LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14264 16.02.2017 Datum des Originals: 16.02.2017/Ausgegeben: 21.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5496 vom 11. Januar 2017 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/13951 Welche Vor- und Nachteile hat die Internetveröffentlichung von Antragsunterlagen bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im März 2015 ist ein Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten, wonach Antragsunterlagen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, für die eine Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung und Auslegung besteht, auch im Internet veröffentlicht werden müssen. Die rechtlichen Vorgaben zur Bekanntmachung von Verfahrensunterlagen und Genehmigungen sind im Bundesimmissionsschutzgesetz bereits in dessen § 10 detailliert geregelt. Für weitergehende Bestimmungen zum Verwaltungsverfahren wie der im Erlass vorgesehenen Veröffentlichung im Internet, besteht für die Länder nach § 73 des Bundesimmissionsschutzgesetzes grundsätzlich kein Spielraum. Die Veröffentlichung insbesondere der umweltbezogenen Antragsunterlagen dient vor allem der besseren Information von direkt oder indirekt betroffenen Anwohnern über die Umweltauswirkungen der geplanten Anlagen. Mit der Bekanntgabe im Internet wird jedoch ein viel weiter gezogener Adressatenkreis erreicht, der insbesondere Konkurrenzunternehmen Wissensvorsprünge und Wettbewerbsvorteile ermöglichen kann. Denn die zu veröffentlichenden Unterlagen enthalten zumeist auch Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die aufgrund der hohen Bedeutung für die Anwohner gleichwohl zu veröffentlichen sind, so dass die eigentlich vorgesehene Unterscheidung zwischen vertraulichen und nicht-vertraulichen Informationen in der Praxis wenig effektiv erscheint. Sind diese Informationen einmal im Internet, ist eine uneingeschränkte Nutzung und Verbreitung nicht zu verhindern. Das könnte erhebliche Wettbewerbsnachteile und Risiken für betroffene Unternehmen zur Folge haben, zumal die Vorgaben zur Veröffentlichung solcher Daten im außereuropäischen Vergleich häufig erheblich restriktiver sind. Ebenso stellt die Veröffentlichung von Plänen sowie Lagerungsgeheimnissen eine erhebliche Risikoerhöhung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14264 2 dar. Gerade in Zeiten von Terrorgefahr ist eine öffentliche Einsicht solcher Daten im Internet äußerst vorsichtig zu gestalten. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5496 mit Schreiben vom 16. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Nachgang zu den Erfahrungen mit „Stuttgart 21“ wurden auf Bundesebene die Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung verbessert. In diesem Rahmen wurde das Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) vom 31. Mai 2013 (BGBl. I S. 1388) verabschiedet, durch das auch § 27a VwVfG eingeführt wurde. Danach sollen die Behörden den Inhalt einer im Fachrecht vorgesehenen öffentlichen Bekanntmachung sowie die auszulegenden Unterlagen zusätzlich im Internet veröffentlichen. Diese bundesrechtliche Regelung wurde im Mai 2014 auch auf Landesebene in den gleichlautenden § 27a VwVfG NRW übernommen. Bislang haben NRW, Niedersachsen und Sachsen klarstellende Erlasse herausgegeben, dass diese Regelung auch in Bezug auf die öffentliche Bekanntmachung und Auslegung von Unterlagen nach § 10 BImSchG anzuwenden ist. Dem steht § 73 BImSchG nicht entgegen, da § 27a VwVfG NRW die immissionsschutzrechtlichen Regelungen ergänzt und gerade nicht von diesen abweicht. Es werden nur die Unterlagen über das Internet zugänglich gemacht, die ohnehin öffentlich ausgelegt sowie über das UIG NRW zur Verfügung gestellt werden müssen und damit bereits auf diesen Wegen bekannt sind und auch verbreitet werden können. Von der Veröffentlichung ausgenommen sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie Informationen, deren Bekanntgabe die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Die Landesregierung ist sich hierbei des Umstandes bewusst, dass die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile prioritäres Ziel jihadistischer Gruppierungen ist, insbesondere des sogenannten „Islamischen Staates“ und die Gefährdungslage insbesondere in Bezug auf die Gefahr terroristischer Anschläge angespannt ist. Zudem ist Deutschland und insbesondere Nordrhein-Westfalen als Standort für Hochtechnologien ein vorrangiges Ziel für Wirtschaftsspionage. Die Landesregierung stellt sicher, dass insoweit relevante Angaben geschützt werden. 1. Welche konkreten Defizite hat die bisherige Veröffentlichungspraxis von Antragsunterlagen in immissionsschutzrechtlichen Verfahren aus Sicht der Landesregierung, so dass sie eine Internetveröffentlichung für zwingend erforderlich hält? Wie eingangs dargelegt, ergibt sich die regelmäßige Verpflichtung zur Veröffentlichung auch im Internet aus der bestehenden Gesetzeslage. Die auszulegenden Unterlagen einschließlich der Antragsunterlagen sind oft sehr umfangreich und umfassen komplexe Sachverhalte sowie Bewertungen. Daher können die Auswirkungen eines komplexen Vorhabens nicht ohne weiteres im Rahmen einer Akteneinsicht vor Ort bei der Behörde nachvollzogen und beurteilt werden, um bei einem konkreten Bedarf entsprechende substantiierte Einwendungen einbringen zu können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14264 3 2. Welchen konkreten Nutzen verspricht sich die Landesregierung von der Internetveröffentlichung? Durch die größere Transparenz sollen zum einen die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sowie auch die Akzeptanz des Verwaltungshandelns gefördert werden. Zum anderen soll durch dieses Instrument aber auch die mittelbare Kontrolle der Verwaltung verbessert werden. Durch eine Veröffentlichung im Internet können Einwendungen substantiierter begründet werden. Die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung ist mit ihren Stellungnahmen und Einwendungen auch im Interesse der Vorhabenträger eine essentielle Grundlage für rechtssichere Entscheidungen. Darüber hinaus handelt es sich bei der Information über das Internet auch um eine zeitgemäße Kommunikation, die dazu beitragen kann sowohl für die Verwaltung als auch für die Öffentlichkeit den Aufwand und die damit verbundenen Kosten zu verringern. Die Veröffentlichung der Antragsunterlagen und die hierdurch geschaffene Transparenz entspricht schießlich auch der von der Landesregierung initiierten Open-Government Strategie. 3. Wie sollen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betroffener Unternehmen ausreichend geschützt werden? Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen muss nicht erst bei einer Veröffentlichung im Internet sondern schon bei der Auslegung von Antragsunterlagen gewährleistet sein. Dies wird nach § 10 BImSchG dadurch sichergestellt, dass der Vorhabenträger eine entsprechende Kennzeichnung einschlägiger Unterlagen vornimmt. Diese Unterlagen werden weder ausgelegt noch im Internet veröffentlicht. Hierauf weist auch der Erlass ausdrücklich hin. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Gefahr, dass die Bereitschaft, Investitionsentscheidungen für Spitzentechnologieprojekte am Standort NRW zu tätigen, auch aufgrund des Erlasses zurückgeht? Auch vor der Verabschiedung des § 27a VwVfG NRW hatten Marktkonkurrenten bereits die Möglichkeit, die auszulegenden Unterlagen einzusehen und zu kopieren sowie im Rahmen des UIG NRW die digitalen Datenträger zu erhalten. Informationen, die Marktkonkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen offenbaren und so die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens nachteilig beeinflussen könnten, sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und wurden deshalb weder damals noch werden sie heute ausgelegt oder über das Internet zugänglich gemacht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14264 4 5. Inwiefern besteht die Befugnis des Landes zu der vom Bundesrecht abweichenden Anordnung der Internetveröffentlichung per Erlass? Der genannte Erlass trifft keine von Bundesrecht abweichende Regelung. Zum einen entspricht § 27a VwVfG NRW wie oben dargestellt der inhaltsgleichen bundesrechtlichen Regelung. Zum anderen wird mit dem Erlass der Auslegung Rechnung getragen, dass § 27a VwVfG NRW von den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung gerade nicht abweicht, sondern ergänzend neben diesen Regelungen anzuwenden ist.