LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 09.03.2017 Datum des Originals: 09.03.2017/Ausgegeben: 14.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5565 vom 6. Februar 2017 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/14179 Unbesetzte Schulleiterstellen an unterschiedlichen Schulen der Stadt Mülheim – Mit welchen konkreten einzelnen Maßnahmen begegnet die Landesregierung dieser unverändert akuten Problematik vor Ort? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit den 1990er Jahren spitzt sich die Lage im Hinblick auf unbesetzte Funktionsstellen im Schulbereich immer mehr zu. Lehrerverbände, Personalvertretungen und auch die Politik weisen regelmäßig auf diese dramatische Fehlentwicklung hin, jedoch leider bislang ohne nachhaltige Wirkung. Insbesondere im Grundschulbereich müssen Schulleitungsstellen oft mehrfach neu ausgeschrieben werden, bis sich ein Bewerber findet. Am Ende erfolgreiche Besetzungen ergeben sich oftmals nur deshalb, weil die Schulräte vor Ort persönlich und gezielt engagierte Lehrer ansprechen und von einer Bewerbung überzeugen können. Die Folge ist dann, dass aufgrund des geringen Bewerberinteresses leider auch keine echte Auswahlmöglichkeit mehr besteht. Regelmäßig berichten darüber auch die Medien. Beispielsweise der General-Anzeiger am 19. Juni 2016 unter der Überschrift „Hunderte Grundschulen in NRW ohne Schulleitung“: „Bundesweit müssen nach einem Zeitungsbericht etwa 1.000 Grundschulen ohne feste Schulleitung auskommen. An etwa jeder zehnten Grundschule gibt es derzeit nur einen kommissarischen Chef, wie die Zeitung „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf die Kultusminister der Bundesländer berichtet. Wesentliche Gründe für den Bewerbermangel seien hohe Anforderungen und eine vergleichsweise geringe Bezahlung. Das Problem beschäftigt die Schulbehörden seit langem. Besonders dramatisch sei die Situation in Berlin und Nordrhein-Westfalen. In der Hauptstadt habe jede fünfte Grundschule entweder keinen Rektor oder keinen Konrektor. In NRW hätten von 2.787 Grundschulen 345 keinen Schulleiter und 670 keinen Stellvertreter. Die meisten Lehrkräfte an Grundschulen sind Frauen, die häufig in Teilzeit arbeiten. (…) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 2 „Das Problem unbesetzter Schulleitungsstellen ist nicht auf Knopfdruck zu lösen“, sagte NRW- Schulministerin und Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne). „Deswegen arbeiten wir daran, die Arbeitsbedingungen von Schulleitern mittel- und langfristig konkret zu verbessern .“ Konkret sollen Schulleiter weniger unterrichten, um mehr Zeit für die Leitung zu haben. Zudem würden zukünftige Schulleiter umfassend auf ihre neue Führungsaufgabe vorbereitet werden.“ Nach Überzeugung von Lehrerorganisationen reichen die Maßnahmen bei weitem nicht aus. Bereits in der Neuen Ruhr Zeitung vom 6. November 2013 – und seitdem regelmäßig an verschiedenen Stellen – hat der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann im Zusammenhang mit der Debatte über den seinerzeitigen Personalhaushalt des Landes plastisch und nachvollziehbar auf die problematische Lage in etlichen Schulen hingewiesen und das Dilemma so beschrieben : „"Ein Rektor ist in der Regel auch sein eigener Hausmeister und seine eigene Sekretärin", kritisiert Udo Beckmann, Chef des Lehrerverbands VBE. Kaum "Leitungszeit" für Verwaltungsarbeit und eine zu geringe Bezahlung der Konrektoren seien Hauptgründe für den fast chronischen Bewerbermangel im Grundschulbereich.“ Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert regelmäßig die fatale Lage vor allem in den Grundschulen. Die Ursachen dafür, dass sich immer weniger Lehrer für eine Funktionsstelle interessieren, sind vielfältig. Hauptursache für die Misere ist die fehlende Attraktivität: Die Landesregierung beabsichtigt nun vor der Landtagswahl größere finanzielle Anreize für Schulleiter; ihr dürfte aber auch klar sein, dass die Attraktivitätsfrage dieser Funktionsübernahme vielschichtiger ist. Auf der anderen Seite hat sich das Anforderungsprofil an Schulleiter über die Jahre enorm verändert. Die Aufgaben, die die Schulleitung zu leisten hat, sind ständig erweitert worden, offensichtlich ohne den Umfang der verbleibenden Unterrichtsverpflichtung in dem Maße zu reduzieren, dass Schulleitungsaufgaben auch verantwortlich bewältigt werden können. So bewirtschaften die Schulen ihre Haushaltsmittel weitestgehend selbständig, und zusätzliche Betreuungsangebote – wie im Offenen Ganztag – müssen organisiert, Lehrer eingestellt und dienstlich beurteilt sowie die Ausbildung der Referendare koordiniert werden, um nur einige veränderte Herausforderungen aufzuführen. Auch die gewachsene Rechenschaftspflicht, die Profilbildung der Schulen vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen wie die positive Repräsentanz der Schule in der Öffentlichkeit nehmen die Schulleiter zeitlich wie fachlich in die Pflicht. Hinzu kommen Herausforderungen wie die Umsetzung einer viel zu schnellen Inklusion sowie der Zuzug von Zehntausenden Flüchtlingskindern. Gerade engagierten Schulleitern kommt eine ganz wesentliche Rolle für die Sicherung und Weiterentwicklung der Bildungsqualität an unseren Schulen zu. Schließlich sind diese die Fachleute vor Ort, die die Stärken und Schwächen ihrer Schule, der Kollegen sowie ihrer Schüler kennen und mit ihrem praktischen Fachwissen Motor der Schulentwicklung sind. Umso dramatischer ist die Situation, wenn Leitungsstellen nicht besetzt werden können oder lange Zeit vakant sind. In den Städten des Ruhrgebiets ist dieser Sachverhalt von besonderer Relevanz, da hier zusätzlich in überdurchschnittlichem Maße sozialräumliche Disparitäten auszugleichen sind und möglichst gute Bildungschancen auch in zahlreichen Problemquartieren geschaffen werden müssen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 3 Für das Parlament ist es daher von hohem Interesse zu erfahren, wie sich aktuell genau die Besetzungssituation der Leitungsstellen im letzten und bislang im laufenden Schuljahr in der Stadt Mülheim entwickelt hat. Für die nachfolgenden Fragestellungen soll die Bezeichnung „Schulleitungsstelle“ begrifflich stets die Stelle des ersten Leiters sowie der vorgesehenen Stellvertretungen umfassen. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 5565 mit Schreiben vom 9. März 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die vorliegende Kleine Anfrage ist Teil einer Serie von inhaltsgleichen Kleinen Anfragen in mehreren Städten des Landes Nordrhein-Westfalen, die von dem Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP gestellt wurden. Die Beantwortung erfolgt jeweils nach einem gleichlautenden Schema. 1. Wie viele Schulleitungsstellen sind seit Schuljahresbeginn 2015/2016 bis zum jetzigen Zeitpunkt in der Stadt Mülheim an den jeweiligen Schulformen unbesetzt geblieben oder waren es innerhalb dieses Zeitraums? (bitte jährlich nach Schulleiterstellen sowie Schulleitervertreterstellen der jeweiligen Schulformen in absoluten Zahlen und in Relation zur Gesamtzahl aller Schulleitungsstellen der einzelnen Schulformen in der Stadt Mülheim aufgeschlüsselt darstellen) Die Besetzungslage für Schulleitungsstellen in der Stadt Mülheim ergibt sich aus den nachfolgenden Übersichten: Besetzung der Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter in der Stadt Mülheim zum Stichtag 07.02.2017 Schulform Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter Leitung unbesetzt absolut Leitung unbesetzt relativ Berufskolleg 2 0,0 Förderschule 1 1 100,0 Gesamtschule 3 0,0 Grundschule 22 1 4,5 Gymnasium 5 0,0 Hauptschule 1 0,0 Realschule 3 0,0 Gesamt 37 2 5,4 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 4 Besetzung der Stellen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter in der Stadt Mülheim zum Stichtag 07.02.2017 Schulform Stellen für stellvertretende Schulleiterinnen und Schulleiter Vertretung unbesetzt absolut Vertretung unbesetzt relativ Berufskolleg 2 0,0 Förderschule 2 1 50,0 Gesamtschule 3 0,0 Grundschule 21 4 19,0 Gymnasium 5 0,0 Hauptschule 1 0,0 Realschule 3 0,0 Gesamt 37 5 13,5 Die Anzahl der Stellen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter entspricht nicht der Anzahl der Schulen, da bei Grund- und Hauptschulen sowie Weiterbildungskollegs aufgrund der Schülerzahl nicht alle Schulen Anspruch auf eine Vertretungsstelle haben. Die Schulleitungsstellen, die seit Schuljahresbeginn 2015/2016 unbesetzt, aber zum Stichtag 07.02.2017 wieder besetzt waren, ergeben sich aus den Übersichten zu Frage 2. 2. Namentlich welche einzelnen Schulen in der Stadt Mülheim sind seit Schuljahresbeginn 2015/2016 bis heute von der Situation betroffen gewesen, zumindest nicht durchgängig eine vollständig besetzte Schulleitung zu haben? (bitte nach Schulleiterstellen sowie Schulleitervertreterstellen differenziert darstellen) Im Zeitraum 01.08.2015 – 07.02.2017 vakante und wieder besetzte Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen der Stadt Mülheim Schulform Schule Grundschule GGS Zunftmeisterstraße GGS Steigerweg Hölterschule Martin-von-Tours-Schule GGS Saarnberg LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 5 Zum Stichtag 07.02.2017 unbesetzte Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen der Stadt Mülheim Schulform Schule Förderschule Rembergschule (Besetzungsverfahren läuft) Grundschule Katharinenschule Im Zeitraum 01.08.2015 – 07.02.2017 vakante und wieder besetzte Stellen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter an Schulen der Stadt Mülheim Schulform Schule Grundschule GGS Trooststraße Schildbergschule GGS Saarnberg GGS Zunftmeisterstraße Astrid Lindgren-Schule Zum Stichtag 07.02.2017 unbesetzte Stellen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter an Schulen der Stadt Mülheim Schulform Schule Förderschule Rembergschule Grundschule Pestalozzischule Katharinenschule (Besetzung steht unmittelbar bevor) Brüder Grimm Schule GGS Saarnberg LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 6 3. In jeweils wie vielen der zuvor genannten Fälle dauerte die Besetzung einer vakanten Funktionsstelle länger als drei Monate? Bedingt durch Fristen und den Zeitbedarf für das Stellenausschreibungs-, Bewerbungs-, Beurteilungs - und das sich anschließende Stellenbesetzungsverfahren sowie für die notwendigen Beteiligungen von Personalvertretung, Gleichstellungsbeauftragter und ggf. Schwerbehindertenvertretung sowie Schulkonferenz und Schulträger kann ein Besetzungsverfahren in der Regel nicht in einem Zeitraum von drei Monaten abgeschlossen werden. 4. Welche konkreten einzelnen Maßnahmen ergreift die Landesregierung im letzten Jahr, aktuell und zukünftig, um die Attraktivität der Übernahme einer Schulleitungsstelle in der Stadt Mülheim zu erhöhen? Der Landesregierung ist bewusst, dass jede einzelne nicht besetzte Leitungsstelle für die betroffenen Schulen, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern eine besondere Belastung darstellt. Aus diesem Grund versuchen die für die Stellenbesetzungen zuständigen Bezirksregierungen, Vakanzen so schnell wie möglich zu schließen. Es wird zügig ausgeschrieben und potentielle Bewerberinnen und Bewerber werden angesprochen, um zusätzliche Schulleiterinnen und Schulleiter zu gewinnen. Lehrerinnen und Lehrer, die einen Einsatz in der Schulleitung anstreben, werden frühzeitig und umfassend auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Die Landesregierung hat zur Entlastung der Schulleitungen die im Koalitionsvertrag vereinbarten und auch von der Bildungskonferenz empfohlenen Verbesserungen durch die Erhöhung von Leitungszeit sukzessive umgesetzt. Seit dem Haushalt 2011 wurden - zuletzt noch durch den 2. Nachtragshaushalt 2016 und den Haushalt 2017 ergänzt - insgesamt 1303 Stellen eingesetzt . Dies entspricht einem jährlichen Mehraufwand von ca. 65 Mio. EUR. Nach einer Neubewertung der Ämter wird die Besoldung von Schulleiterinnen und Schulleitern an Grund- und Hauptschulen, die bislang mit A 12 Z, A13 oder A 13 Z besoldet werden, voraussichtlich rückwirkend ab dem 1. Januar 2017 auf A 14 angehoben. Die geplanten Besoldungsverbesserungen bedeuten einen finanziellen Mehraufwand von 11,6 Mio EUR pro Jahr. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass durch die Vertretungsregelung im Schulgesetz (§ 60 Abs. 2) stets gewährleistet ist, dass die Schulleitungsaufgaben wahrgenommen werden. 5. Wie stellt sich quantitativ und qualitativ der Unterschied der Schulleiterstellenbesetzung im Vergleich der Stadt Mülheim zum landesweiten Lagebild dar? (Beantwortung bitte unter Angabe der landesweiten Schulleitungsvakanzen analog Frage 1) Die Anzahl der Schulleitungsstellen – getrennt nach Schulformen – Land NRW (ohne die Stadt Mülheim) sowie die jeweiligen Vakanzen ergeben sich aus den nachfolgenden Tabellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14435 7 Besetzung der Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter im Land NRW (ohne Mülheim) zum Stichtag 07.02.2017 Schulform Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter Leitung unbesetzt absolut Leitung unbesetzt relativ Berufskolleg 220 22 10,0 Förderschule 393 49 12,5 Gemeinschaftsschule 7 1 14,3 Gesamtschule 282 11 3,9 Grundschule 2.417 310 12,8 Gymnasium 469 33 7,0 Hauptschule 218 176 80,7 Realschule 371 104 28,0 Sekundarschule 104 3 2,9 Weiterbildungskolleg 37 8 21,6 Gesamt 4.518 717 15,9 Besetzung der Stellen für Stellvertretungen im Land NRW (ohne Mülheim) zum Stichtag 07.02.2017 Schulform Stellen für stellvertretende Schulleiterinnen und Schulleiter Vertretung unbesetzt absolut Vertretung unbesetzt relativ Berufskolleg 242 39 16,1 Förderschule 387 48 12,4 Gemeinschaftsschule 8 1 12,5 Gesamtschule 293 49 16,7 Grundschule 2.002 825 41,2 Gymnasium 502 97 19,3 Hauptschule 213 75 35,2 Realschule 475 107 22,5 Sekundarschule 107 22 20,6 Weiterbildungskolleg 45 7 15,6 Gesamt 4.274 1.270 29,7 Die Vakanzen in der Stadt Mülheim bei den Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter sowie bei den Stellen für stellvertretende Schulleiterinnen und Schulleiter liegen im Gesamtergebnis deutlich unterhalb des Durchschnitts im sonstigen Gebiet des Landes NRW.