LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14273 16.02.2017 Datum des Originals: 16.02.2017/Ausgegeben: 21.02.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5499 vom 9. Januar 2017 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13955 Identitätsverschleierung um Durchsetzung von Ausreisepflichten zu erschweren – Ist ein neuer Straftatbestand „Identitätsverschleierung“ notwendig? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut der Berichterstattung über die Anlage zum Bericht der Bund-Länder-Koordinierungsstelle „Integriertes Rückkehrmanagement“ (BLK-IRM) zur Frühjahrssitzung 2016 der Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern (IMK) scheiterten Abschiebungen häufig an fehlenden Papieren. Die Experten glauben, dass in vielen Fällen „Dokumentenlosigkeit gezielt als Strategie eingesetzt“ werde, um „im Falle einer Ausreisepflicht deren Durchsetzung zu erschweren oder unmöglich zu machen“. Ausländerinnen und Ausländer geben teilweise an, keine Identitätsdokumente zu besitzen, wodurch Abschiebungen zumindest erschwert werden, da zur Vorbereitung der Abschiebung zunächst Pass- oder Passersatzpapiere beschafft werden müssen. In dem Bericht an die Innenminister wird deshalb vorgeschlagen, einen eigenen Strafparagraphen für „Identitätsverschleierung“ einzuführen. Zwar ist nach §95 Abs.2 S.2, 2. Alternative AufenthG die Verweigerung der Mitwirkung oder dann, wenn der Betroffene nachweislich falsche oder unvollständige Angaben zu Herkunft und Identität macht strafbar und umfasst eine Strafandrohung mit einer Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Solche zur Anzeige gebrachten Verfahren wurden und werden zumeist wegen fehlenden öffentlichen Interesses nach §153 StPO eingestellt oder mit geringer Geldbuße geahndet. Um aber zu verhindern, dass die Aussicht auf ein mögliches Bleiberecht die Motivation der potentiell begünstigten zur Verhinderung einer frühzeitigen Rückführung weiter verstärkt und die Mitwirkung an der Identitätsklärung als folgenschwerer angesehen werden muss, wird die Schaffung eines Straftatbestands empfohlen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14273 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5499 mit Schreiben vom 16. Februar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung, dass Dokumentenlosigkeit gezielt als Strategie eingesetzt wird, um im Falle einer Ausreisepflicht deren Durchsetzung zu erschweren oder unmöglich zu machen? Das Fehlen der erforderlichen Reisedokumente stellt ein bedeutsames Vollzugshindernis bei der Rückführung dar und hat eine oft schwierige und langwierige Identitätsklärung und Beschaffung von Passersatzpapieren zur Folge. Statistische Erkenntnisse, in wie vielen Fällen die Dokumentenlosigkeit gezielt als Strategie eingesetzt wird, um im Falle einer Ausreisepflicht deren Durchsetzung zu erschweren oder unmöglich zu machen, liegen der Landesregierung nicht vor. 2. In wie vielen Fällen wurden in Nordrhein-Westfalen Duldungen aufgrund von fehlenden Dokumenten erteilt? Zum Stichtag 31.12.2016 waren laut Ausländerzentralregister (AZR) in NRW 62.906 Personen ausreisepflichtig, davon wurden 46.433 Personen geduldet. Der alleinige Duldungsgrund „fehlende Reisedokumente“ lag It. AZR bei 10.715 Personen vor. 3. In wie vielen Fällen kam es in Nordrhein-Westfalen zu einer Verurteilung oder einer Einstellung des Verfahrens gegen Migranten, die ihre Identität verschleierten, in den Jahren 2014, 2015 und 2016? Die Landesregierung versteht die Frage dahin, dass mit Migranten Asylsuchende bzw. Asylbewerber gemeint sind. Das Nutzen von mehreren (auch unzutreffenden) Identitäten im Asylverfahren ist nicht strafbewehrt. Das gilt auch für die bloße Verschleierung der Identität durch einen Asylsuchenden bzw. Asylbewerber. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, einen eigenen Strafparagraphen für „Identitätsverschleierung“ einzuführen? Die Prüfung der Vorschläge in dem Bericht der Bund-Länder-Koordinierungsstelle „Integriertes Rückkehrmanagement“ (BLK-IRM) zur Frühjahrssitzung 2016 der Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern (IMK) ist noch nicht abgeschlossen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14273 3 5. Was unternimmt die Landesregierung, um mögliche Missstände auch beim Clearingverfahren in Nordrhein-Westfalen zu beheben, angesichts geäußerter Zweifel an dem sachlichen und fachlichen Niveau der Clearingstellen der Länder, ob diese organisatorisch und personell überhaupt in der Lage sind, Identitätsklärung und Passersatzbeschaffung auf dem geforderten Niveau und der notwendigen Anzahl zu leisten? Das Land unterstützt die für den Vollzug der Ausreisepflichten im Übrigen zuständigen kommunalen Ausländerbehörden insbesondere im Bereich der Identitätsklärung und der Beschaffung von Passersatzpapieren durch die Zentralen Ausländerbehörden. Nordrhein- Westfalen hat zu diesem Zweck die Passersatzpapierbeschaffung bei den drei Zentralen Ausländerbehörden zentralisiert. Im Bereich der Identitätsklärung bieten die Zentralen Ausländerbehörden an, durch Einsicht in die Ausländerakten und unter Nutzung aller gegebenen Möglichkeiten (u.a. Personenfeststellungsverfahren) den örtlichen Ausländerbehörden bei der Klärung der Identität und Herkunft ausreisepflichtiger Ausländer behilflich zu sein. Das sachliche und fachliche Niveau der nordrhein-westfälischen Clearingstellen bei den Zentralen Ausländerbehörden ist bundesweit anerkannt. Daneben ist die sog. Organisationseinheit Passersatzpapierbeschaffung bei der Bundespolizei für 15 westafrikanische Staaten zuständig und unterstützt die Länder wiederum bei der PEP-Beschaffung von zunächst weiteren acht Staaten, darunter z.B. die Maghreb- Staaten, bei denen sich die Passersatzpapierbeschaffung für die Länder als äußerst problematisch und wenig erfolgreich darstellt. Weiterhin soll diese Einheit strukturelle zielstaatsbezogene Probleme bei der Passersatzpapierbeschaffung identifizieren und mit den Zentralstellen/Clearingstellen der Länder für die PEP-Beschaffung sowie anderen Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene zusammenarbeiten. Zentral für eine erfolgreiche Passersatzpapierbeschaffung ist und bleibt die Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten. Hierbei ist vor allem der Bund gefordert, weiterhin auf die Beseitigung von Abschiebungshindernissen problematische Zielstaaten betreffend hinzuwirken.