LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14266 16.02.2017 Datum des Originals: 16.02.2017/Ausgegeben: 21.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5517 vom 15. Januar 2017 des Abgeordneten Hendrik Schmitz CDU Drucksache 16/14050 Fehlende Gesetzesgrundlage für Schleierfahndung führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für die eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten Im WDR 5-Morgenecho vom 30.11.2016 hat Innenminister Jäger auf die Frage, warum die rotgrüne Landesregierung die Schleierfahndung in Nordrhein-Westfalen ablehne, wörtlich geantwortet: „Weil es gar nicht erforderlich ist, eine solche Schleierfahndung ins Gesetz aufzunehmen, weil wir sie praktisch machen.“ Weiter führte der Minister aus, dass die Schleierfahndung in NRW „per Erlass“ geregelt sei und erklärte: „Man muss da nicht immer an die Gesetze gehen.“ Diese Argumentation ist verfassungsrechtlich vollkommen unhaltbar. Nachdem auch Herrn Minister Jäger inzwischen offenbar erklärt wurde, dass Grundrechtseingriffe in Deutschland nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen und damit immer einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen, ruderte der Minister zurück. Wie er in seiner Antwort auf meine Kleine Anfrage 5410 (Drs. 16/13924) unter dem 05.01.2017 ausführte, handelt es sich bei den Kontrollen der Polizei NRW im Rahmen von Schwerpunkteinsätzen im Bereich der Wohnungseinbruchskriminalität nun doch nicht um „Schleierfahndung“ auf Grundlage eines Erlasses, sondern um anlassbezogene Kontrollen auf Grundlage der §§ 9 und 12 PolG NRW. Diese Antwort zeigt erneut, in welche Rechtsunsicherheiten der Minister die nordrheinwestfälische Polizei steuert. Denn: Auf Grundlage der genannten Vorschriften ist gerade keine allgemeine Ausforschung zulässig. Eine Datenerhebung nach § 9 PolG NRW muss sich immer auf einen konkreten Vorgang bzw. Einzelsachverhalt beziehen. Sie kann keinesfalls herangezogen werden, um aufgrund der allgemeinen Gesamtlage der Wohnungseigentumskriminalität in NRW x-beliebige Personen zu kontrollieren. Die Einrichtung von Kontrollstellen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW kommt zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls ebenso wenig in Betracht, weil der Wohnungseinbruchsdiebstahl unzweifelhaft nicht zu den in dieser Vorschrift aufgelisteten Katalogstraftaten gehört, zu deren Verhütung die Errichtung solcher Kontrollstellen zulässig ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14266 2 Für die im Rahmen entsprechender Kontrollen eingesetzten Polizeibeamtinnen und –beamten besteht folglich das Problem, dass sie auf Geheiß des Innenministers in rechtswidrige Einsätze geschickt werden, für die sie gemäß § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz selbst die volle persönliche Verantwortung tragen. Gemäß § 36 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz besteht jedoch die Möglichkeit, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen auf dem Dienstweg geltend zu machen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5517 mit Schreiben vom 16. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. 1. In welchen Kreispolizeibehörden haben Mitarbeiter in der Vergangenheit Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Kontrollen geltend gemacht, die im Rahmen von Schwerpunktkontrolltagen bzw. der Landeskampagnen „Riegel vor!“/„Mobile Täter im Visier“ (MOTIV) durchgeführt wurden bzw. werden? (Bitte jeweils unter Datumsangabe nach Behörden getrennt auflisten.) Zur Bekämpfung mobiler Intensivtäter der Eigentumskriminalität führte die KPB Köln am 12.2.2014 einen Schwerpunktkontrolltag (SKT) durch. Im Rahmen der Einsatznachbereitung berichtete die KPB Köln dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD NRW) am 15.5.2014, dass es im Vorfeld des Einsatzes bei den eingesetzten Kräften teilweise Unsicherheiten im Hinblick auf die Rechtsgrundlage für das Einrichten der Kontrollstellen und der dort zu treffenden Maßnahmen gegeben habe. Anlässlich eines Schwerpunktkontrolltages am 20.2.2014 im Zuständigkeitsbereich der KPB Bielefeld äußerte ein Polizeivollzugsbeamter mit Schreiben vom 14.2.2014 an die Polizeipräsidentin rechtliche Bedenken. Ob in weiteren KPB Bedenken erhoben worden sind und inwieweit sich diese auf die einzelnen Kreispolizeibehörden verteilen, ist zentral nicht erfasst. Eine Erhebung dieser Daten ist nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen können die erbetenen Daten nicht erhoben werden. 2. Inwieweit haben Dritte (z.B. Bürgerinnen und Bürger, Staatsanwaltschaften, Gerichte) in der Vergangenheit Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Kontrollen geltend gemacht, die im Rahmen von Schwerpunktkontrolltagen bzw. der Landeskampagnen „Riegel vor!“/„Mobile Täter im Visier“ (MOTIV) durchgeführt wurden bzw. werden? (Bitte auch die konkrete Anzahl der auf diesem Wege ggfs. eingegangenen „Bedenken“ auflisten.) Dem MIK NRW liegen keine Erkenntnisse über eine Geltendmachung von Bedenken durch Dritte (z.B. Bürgerinnen und Bürger, Staatsanwaltschaften, Gerichte) vor. Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern werden im Rahmen des Beschwerdemanagements der Polizei NRW nicht nach Beschwerdeanlässen erfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14266 3 3. Was wurde auf die unter 1.) und 2.) geäußerten Bedenken hin jeweils konkret veranlasst bzw. inwieweit hat es in diesem Zusammenhang schriftliche Äußerungen seitens der nächst höheren Vorgesetzten/Landesoberbehörden/MIK gegeben? (Bitte für jeden Fall einzeln auflisten.) Der Bericht der KPB Köln vom 15.5.2014 wurde mit Verfügung des LZPD NRW (im Einvernehmen mit LKA NRW und MIK NRW) vom 30.6.2014 beantwortet. In der Verfügung heißt es u. a.: „Die Entscheidung, welcher Fahrzeugführer im Rahmen eines SKT angehalten wird und welche polizeilichen Maßnahmen daraufhin eingeleitet werden, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei jedem Einzelfall sind daher die bestehenden Umstände zu berücksichtigen und auf dieser Tatsachengrundlage eine Ermessenserwägung/-entscheidung durchzuführen. Die pauschale Vorgabe, aufgrund welcher Rechtsgrundlage zu handeln ist, würde diese in jedem Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung aushebeln. Eine fehlende Ermessensausübung (Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung oder Ermessensnichtgebrauch) führt zu einem rechtswidrigen Handeln, welches folglich mit einem Rechtsbehelf (Klage vor dem Verwaltungsgericht) angreifbar wäre.“ Weiter heißt es: „Die geltenden Rechtsvorschriften sind meines Erachtens im Hinblick auf die Durchführung präventivpolizeilicher Maßnahmen einschlägig.“ Im Hinblick auf die bei der KPB Bielefeld geäußerten Bedenken fand am 23.4.2014 im MIK NRW ein Gespräch unter Teilnahme des Abteilungsleiters der Abteilung 4 des MIK NRW und der Polizeipräsidentin statt, in dem die Rechtslage erörtert wurde (zur Rechtslage vgl. Antwort der Landesregierung auf Frage 2 der Kleinen Anfrage 5410, Landtagsdrucksache 16/13924 sowie Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales zu dem von der CDU-Fraktion beantragten Tagesordnungspunkt „Rot-grüne „Schleierfahndung“ in Nordrhein-Westfalen mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage evident verfassungswidrig“ der Sitzung des Innenausschusses am 19.01.2017, Landtags-Vorlage Nr. 16/4666). Schriftliche Äußerungen seitens des MIK NRW bzw. der Landesoberbehörden zu dem Gespräch am 23.4.2014 im MIK NRW gab es nicht. 4. Welchen genauen Inhalt hatten diese Äußerungen jeweils? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. In wie vielen Fällen hatte die polizeiinterne Geltendmachung entsprechender Bedenken disziplinarrechtliche Konsequenzen für die sich äußernden Beamtinnen und Beamten? Die Geltendmachung fachlicher beziehungsweise rechtlicher Gesichtspunkte hat keine disziplinarischen Folgen.