LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14426 08.03.2017 Datum des Originals: 07.03.2017/Ausgegeben: 13.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5573 vom 7. Februar 2017 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/14203 Keine Öffentlichkeit bei Disziplinarverfahren bei Verdacht der Zugehörigkeit zur Reichsbürger-Bewegung gegen Landesbeamte Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Anlässlich eines Gerichtsverfahrens gegen einen vermutlichen Reichsbürger berichteten die Westfälischen Nachrichten am 26.01.2017 über die Regelung im Landesdisziplinargesetz Nordrhein-Westfalens, dass Disziplinarverfahren gegen Landesbeamte nicht öffentlich sind. Im Verfahren gegen einen Dortmunder Polizisten und vermutlichen Reichsbürgern gilt damit die Nichtöffentlichkeit, so dass weder das grundsätzliche Verfahren durch das Gericht bestätigt werden darf, noch Informationen über das mögliche Urteil veröffentlicht werden dürfen. § 58 Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass Verhandlungen zu Disziplinarklagen gegen Landesbeamte nicht öffentlich sind, dies gilt für die Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse. Die Regelung diene dem Schutz des Betroffenen. Ein Sprecher des Oberverwaltungsgerichts Münster erklärte dazu, dass es im Kern nur um Dienstpflichtverletzungen gehe, die anders als Strafsachen, nicht im öffentlichen Interesse stehen würden. Zudem bestehe auf Seiten des Dienstherrn ein Interesse an Vertraulichkeit, aufgrund der Behandlung verwaltungsinterner Vorgänge. Anders verhält sich die Sachlage in Bezug auf Bundesbeamte. Disziplinarverfahren von Bundesbeamten sind öffentlich. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5573 mit Schreiben vom 7. März 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14426 2 Vorbemerkung der Landesregierung Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechtes (LDiszNOG) vom 16. November 2004, das am 01. Januar 2005 in Kraft getreten ist, trat das Landesdisziplinargesetz (LDG NRW) an die Stelle der Disziplinarordnung (DO NW). Mit der Neuregelung wurde das Disziplinarrecht aus seiner traditionellen Bindung an das Strafprozessrecht gelöst und eng an das Verwaltungsverfahrens- und -prozessrecht angelehnt. Zudem wurde eine Anpassung des nordrhein-westfälischen Disziplinarrechts an das Disziplinargesetz des Bundes erreicht. In grundlegender Abweichung vom Bundesrecht normiert § 58 LDG NRW weiterhin den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Zu § 58 LDG enthält der Gesetzentwurf folgende Begründung: „Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung im Disziplinarverfahren, der bisher seinen Niederschlag in § 72 DO NW fand, gilt - anders als im BDG, das eine solche Regelung nicht mehr kennt - auch im LDG NRW fort. Der Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigt sich mit dem von einem durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren abweichenden Wesen des Disziplinarverfahrens. Verfahrensgegenstand sind Dienstpflichtverletzungen, die in der Regel lediglich Relevanz im Lichte des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zwischen dem Dienstherrn und der beschuldigten Beamtin oder dem beschuldigten Beamten besitzen, nicht aber im Interesse der Öffentlichkeit stehen. In der Hauptverhandlung kommt häufig der einem besonderen Schutz unterliegende Inhalt von Personalakten zur Sprache. Der Dienstherr besitzt darüber hinaus ein Interesse daran, dass die Pflicht zur Geheimhaltung dienstlicher Angelegenheiten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erfüllbar bleibt. Dies wäre nicht mehr gewährleistet, wenn der Zugang zur Hauptverhandlung einer breiten Öffentlichkeit gewährt würde. Der in Satz 2 näher bezeichnete Personenkreis darf dem Verfahren uneingeschränkt beiwohnen. Die Zulassung weiterer Personen zur Unterstützung einer durch körperliche Gebrechen behinderten Beamtin oder eines durch körperliche Gebrechen behinderten Beamten nach Satz 3 steht im Ermessen des Gerichts. Durch Satz 4 wird der Beamtin oder dem Beamten mit Blick auf das ohne Zweifel als Errungenschaft einer rechtsstaatlichen Ordnung zu betrachtende Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens die Möglichkeit geboten, sich des Schutzes, den die Nichtöffentlichkeit gewährt, zu begeben. In diesem Fall hat das Gericht dem Antrag zu entsprechen. Ein Ermessensspielraum besteht insofern nicht. Auf die in diesem Zusammenhang anwendbaren Vorschriften des GVG wird verwiesen.“ 1. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit, dass Disziplinarverfahren von Landesbeamten nicht öffentlich sind? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Diskrepanz zwischen Landes- und Bundesrecht in Bezug auf die Öffentlichkeit von Disziplinarverfahren? Das Prinzip der Nichtöffentlichkeit setzt nach Inkrafttreten des LDG NRW die Tradition des früheren Disziplinarrechts nach den bis 2004 geltenden Regelungen der Disziplinarordnung fort. Auch nach Abkehr von der strafrechtlichen Orientierung des Disziplinarrechts und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14426 3 Ausrichtung des LDG-Verfahrens an das Verwaltungsverfahrens- und -prozessrecht, soll dennoch zum Schutz der Beamtinnen und Beamten die aus dem besonderen Treuverhältnis resultierende Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamtinnen und Beamten den Vorrang vor dem normalerweise in Verwaltungsverfahren geltenden Öffentlichkeitsgrundsatz haben. 3. Aus welchen Gründen hält die Landesregierung an der Nichtöffentlichkeit von Disziplinarverfahren gegen Landesbeamte fest? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 4. Wie bewertet die Landesregierung das Festhalten an der Regelung des §58 Disziplinargesetz NRW angesichts des gesteigerten öffentlichen Interesses an Disziplinarverfahren in sog. Reichsbürgerfällen? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Kam es in den vergangenen Jahren (seit 2010) zu Verstößen gegen die Nichtöffentlichkeit dieser Verfahren mit der Folge eines Strafverfahrens? Ob und in wie vielen Fällen in den vergangenen Jahren Verhandlungen vor den in Disziplinarsachen erkennenden Gerichten öffentlich durchgeführt wurden, obwohl § 58 LDG NRW die Nichtöffentlichkeit vorschreibt, ist dem Justizministerium nicht bekannt. Derartige Daten werden statistisch nicht erhoben. Ebenso wenig ist bekannt, ob und in wie vielen Fällen aufgrund eines solchen Verstoßes Strafverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353b StGB eingeleitet worden sind und ob es zu Verurteilungen gekommen ist. Die Justizstatistiken enthalten hierzu keine Angaben. Die Strafverfolgungsstatistik beinhaltet nur Angaben zur Art der Straftat, nicht aber zu deren Hintergrund.