LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1427 14.11.2012 Datum des Originals: 12.11.2012/Ausgegeben: 19.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 557 vom 10. Oktober 2012 des Abgeordneten Henning Rehbaum CDU Drucksache 16/1112 Offene Ganztagschule und Vereinsarbeit Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 557 mit Schreiben vom 12. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Zahl der Offenen Ganztagsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Zurzeit gibt es rund 2.700 dieser Schulen in Nordrhein-Westfalen, die von rund 220.000 Schülerinnen und Schüler besucht werden. Ob die Schülerinnen und Schüler die nachmittäglichen Angebote wahrnehmen, wird zu Beginn des Schuljahres verbindlich und verpflichtend für die Dauer eines Schuljahres festgelegt . Den Sportvereinen, den Musikvereinen, der Jugendarbeit und anderen Trägern geht so ein erhebliches Mitgliederpotential verloren, was dauerhaft zur Gefährdung der Vereinsstrukturen oder -existenzen führen kann. Hinzu kommt, dass durch den demografischen Wandel ohnehin immer weniger potentielle Mitglieder zur Verfügung stehen. Viele Eltern geraten daher in einen Konflikt, da sie sich entweder für die Aktivitäten an der Schule am Nachmittag oder für die Vereinsangebote, die eine wichtige Säule der Gesellschaft darstellen, entscheiden müssen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1427 2 Vorbemerkung der Landesregierung Bei der Offenen Ganztagsschule im Primarbereich (OGS) handelt es sich um ein auch von der öffentlichen Hand finanziertes Bildungsangebot. Zu einem guten Ganztagsangebot gehört die verlässliche und verbindliche Zusammenarbeit der Schule mit Kinder- und Jugendhilfe , Kultur und Sport sowie weiteren außerschulischen Partnern. Grundlage ist der Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 23. Dezember 2010, der u.a. Regelungen zur Kooperation mit außerschulischen Partnern sowie Regelungen zur Teilnahme der Kinder enthält. 1. Was unternimmt die Landesregierung, um Vereine unter den sich ändernden Rahmenbedingungen zu unterstützen? Die Landesregierung unterstützt die Zusammenarbeit von Schulen und Vereinen durch Rahmenvereinbarungen mit landesweit tätigen Trägerverbänden. Es gibt Rahmenvereinbarungen mit dem Landessportbund, dem Landesmusikrat und dem Landesverband der Musikschulen , der Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit, den (Erz-)Bistümern und Diözesan -Caritasverbänden sowie Evangelischen Landeskirchen und ihren Diakonischen Werken, dem Verband der Bibliotheken, der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung, den Landfrauenverbänden und den Museumsverbänden. Die Rahmenvereinbarungen werden schrittweise fortgeschrieben. Am 30. August 2011 wurde eine aktualisierte Vereinbarung mit dem Landessportbund unterzeichnet. Die Unterzeichnung der aktualisierten Vereinbarung mit dem Landesmusikrat und dem Landesverband der Musikschulen findet am 7. November 2012 statt. Die Landesregierung und ihre Kooperationspartner ermutigen mit den Rahmenvereinbarungen Schulen und Vereine, den Ganztag für gemeinsame Angebote zu nutzen. Sie unterstützt die Zusammenarbeit von Schulen und freien Trägern beziehungsweise Vereinen über verschiedene fachspezifisch tätige Unterstützungseinrichtungen, insbesondere die „Serviceagentur Ganztägig lernen in NRW“, die „Landesstelle für den Schulsport“ und die „Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit“. Gegenstand der Arbeitsprogramme dieser Einrichtungen sind die Qualifizierung von Lehr- und Fachkräften, die Beratung von Kommunen und Trägern, die Durchführung regionaler Veranstaltungen, die Moderation örtlicher Entwicklungsprozesse , beispielsweise in Form von Qualitätszirkeln, sowie die Dokumentation guter Praxis. Im Rahmen des "Paktes für den Sport" haben die Landesregierung und der Landessportbund vereinbart, die Verbesserung der Zusammenarbeit von Sportvereinen mit den Schulen mit Ganztagsangeboten in das Zentrum ihrer Arbeit zu stellen. Die zusätzlichen Mittel für den Landessportbund im Rahmen des "Paktes für den Sport" von über 3 Mio. EUR werden deswegen vornehmlich für die Finanzierung der "Koordinierungsstellen Ganztag" und für die Qualifizierung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern, die im Ganztag Sportangebote durchführen sollen, verausgabt. Die Koordinierungsstellen der Stadt- und Kreissportbünde werden dabei von eigens für diese Aufgabe ausgewählten Beraterinnen und Beratern für den Schulsport unterstützt. Zusätzlich wurde ein Landesprogramm "Sport im Ganztag" aufgelegt, mit dem 1.000 Vereine jeweils 1.000 EUR erhalten, die sich im Ganztag engagieren. Darüber hinaus entwickelt und erprobt das Land über die „Serviceagentur Ganztägig lernen in NRW“ pädagogische Konzepte zur Integration von Hausaufgaben in Lernzeiten. Damit können Spielräume geschaffen werden, die den Kindern am Nachmittag nach Beendigung des Ganztags ausreichend Freizeit ermöglichen, um beispielsweise an Angeboten der Vereine teilzunehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1427 3 2. Wie hat sich die Zahl der Sport-, Musik- und Vereine der Jugendarbeit etc. einschließlich deren Mitgliederzahlen in den letzten Jahren entwickelt? Die Landesregierung führt keine Erhebungen zur Entwicklung der Zahl von Vereinen und deren Mitgliederzahlen durch. 3. Was unternimmt die Landesregierung zur Flexibilisierung der Offenen Ganztags- grundschule? In der Offenen Ganztagsschule (OGS) gibt es ausreichend flexible Möglichkeiten. Die Teilnahme an der OGS ist „in der Regel“ an allen fünf Unterrichtstagen in der Zeit von 8 Uhr bis mindestens 15 Uhr erforderlich. Über Ausnahmen wird vor Ort entschieden. Zur Erfüllung der Vorgaben des Erlasses vom 23. Dezember 2010 ist es lediglich erforderlich , dass Regel und Ausnahme deutlich voneinander unterscheidbar sind. Das Land erlässt keine Vorgaben, welche Ausnahmen zulässig sind, weil es weder sinnvoll noch möglich ist, einen landesweiten Katalog von Ausnahmen zu erstellen, der alle denkbaren Optionen erfasst . Plätze für Kinder, die die OGS regelmäßig vor 15 Uhr (z.B. um 13.00 Uhr oder 14:00 Uhr) verlassen, können vom Land nicht als OGS-Plätze bezuschusst werden. Für diese Kinder stellt das Land als Alternative zur OGS den Schulträgern eine zusätzliche Betreuungspauschale zur Verfügung. Über die Betreuungspauschale können u.a. Angebote für Kinder durchgeführt werden, die nur an einzelnen Tagen oder nur über die Mittagszeit eine Betreuung brauchen. Über die Verwendung der Betreuungspauschale entscheiden die Schulträger. Einen individuellen Rechtsanspruch auf Einrichtung eines bestimmten Betreuungsangebots gibt es nicht. 4. Welche Evaluationsmaßnahmen zur Überprüfung der Vereinbarkeit von Schule, Vereinen und Familie führt die Landesregierung durch? Die Landesregierung begleitet den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in NordrheinWestfalen bereits im zehnten Jahr wissenschaftlich, seit dem Jahr 2010 in Form einer Bildungsberichterstattung Ganztagsschule, die alle Schulstufen und Schulformen umfasst. Die Bildungsberichte der Jahre 2011 und 2012 enthalten Untersuchungen zu den Profilen und Strukturen der Schulen und ihrer außerschulischen Kooperationspartner sowie jeweils Elternbefragungen zu den genannten Themen. Darüber hinaus beteiligt sich das Land an der bundesweiten „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG). Sie belegt, dass Bildungsförderung am besten gelingt, wenn Schülerinnen und Schüler regelmäßig am Ganztag teilnehmen. Die Stabilität der Gruppe ist für das gemeinsame Aufwachsen der Kinder und den Schulerfolg von hoher Bedeutung. Sie kann die Entwicklung neuer Kinderfreundschaften, die gemeinsame Pflege neu entdeckter Interessen in Sinne des sozialen Lernens entfalten. Die Landesregierung hat darüber hinaus gemeinsam mit dem Landessportbund und der Unfallkasse NRW bei der Universität Duisburg-Essen und der Westfälischen WilhelmsUniversität eine Studie zur Evaluation der Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote an offenen Ganztagsschulen in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen auf Angebote und Struktur von Sportvereinen untersucht hat. Die Ergebnisse wurden am 29. November 2011 im Sportaus- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1427 4 schuss des Landtags vorgestellt. Die Studie hat festgestellt, dass Sportvereine, die bereits über mehrere Jahre in Ganztagsschulen aktiv sind, über ihre Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote hinaus das erweiterte Spektrum der beteiligten Kinder kennen und antizipieren und sich auf die unterschiedlichen pädagogischen und sozialen Akzente bzw. Schwerpunkte in Schule und Verein einstellen. Die Potenziale der Beteiligung von Vereinen am Ganztag sind gleichwohl noch nicht ausgeschöpft. 5. Inwieweit sieht die Landesregierung am Konzept der Offenen Ganztagsschule Verbesserungsbedarf? Das Konzept der Offenen Ganztagsschule im Primarbereich hat sich insbesondere aufgrund der großen Trägervielfalt vom Grundsatz her bewährt und sollte beibehalten werden. Mit dem Erlass vom 23. Dezember 2010 ist die notwendige Flexibilität in der OGS gegeben.