LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1438 14.11.2012 Datum des Originals: 14.11.2012/Ausgegeben: 19.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 481 vom 19. September 2012 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/948 Professioneller Betrug von Unternehmen Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 481 mit Schreiben vom 14. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie , Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit einiger Zeit versendet ein sich „Gewerbeauskunft Zentrale GWE“ nennender Absender Schreiben an Unternehmen und Landwirte. Aber auch Unternehmen wie Gewerbeveröffentlichungen Köln, Gewerbedatenbank oder Gewerbeseiten handeln nach dem gleichen Schema . Das amtlich gestaltete Schreiben fordert die Adressaten auf, fehlende Daten zu ergänzen. Erst dann könne der Datenbestand ordnungsgemäß erfasst werden und die Daten an interessierte Dritte weiter gegeben werden. Tatsache ist aber, dass nach Ergänzung der offenen Daten und erfolgter Unterschrift die Betroffenen eine Rechnung erhalten. Im Fall der der „Gewerbeauskunft Zentrale GWE“ sollen das knapp 500 Euro für eine Laufzeit von 2 Jahren sein. Die versprochene Veröffentlichung unterbleibt häufig. Einige Landwirte berichten zudem, es gebe im Internet Anwälte, die angäben, auf die Anfechtung solcher gefälschter Schreiben spezialisiert zu sein. Jedoch seien auch diese Anwälte offensichtlich falsch. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1438 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Problem unseriöser Angebote im Zusammenhang mit Registereintragungen und Veröffentlichungen im Bundesanzeiger ist seit Jahren bekannt. Entsprechende Angebote stammen zumeist von Absendern, die sich durch phantasievolle Eigennamensgebung amtlich anmutenden Charakters auszeichnen. Es werden „Angebote“ oder „Bescheide“ auf der Grundlage von zuvor im Bundesanzeiger veröffentlichten Bekanntmachungen über Unternehmen bzw. Institutionen versandt, die auf „Eintragung“ der Daten in ein Register und den „Abruf“ von „eingetragenen“ Daten gerichtet sind. Für die Aufnahme in ein solches Register und für das Recht zum Abruf der Daten wird dann die Zahlung eines Betrages bzw. eine „Eintragungsgebühr “ gefordert. Sprachstil und Layout der Sendungen vermitteln den sachlich unzutreffenden Eindruck einer Art amtlichen Handlungs- bzw. Zahlungsbefehls. Nur bei genauem Lesen - auch des Kleingedruckten - ist erkennbar, dass die Anschreiben lediglich Angebote entgeltlicher Dienstleistungen beinhalten. Die Adressaten der Schreiben sind der Gefahr eines Irrtums ausgesetzt und können hierdurch veranlasst werden, unerwünschte und/oder überteuerte Leistungen in Anspruch zu nehmen. Der Bundesanzeiger Verlag hat wiederholt (zuletzt unter dem 13. September 2012) vor solchen Angeboten gewarnt und eine Liste ihm konkret bekannter unseriöser Anbieter im Internet eingestellt (https://www.ebundesanzeiger.de/download/D079_UnlautereAnbieterListe.pdf). Zugleich weist der Bundesanzeiger Verlag auf seiner Internetseite darauf hin, dass er keine Möglichkeit sehe, diese Angebote und "Bescheide" zu unterbinden und empfiehlt, sich bei Erhalt solcher Schreiben an die Beschwerdestelle der Wettbewerbszentrale zu wenden. Aus der hiesigen (register-)gerichtlichen Praxis wurde erstmals 1996 von Angeboten wie den beschriebenen durch die das Handelsregister führenden Gerichte berichtet, nachdem sich insbesondere ersteingetragene Unternehmen sowie Industrie- und Handelskammern beschwert hatten. Seit Mai 1998 sind die Gerichte des Geschäftsbereichs des Justizministeriums angewiesen, allen Eintragungsnachrichten des Handelsregisters über Neueintragungen einen deutlichen Warnhinweis beizufügen, was vielerorts bereits auf Eigeninitiative der Gerichte deren ständiger Übung entsprach. So verfahren die Registergerichte auch bis heute und warnen vor diesen Angeboten. Mit der in der Kleinen Anfrage erwähnten Firma „GWE GmbH – Gewerbeauskunft Zentrale“ hat sich die Rechtsprechung bereits verschiedentlich befasst. Bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sind etwa 2.500 Strafanzeigen gegen Verantwortliche der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH in Düsseldorf, die die "Gewerbeauskunft Zentrale" betreibt, eingegangen . Die aufgrund von bei anderen Staatsanwaltschaften des Landes erstatteten Strafanzeigen eingeleiteten Verfahren sind überwiegend zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben worden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf dauern an. 1. Inwieweit hat die Landesregierung Kenntnis über den genannten Sachverhalt? Die Landesregierung hat durch vereinzelte Beschwerden sowie durch Eingaben aus der handels- und vereinsregistergerichtlichen Praxis Kenntnis von den Geschäftspraktiken der „GWE GmbH – Gewerbeauskunft Zentrale“ erlangt. Es sind verschiedene Gerichtsentscheidungen ergangen, die der Firma GWE GmbH unter Zwangsgeldandrohung die Verwendung irreführender Formulare zu Gewerbeveröffentlichungen mit amtlichem Charakter verbieten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1438 3 Die Bezirksregierung Düsseldorf wurde gebeten, durch die zuständige Ordnungsbehörde die Möglichkeit einer Gewerbeuntersagung prüfen zu lassen. Durch Verfügung der zuständigen Ordnungsbehörde wurde der GWE GmbH daraufhin am 28. November 2011 unter Anordnung sofortiger Vollziehung im einstweiligen Rechtschutzverfahren das Gewerbe untersagt. Dagegen wurde beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage eingereicht. Ein Antrag der Firma GWE GmbH zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf äußerte durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung. Eine hartnäckige Missachtung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften in erheblichem Umfang könne nicht festgestellt werden. Dies sei aber Voraussetzung für eine Gewerbeuntersagung. Die GWE GmbH habe ihr verwendetes Formular zwischenzeitlich abgewandelt, um den amtlichen Charakter zu vermeiden. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. 2. Was hat sie diesbezüglich zur zeitnahen Warnung von Firmen, Landwirten und anderen potentiellen Betroffenen unternommen? Die Bezirksregierung Düsseldorf hat vor dem Hintergrund der bestehenden Gerichtsentscheidungen den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) über die fortgesetzten Aktivitäten der GWE GmbH informiert. Der betreffende Schutzverband selbst hat die Firma GWE GmbH vor dem Landgericht Düsseldorf wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens verklagt. Inzwischen liegt ein zweitinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2012 (I-20 U 100/11) vor, in dem die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit der Formularsendungen des Unternehmens bestätigt wird. Auf seiner Internetseite informiert der Schutzverband über das Urteil des Oberlandesgerichts und weist darauf hin, dass neue, inhaltlich abgeänderte Formularaussendungen im Rahmen eines Ordnungsgeldverfahrens dahingehend zu überprüfen seien , ob der Kernbereich des gerichtlichen Verbots hierdurch verletzt sei. Darüber hinaus wird auf Ersteintragungsnachrichten der Handels- und Vereinsregistergerichte in allgemeiner Form vor solchen unseriösen Offerten gewarnt. Wie unter der Vorbemerkung bereits aufgeführt, lassen sich auf den Internetseiten des Bundesanzeiger-Verlages ähnliche Warnhinweise einschließlich einer ausführlichen namentlichen Liste bekannter Angebotsversender finden. Der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) warnt die nordrhein-westfälischen Landwirte auch auf seiner Internetseite vor den Geschäftspraktiken der „GWE GmbH – Gewerbeauskunft Zentrale“ oder ähnlicher Unternehmen. Ein Dialog mit den Landwirtschaftsverbänden oder der Landwirtschaftskammer wurde vonseiten der Landesregierung zu diesem Sachverhalt bisher noch nicht geführt, da keine Beschwerden von Landwirtinnen und –wirten das für Landwirtschaft zuständige Ministerium erreicht haben. 3. Der Koalitionsvertrag formuliert: „Wir setzen uns für verbindliche Maßnahmen zum Schutz vor Abo-Fallen, Massenabmahnungen und betrügerischen Angeboten im Netz ein“. Ist die Landesregierung der Auffassung, im vorliegenden und anderen vergleichbaren Fällen ausreichend für Verbraucheraufklärung und Verbraucherschutz getan zu haben? Für den Bereich des Verbraucherschutzes und dort speziell das Handlungsfeld der Verbraucheraufklärung ist aus Sicht der Landesregierung darauf hinzuweisen, dass die in der Kleinen Anfrage dargestellten Fallkonstellationen sich ausschließlich an Gewerbetreibende oder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1438 4 Freiberuflerinnen und Freiberufler richten. Von unseriösen Angeboten wie der verdeckten Kostenpflichtigkeit der Eintragung in z.B. angeblichen „Gewerberegistern“, vermeintlichen „Branchenbüchern“ und „Adressverzeichnissen“ sind die Verbraucherinnen und Verbraucher grundsätzlich nicht betroffen. Ratsuchende, die sich in diesem Kontext an das Beratungsstellennetz der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. wenden, werden daher zutreffend an die jeweils zuständigen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständischen Rechtsberatungen oder die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. verwiesen. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) steht diesen Einrichtungen zum Teil der Rechtsanspruch auf Beseitigung und Unterlassung bei solchen Wettbewerbsverstößen wegen z.B. „wettbewerbsrechtlich unzulässige Irreführung“ im Marktgeschehen zu. Diese Verbände bzw. Einrichtungen können nach dem UWG im Wege von Abmahnungen Personen im Marktgeschehen auffordern, bestimmte Handlungen zu unterlassen. 4. Welche weiteren vergleichbaren Fälle von Abzocke und Verbrauchertäuschung liegen der Landesregierung vor? Vergleichbare Fälle von Täuschungen gegenüber dem Adressatenkreis der Verbraucherinnen und Verbraucher sind der Landesregierung bisher nicht aufgefallen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. hat auch keine Kenntnis über Verbraucherbeschwerden, die auf vergleichbare Maschen zurückzuführen sind. Für den Bereich der Gewerbetreibenden oder Freiberuflerinnen und Freiberufler sind der Landesregierung zahlreiche Versender anderen Namens als der in der Kleinen Anfrage genannten „GWE – Gewerbeauskunft Zentrale“ bekannt, die „Angebote“ oder „Bescheide“ auf Grundlage zuvor in öffentlichen Registern, u. a. etwa dem Handelsregister veröffentlichten Bekanntmachungen über Unternehmen oder Institutionen versenden, gerichtet auf Aufnahme der Daten in ein selbst betriebenes Internetportal gegen Entrichtung beachtlicher Gebühren. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung bezüglich angeblich speziali- sierter Anwälte vor, die sich im Ergebnis als ebenso fragwürdig erweisen, wie die Gewerbeauskunftzentralen? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor.