LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14208 09.02.2017 Datum des Originals: 09.02.2017/Ausgegeben: 14.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5509 vom 16. Januar 2017 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/13976 Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Anerkennung des Vereins „Deutsches Tierschutzbüro e.V.“ nach dem TierschutzVMG Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW) verleiht anerkannten Vereinen umfangreiche Beteiligungs- und Klagerechte bei Verwaltungsverfahren im Tierschutzbereich. Bisher wurden neun Vereine durch das Umweltministerium anerkannt. Im Jahr 2016 wurde vom Umweltministerium ein Verfahren eingeleitet, um die Rechtmäßigkeit der Anerkennung des Vereins „Deutsches Tierschutzbüro e.V.“ zu überprüfen, nachdem Zweifel über die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen durch den Verein bekanntgeworden waren. Im Ergebnis hat das Umweltministerium davon abgesehen, die Anerkennung zurückzunehmen (Drs 16/13909). Die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 TierschutzVMG sei im Hinblick auf eine eventuelle Begehung von Rechtsbrüchen und im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten weiterhin gegeben. Als sachgerecht könnten in diesem Zusammenhang „jedenfalls“ solche Aktivitäten nicht mehr angesehen werden, wegen denen Vereinsmitglieder rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden sind. Solche Verurteilungen aber lägen nicht vor. Angesichts der auf der Webseite des Vereins offensichtlich eingeräumten und wohl gewerbsmäßigen Begehung von möglichen Straftaten (z.B. Gewinnung von Film- und Bildmaterial, „Befreiung“ von Tieren“) wäre eine Entscheidung darüber, ob diese Verhaltensweisen unterhalb der Schwelle einer rechtskräftigen Verurteilung die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung im Sinne des TierschutzVMG NRW entfallen lassen können, zumindest angezeigt gewesen. Darüber hinaus ist der vom Ministerium gewählte Umkehrschluss nicht zulässig. Das Erfüllen des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals lässt sich im Hinblick auf die der Prüfung vorangestellte Definition nicht mit dem Fehlen lediglich eines von möglicherweise mehreren („jedenfalls“) Ausschlussgründen belegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14208 2 Überdies gibt der Verein auch aus weiteren Gründen Anlass zu Zweifeln, ob die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 TierschutzVMG eingehalten sind, ohne dass dies seitens der Landesregierung erkennbar geprüft worden wäre: Angesichts des inzwischen veröffentlichten Finanzberichts 2014 drängt sich noch stärker als nach Veröffentlichung des Finanzberichts 2013 die Frage auf, ob der Verein weiterhin ideell und nicht nur vorübergehend, ausschließlich sowie unmittelbar selbstlos gemeinnützige Zwecke, nämlich des Tierschutzes, im Sinne der Abgabenordnung erfüllt. So sind laut Gewinn- und Verlustrechnung in den Jahren 2011 bis 2014 die Vereinseinnahmen (Mitgliedsbeiträge und Spenden) von 14.125,67 Euro auf inzwischen 325.599,19 Euro angestiegen. Insbesondere folgende Ausgabensteigerungen sind zu verzeichnen: Bürobedarf, Telefon, Geldnebenkosten von 1.411,02 Euro im Jahr 2011 auf 20.409,57 Euro im Jahr 2014; „Bankkosten“ von 73,76 Euro im Jahr 2011 auf 15.475,78 Euro im Jahr 2014; Rechtskosten von 1.905,62 Euro im Jahr 2011 auf 29.816,72 Euro im Jahr 2014. Gleichzeitig sind die eigenen Zuwendungen an Tierschutzeinrichtungen von auf 850,- Euro im Jahr 2014 und die Aufwendungen für „Kampagnen / Aktionen“ im Vergleich zum Jahr 2013 von 77.274,46 Euro auf 46.966,41 Euro zurückgegangen. Zudem sind im Vergleich zum Jahr 2011 für das Jahr 2014 neue Ausgaben für „Website / Online“ i.H.v. 13.868,54 Euro sowie „Öffentlichkeitsarbeit / Pressearbeit“ i.H.v. 44.167,33 Euro und „Vereinsmitteilungen“ i.H.v. 15.369,36 Euro in Rechnung zu stellen. Bei diesen Ausgaben, die im Einzelfall durchaus vom Vereinszweck umfasst sein können, ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die PR-Agentur „green yellow pr“ laut eigener Webseite das Deutsche Tierschutzbüro e.V. als Kunden – einschließlich Kampagnenplanung – aufführt und zugleich im Impressum den Gründer des Vereins „Deutsches Tierschutzbüro e.V.“ als Inhaber ausweist. Somit erscheint es bei unbefangener Lektüre der Zahlen als nicht fernliegend, dass allein im Jahr 2014 bis zu 120.000,- Euro der 325.000,- Euro Vereinseinnahmen direkt oder indirekt Vereinsmitgliedern zugutekommen sind, nicht aber – wie steuerrechtlich erforderlich – ausschließlich selbstlos die Allgemeinheit gefördert wurde. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5509 mit Schreiben vom 9. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. 1. Inwiefern kann auch der gefestigte Verdacht einer fortgesetzten Begehung von Straftaten dazu führen, dass ein Verein nicht die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 TierschutzVMG erforderliche Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet? Der bloße Verdacht einer Begehung von Straftaten kann nicht dazu führen, das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzung des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW) zu verneinen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14208 3 2. Welche Voraussetzungen müssen nach Ansicht der Landesregierung konkret in positiver wie in negativer Hinsicht eingehalten werden, damit das Anerkennungskriterium nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 TierschutzVMG erfüllt ist bzw. welchen Prüfungsmaßstab legt die Landesregierung an? Mit den Anerkennungsvoraussetzungen in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 6 wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass im Interesse einer sachgerechten Wahrnehmung der Rechte nach dem TierschutzVMG NRW bestimmte Voraussetzungen wie z. B. Mitgliederzahl, Leistungsfähigkeit, längerfristige Erfahrung, landesweite Tätigkeit und Gemeinnützigkeit des Vereins unerlässlich sind. Vorgaben, wie das Ministerium die Anerkennungsvoraussetzungen der Vereine zu überprüfen hat, enthält das Gesetz nicht. Einige Anerkennungsvoraussetzungen können die Vereine durch das bloße Einreichen von Unterlagen belegen, z.B. mit dem Freistellungsbescheid die Voraussetzung der gemeinnützigen Tätigkeit nach § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 TierSchutzVMG NRW oder die Satzung im Hinblick auf das Stimmrecht im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 TierschutzVMG NRW. Andere Voraussetzungen, die nicht unmittelbar und unzweifelhaft durch Unterlagen belegbar sind, hat der Verein im Rahmen der Antragstellung plausibel darzulegen. Dies gilt auch für das Kriterium der „sachgerechten Aufgabenerfüllung“ nach § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 des Gesetzes. Wie sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt, sind durch das Ministerium bei der Prüfung, ob diese Anerkennungsvoraussetzung gegeben ist, im Rahmen einer Gesamtschau die Art und der Umfang der bisherigen Vereinstätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen. Der Verein hat dem Ministerium nachvollziehbar darzulegen, dass seine Ziele nicht nur auf dem Papier stehen, sondern er die Ziele auch tatsächlich verfolgt. Der Verein sollte organisatorisch so aufgebaut sein, dass er die anspruchsvollen Klage- und Mitwirkungsrechte in einer Weise wahrnehmen kann, wie sie sich der Gesetzgeber vorgestellt hat. Das im Rahmen des Anerkennungsverfahrens Vorgebrachte wird durch das Ministerium auf Plausibilität geprüft. In Zweifelsfällen recherchiert das Ministerium oder vergewissert sich durch Rückfragen bei dem antragstellenden Verein. Auch das Vorliegen von Erkenntnissen, die nach Anerkennung des Vereins eine Rücknahme oder einen Widerruf der Anerkennung rechtfertigen könnten, lösen eine Überprüfung aus. Einer Anerkennung steht nicht entgegen, wenn der Verein seine Öffentlichkeitsarbeit auf eine Art und Weise betreibt, die in den Medien und der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und von Teilen der Öffentlichkeit womöglich sogar abgelehnt wird. Als sachgerecht im Sinne des § 3 TierschutzVMG NRW können in diesem Zusammenhang jedoch solche Aktivitäten nicht mehr angesehen werden, wegen denen maßgebliche Vereinsmitglieder rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden sind. Die strafrechtliche Beurteilung von Sachverhalten obliegt jedoch den zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichten. Dementsprechend stünden im Anerkennungsverfahren bekannt werdende rechtskräftige Verurteilungen von Mitgliedern wegen planmäßiger im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vereins begangener strafbarer Handlungen einer Anerkennung des Vereins entgegen. In den jüngeren Anerkennungsverfahren verlangt das zuständige Ministerium von Mitgliedern des Vorstands der die Anerkennung begehrenden Vereine daher eine Erklärung zu Vorstrafen sowie laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14208 4 3. Wie beurteilt die Landesregierung die erheblichen, nicht unmittelbar tierschutzbezogenen Ausgabensteigerungen im Zusammenhang mit den tierschutzbezogenen Ausgabenkürzungen im Hinblick auf die Einhaltung Anerkennungsvoraussetzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 TierschutzVMG? Für das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzung des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 TierschutzVMG NRW ist nach dem Wortlaut die Satzung des Vereins maßgeblich. Eine „ideelle Förderung“ der Ziele des Tierschutzes ist anzunehmen, wenn der Vereinszweck nach seiner Satzung auf einen nicht wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist. In der Satzung des Vereins Deutsches Tierschutzbüro e.V. heißt es unter § 2: „Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Tätigkeiten des Vorstands für den Verein erfolgen unentgeltlich, sofern die Delegiertenversammlung nicht etwas anderes ausdrücklich beschließt. Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungs-mäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus den Mitteln des Vereins. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.“ Nach der Satzung des Vereins verfolgt er die Ziele des Tierschutzes ohne eigene materielle Interessen und ist nicht kommerziell tätig. Grundsätzlich gilt: Intransparentes Gebaren von Vereinen, insbesonders solcher, die Spendengelder einwerben, ist zu kritisieren. Aus intransparentem Gebaren in Finanzangelegenheiten des Vereins lässt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit schließen, dass der Verein keine Gewähr für eine sachgerechte Wahrnehmung seiner Rechte aus dem TierschutzVMG NRW im Bereich des Tierschutzes bietet. 4. Inwiefern wurde die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins „Deutsches Tierschutzbüro e.V.“ im Hinblick auf die Berechtigung Inanspruchnahme der Befreiung von der Körperschaftssteuer vom zuständigen Finanzamt seit dem Jahr 2013 nachgeprüft bzw. ist eine solche geplant? Mit dem Anerkennungsbescheid werden die Vereine darüber informiert, dass sie verpflichtet sind, Satzungsänderungen, Änderungen in der Zusammensetzung des Vorstands, Änderungen in der Mitgliederstruktur, eine Verlegung der Geschäftsstelle sowie damit im Zusammenhang stehende Adressänderungen und Änderungen der für den Empfang von Informationen relevanten E-Mail-Adresse, aber auch eine evtl. Aufhebung der Befreiung von der Körperschaftssteuer nach dem Körperschaftssteuergesetz wegen Wegfalls der Gemeinnützigkeit mitzuteilen. Eine entsprechende Mitteilung in Bezug auf die Gemeinnützigkeit des Vereins ist seitens des Deutschen Tierschutzbüros nicht erfolgt. Die Feststellung, ob ein Verein die Voraussetzungen für eine Anerkennung als gemeinnützig erfüllt, obliegt dem örtlich zuständigen Finanzamt. Nach § 88 der Abgabenordnung hat die Finanzverwaltung im Besteuerungsverfahren den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Die Finanzverwaltung ist danach insbesondere verpflichtet, allen Hinweisen nachzugehen, die sich auf die Besteuerung im Einzelfall auswirken könnten. Aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 der Abgabenordnung sind Auskünfte zum Besteuerungsverfahren in konkreten Einzelfällen nicht zulässig.