird, sieht die Landesregierung Nordrhein-Westfalen keine Notwendigkeit, weitere Schritte zu unternehmen , die über den freundschaftlichen Dialog mit den niederländischen Partnern hinausgehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14157 4 5. Plant die nordrhein-westfälische Landesregierung die (ggf. zeitlich befristete) Einführung eines vergleichbaren Kamera-Grenzüberwachungssystems (unter Berücksichtigung der Einbindung der NRW-Kreispolizeibehörden in Grenznähe und unter Wahrung der Kautelen des EuGH)? Nein. Der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz) obliegt der Bundespolizei . Über das gegenwärtige Gesetzvorhaben der Bundesregierung, vergleichbare automatische Kennzeichenerfassungen an der deutschen Grenze zu ermöglichen, ist die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Bild. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14157