LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14437 09.03.2017 Datum des Originals: 08.03.2017/Ausgegeben: 14.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5559 vom 3. Februar 2017 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/14152 Konnexitätsverfahren zum „Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz“ – weitere Fragen offen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Schreiben vom 27.12.2016 hat der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) auf meine Kleine Anfrage 5401 (Drs. 16/13649 vom 30.11.2016) geantwortet (Drs. 16/13882). Diese Antwort verstärkt die bereits aufgrund der bisherigen Äußerungen der Landesregierung im Zusammenhang Konnexitätsverfahren zum „Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz“ entstandene Besorgnis, dass insbesondere der MKULNV die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände (Art. 78 Abs. 3 Satz 5) in Gestalt der Verfahrensvorschriften des Konnexitätsausführungsgesetzes (KonnexAG) nicht hinreichend ernst nimmt. Bereits im Schreiben vom 01.12.2016 (Vorlage 16/4534, S. 6) wurde vom MKULNV die Auffassung vertreten, dass Verstöße gegen das KonnexAG „mittlerweile als geheilt anzusehen sein“, weil „seit dem Kabinettbeschluss im September 2016 durch die schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung im federführenden Landtagsausschuss am 02. November 2016 sowie durch das oben angeführte Schreiben noch mehrfach und hinreichend Gelegenheit [bestand], [die] Position gegenüber dem Gesetzgeber deutlich zu machen“. Sollte diese Auffassung ernsthaft von der Landesregierung vertreten werden, würde das vorparlamentarische Verfahren insbesondere hinsichtlich der vom Gesetzgeber vorgesehenen Warnfunktion (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 12.10.2010 – VerfGH 12/09 –, S. 27 und OVGE 47, 249, 258) weitgehend entwertet. Auch hinsichtlich der vorzusehenden Rückäußerungsfristen und der Frage, ob geänderte Texte erneut den kommunalen Spitzenverbänden vorzulegen sind, agiert der MKULNV offenbar nach eigenem Gutdünken. So scheint der Antwort zu Frage 4 die Auffassung zugrunde zu liegen, dass eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände nur in solchen Fällen zu erfolgen habe, bei denen eine Kostenfolge vorhersehbar ist und insoweit allein die Einschätzung durch das Ministerium maßgeblich sei. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14437 2 Die einschlägigen Begründungen zur Einführung des Konnexitätsprinzips in die Landesverfassung und des KonnexAG betonen, dass das Verfahren zwischen Kommunen und Land „konsensorientiert und partnerschaftlich“ durchgeführt werden soll (Landtags- Drucksache 13/5515, S. 27). Diese ratio legis muss beinhalten, dass Fristen nicht so verkürzt wurden, dass eine qualifizierte Stellungnahme schon deshalb nicht möglich ist, weil eine Beratung innerhalb der Verbände nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolgen konnte. Im Schreiben des MKULNV vom 01.12.2016 wird ausgeführt, dass „auch die Forderung nach Beteiligungsmöglichkeit Ihrer Mitgliedschaft bei veränderten Entwürfen […] mit § 7 Absatz 1 Satz 2 KonnexAG (Frist "mindestens eine Woche" bei veränderten Entwürfen) nicht vereinbar sein“ dürfte (S. 6 der Vorlage 16/4534). Dass es sich bei § 7 Abs. 1 S. 2 KonnexAG um eine „Sollvorschrift“ handelt, was bedeutet, dass im Falle gewichtiger Ausnahmen, wie der Erforderlichkeit einer umfassenderen Rückkoppelung, nach pflichtgemäßem Ermessen die Mindestfrist angemessen zu verlängern ist, wird leider nicht erwähnt. Des Weiteren sind die Ausführungen im Schreiben vom 01.12.2016 zur Frage, warum die Erstellung eines Gutachtens zur Erzielung einer Verständigung über die Richtigkeit der sachlichen Grundlagen der Ermittlung des Belastungsausgleichs gemäß § 7 Absatz 4 Satz 3 KonnexAG nicht zur Konfliktlösung hätte beitragen können, nicht nachvollziehbar: Es wird insoweit behauptet, der Dissens bestehe zu Rahmenbedingungen, die kein Gutachter valide ermitteln könne, z.B. die Erforderlichkeit des so genannten Vier-Augen-Prinzips oder die Frage, wie sich der Vollzugsaufwand nach dreijähriger freiwilliger Einführungshase darstellen wird. Dass es in der Verwaltungswissenschaft keine Gutachter gibt, die zu diesen Fragen Einschätzungen abgeben können, erscheint kaum vorstellbar. So hat das MKLUNV selbst ausweislich der Drucksache 16/6746 (S. 20) am 04.11.2013 ein „Benchmarking Lebensmittelüberwachung für Kommunen“ bei der Firma „Deutsches Benchmarking Zentrum am IPO“ mit dem Ziel in Auftrag gegeben, u.a. ein „Konzept zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit der amtlichen Lebensmittelüberwachung der Kreise und kreisfreien Städte“ zu entwickeln und dafür 41.400 Euro aufgewendet. Es könnte vermutet werden, dass die Einschaltung eines Gutachters unterblieb, weil diese den vorgesehenen Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren durcheinander gebracht und die Ziele einer Verabschiedung in der ablaufenden Legislaturperiode und damit eines vermeintlichen politischen Prestigegewinns für Minister Remmel und die kleinere Regierungspartei gefährdet hätte. Die Einhaltung der Vorgaben des KonnexAG wurde möglicherweise hinter taktisch-politischen Überlegungen zurückgestellt. Besonders aufhorchen lässt die Antwort zu Frage 3 der Kleinen Anfrage 5401, wonach die Landesregierung „den kommunalen Spitzenverbänden mit Email vom 26.08.2016 Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben“ habe. Die kommunalen Spitzenverbände konnten jedoch, wie sich aus einem Schreiben derselben vom 05.09.2016 (vgl. Blätter 37ff. der Vorlage 16/4289) ergibt, nicht davon ausgehen, dass damit eine solche formale Stellungnahme eingefordert wurde. Vielmehr wurde lediglich „eine Rückäußerung zum 05.09.2016 um 11:00 Uhr“ erbeten. Im Schreiben der kommunalen Spitzenverbände vom 05.09.2016 ist sogar ausdrücklich festgehalten, dass sie darin keine „Aufforderung zur Abgabe der nach § 8 Abs. 1 KonnexAG vorgesehenen abschließenden Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände, die der Vorlage des Gesetzentwurfes bzw. der Gesetzentwürfe zur Beschlussfassung durch die Landesregierung beizufügen sind“ erkennen konnten, da – wie in der E-Mail des MKULNV vom 26.08.2016 ausgeführt – die Ressortabstimmung schon abgeschlossen war. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14437 3 Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5559 mit Schreiben vom 8. März 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In der Kleinen Anfrage 5559 wird der Vorwurf erhoben, die Landes-regierung, insbesondere das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV), nehme im Zusammenhang mit dem Konnexitätsverfahren zum Kontrollergebnis- Transparenz-Gesetz „die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände (Art. 78 Abs. 3 Satz 5) in Gestalt der Verfahrensvorschriften des Konnexitätsausführungsgesetzes (KonnexAG) nicht hinreichend ernst“. Das MKULNV hat bereits mehrfach, namentlich durch die dem Landtag vorliegenden Vorlagen 16/4470 (vom 18.11.2016) und 16/4534 (vom 1.12.2016) und die Beantwortung diverser Kleiner Anfragen, deutlich gemacht, dass dieser Vorwurf nicht zutrifft. Das Kontrollergebnis- Transparenz-Gesetz ist zwischenzeitlich, mit Beschluss des Landtags vom 15. Februar 2017, verabschiedet worden. Die Kostenfolgeabschät-zung der Landesregierung war Bestandteil der Landtagsdrucksache 16/12857 – Neudruck – zum Gesetzentwurf und lag dem Landtag vor. Das Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz verpflichtet die Landesregierung zur Evaluation des Gesetzes. Dadurch ist gewährleistet, dass die konnexitätsrelevanten Aspekte des Gesetzes weiterhin Gegenstand der Betrachtung sind. Zudem hat die Landesregierung bereits mit Kabinettbeschluss vom 06.09.2016 die Einrichtung eines Arbeitskreises vorgesehen, in dem unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände auch die Entwicklung des Verwaltungs- und Kostenaufwandes bebachtet und bewertet werden soll. Soweit es sich nach Auswertung der praktischen Erfahrungen mit dem Gesetzesvollzug als notwendig erweisen sollte, kann die Kostenfolgeabschätzung der Landesregierung angepasst werden. 1. Geht die Landesregierung, insbesondere das MKULNV, davon aus, dass Mängel und Formfehler im vorparlamentarischen Beteiligungsverfahren durch das parlamentarische Verfahren umfassend geheilt werden können? In dem Verfahren zum Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz sind nach Auffassung der Landesregierung die formalen Vorgaben des Konnexitätsausführungsgesetzes eingehalten worden. Mit Schreiben vom 01.12.2016 (Vorlage 16/4534) wurde dies auch klar herausgestellt; lediglich hilfsweise wurde die Auffassung dargelegt, dass selbst bei Annahme der von kommunaler Seite auch im Landtagsverfahren vorgetragenen Verfahrensfehler diese durch die Beschlussfassung des Landtags als geheilt angesehen werden könnten. 2. Wen trifft nach Auffassung der Landesregierung gemäß dem KonnexAG die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Mehrbelastungen der Kommunen? Die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Mehrbelastungen der Kommunen trifft die Landesregierung, namentlich das nach dem KonnexAG zuständige Ressort. Dieser Pflicht ist das MKULNV vorliegend auch nachgekommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14437 4 3. Hat die Landesregierung ernsthaft nach einem Gutachter gesucht, der das von § 7 Abs. 4 Satz 3 KonnexAG vorgesehene Gutachten erstellen könnte, um eine Verständigung über die Richtigkeit der sachlichen Grundlagen der Ermittlung des Belastungsausgleiches gem. § 3 KonnexAG zu erzielen, und so wenigstens versucht, den Dissens aufzulösen? Dem MKULNV lagen aus den Pilotkommunen Bielefeld und Duisburg über einen Zeitraum von drei Jahren konkrete Informationen über den Vollzugsaufwand eines vergleichbaren Transparenzsystems vor, die in die Kostenfolgeabschätzung eingeflossen sind. Vor diesem Hintergrund ist der Mehrwert eines Gutachtens gemäß § 7 Absatz 4 Satz 3 KonnexAG für die Erstellung einer Prognose über die voraussichtlichen Kosten nicht erkennbar. 4. Inwiefern ist die E-Mail des MKULNV an die kommunalen Spitzenverbände vom 26.08.2016 als Aufforderung zur Abgabe einer „abschließende Stellungnahme“ gemäß § 8 Abs. 1 KonnexAG zu sehen, obwohl dort lediglich „eine Rückäußerung zum 05.09.2016 um 11:00 Uhr“ erbeten wurde? In der betreffenden E-Mail wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ressortabstimmung abgeschlossen war. Aus dem Zusammenhang heraus musste den kommunalen Spitzenverbänden klar sein, dass es sich um den Entwurf handelte, der in der Staatssekretärskonferenz und im Kabinett beschlossen werden sollte. 5. Welche Vorkehrungen trifft die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Inneres und Kommunales, damit zukünftig die Vorgaben des KonnexAG eingehalten und die vom Gesetzgeber geforderte „konsensorientierte und partnerschaftliche“ Durchführung von Konnexitätsverfahren tatsächlich in allen Ressorts sichergestellt wird? Die Landesregierung weist zunächst darauf hin, dass das Konnexitätsverfahren grundsätzlich in der eigenen Verantwortlichkeit des nach dem KonnexAG zuständigen Ressorts durchgeführt wird. Das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) steht den Ressorts zur Koordinierung und Klärung von Fragen zur Auslegung des KonnexAG zur Verfügung, soweit sich diese im Verfahren ergeben. Falls Vorgaben des KonnexAG durch ein zuständiges Ressort nicht beachtet werden, setzt sich das MIK mit dem betroffenen Ressort ins Benehmen, um ein regelkonformes Verfahren sicherzustellen. Dass ein Konnexitätsverfahren „konsensorientiert und partnerschaftlich“ durchzuführen ist, versteht sich für die Landesregierung von selbst. Allerdings muss die Landesregierung auch darauf achten, dass Rechtsetzungsverfahren effektiv und möglichst zügig entsprechend den vorab vereinbarten Zeitplänen durchgeführt werden. Abstimmungen mit den kommunalen Spitzenverbänden, aber auch anderen Verbänden dürfen nicht dazu führen, dass es zu Zeitverzögerungen kommt, die das Erreichen des Vorhabens gefährden können. Insbesondere bei wiederholten Stellungnahmen ist zwischen dem Interesse der Verbände, ausreichend Zeit zur Stellungnahme und ggf. interner Rückkopplung und Abstimmung zur Verfügung zu haben und dem Interesse der Landesregierung an einem unverzüglichen Fortgang des Rechtsetzungsverfahrens abzuwägen.