LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14519 16.03.2017 Datum des Originals: 16.03.2017/Ausgegeben: 21.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5586 vom 10. Februar 2017 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/14219 Entwicklung der Bewerberzahlen und Neueinstellungen für den Beruf des Richters und Staatsanwalts in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Nachwuchsgewinnung im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst ist für die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen von herausragender Bedeutung (vgl. Vorlage 16/1642). Ein funktionierendes Rechtssystem ist auf Dauer nur zu gewährleisten, wenn sich ausreichend gut qualifizierte Bewerber für die Stelle eines Richters oder Staatsanwalts in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen bewerben. Die Justiz steht dabei mit anderen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in einer immer schärfer werdenden Konkurrenz um die besten Köpfe (APr 16/830, Seite 7). Wenn aber die besten Köpfe nicht mehr in ausreichendem Maße für den Justizdienst zu gewinnen sein sollten, könnte die Qualität unseres Rechtssystems darunter mittelfristig nachhaltig leiden. Aufgrund der im Jahr 2016 zusätzlich einzustellenden 100 Richterinnen und Richter sowie 100 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stand die Justiz diesbezüglich vor einer besonderen Herausforderung. Die landeseinheitlichen Einstellungsvoraussetzungen ergeben sich für die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften aus einem Erlass vom 29.06.1999 (2201 - I.A 86), vgl. Drs. 16/6825. Danach sollen grundsätzlich nur solche Bewerberinnen und Bewerber zu einem Einstellungsverfahren geladen werden, welche die zweite juristische Staatsprüfung mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) abgeschlossen haben. Daneben können auch solche Bewerberinnen und Bewerber geladen werden, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte erreicht haben und sich darüber hinaus durch besondere Eigenschaften auszeichnen. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber besondere, durch den Lebensweg und die berufliche Entwicklung nachgewiesene persönliche Fähigkeiten und Leistungen aufweist und hierdurch aus dem Bewerberfeld herausgehoben wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14519 2 Bewerberinnen und Bewerber in der Sozialgerichtsbarkeit sollen mindestens ein juristisches Staatsexamen mit der Note "vollbefriedigend" (9,0 Punkte oder mehr) und möglichst Berufserfahrung im Sozialrecht nachweisen. Die Summe der Punktzahl des ersten und der doppelten Punktzahl des zweiten Examens sollte mindestens 25,5 Punkte betragen. Bei besonderer einschlägiger Berufserfahrung oder besonders engem Bezug zum Sozialrecht - etwa durch berufliche Erfahrung bei einem Sozialversicherungsträger oder als Anwalt - kann die Mindestpunktzahl auf bis zu 23,25 Punkte abgesenkt werden (http://www.lsg.nrw.de/behoerde/Richterinnen_Richter_auf_Probe/Richterinnen_Richter_auf _Probe/index.php). Bewerberinnen und Bewerber für die Arbeitsgerichtsbarkeit sollen in der Regel mindestens das zweite juristische Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ bestanden haben und einen besonderen Bezug zum Arbeitsrecht vorweisen können (vgl. die jeweiligen Homepages bzw. Merkblätter der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln für die Bewerbung um Einstellung in den richterlichen Dienst der Arbeitsgerichtsbarkeit). Zu den langjährigen Einstellungsvoraussetzungen für Richterinnen und Richter der Finanzgerichtsbarkeit gehören mit überdurchschnittlichem Erfolg abgeschlossene Staatsexamina, wünschenswert jeweils mit Prädikat (9,0 Punkte), vertiefte Kenntnisse des formellen und materiellen Steuerrechts sowie grundsätzlich berufliche Erfahrungen nach dem zweiten Staatsexamen aus einer beratenden Tätigkeit als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin und/oder Steuerberater/in oder einer Tätigkeit im höheren Dienst der Finanzverwaltung oder einer richterlichen Tätigkeit in einer anderen Gerichtsbarkeit. Bewerberinnen und Bewerber für die Finanzgerichtsbarkeit sollen neben der Befähigung zum Richteramt über mindestens dreijährige Erfahrungen aus einer steuerrechtlichen Berufstätigkeit oder in der Justiz verfügen. Bewerberinnen und Bewerber, die bisher nicht im öffentlichen Dienst tätig waren, werden bei Bewährung – zunächst im Richterverhältnis auf Probe – in der Regel nach drei Jahren in das Richterverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Bewerberinnen und Bewerber, die Beamtinnen oder Beamte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung auf Lebenszeit sind, können bei Bewährung – zunächst im Richterverhältnis kraft Auftrags – in der Regel nach einem Jahr mit der Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit rechnen. Es können sich auch Richterinnen und Richter aus anderen Gerichtsbarkeiten – möglichst mit steuerrechtlichen Kenntnissen – bewerben (vgl. JMBl. NRW 2011, Seite 340). Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 5586 mit Schreiben vom 16. März 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Für wie viele Richter- und Staatsanwaltsstellen waren im Jahr 2016 Neueinstellungen vorzunehmen (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen)? Die Prognose des Einstellungsbedarfs ist wegen der zahlreichen zu berücksichtigenden Variablen (Ruhestände, Abordnungen, Beurlaubungen pp.) dynamisch und wird deshalb insbesondere in den großen Geschäftsbereichen kontinuierlich fortgeschrieben. Zu bestimmten Stichtagen erstellte Bedarfsprognosen geben den tatsächlichen Einstellungsbedarf nur unzureichend wieder und werden regelmäßig nicht dokumentiert. Hinzu kommt, dass gewisse Stellen/-anteile regelmäßig für Kräfte, die aus einer Beurlaubung oder Abordnung zurückkehren, vorgehalten werden. Nach den eingeholten Berichten der Obergerichte und Mittelbehörden war die Zahl der Neueinstellungen im Jahr 2016 regelmäßig LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14519 3 bedarfsgerecht. Den Einstellungsbedarf im Jahr 2016 bitte ich der beigefügten Übersicht (Anlage 1) zu entnehmen. 2. Wie viele Bewerbungen sind 2016 auf diese Stellen eingegangen (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen, bitte differenziert nach Noten der zweiten juristischen Staatsprüfung und Frauen/Männern)? Die im Jahr 2016 eingegangenen Bewerbungen ergeben sich aus der beigefügten Übersicht (Anlage 2). Ergänzend wird angemerkt, dass bei der Besetzung von Planstellen zum Teil auch auf Bewerbungen zurückgegriffen wird, die in Vorjahren eingegangen sind, sofern die Bewerberinnen und Bewerber ihr mittel- bzw. langfristiges Einstellungsinteresse bekundet und ihr Einverständnis zu einer Aufbewahrung ihrer Bewerbungsunterlagen erklärt haben. 3. Wie viele Neueinstellungen sind 2016 tatsächlich vorgenommen worden (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen, bitte differenziert nach Noten der zweiten juristischen Staatsprüfung und Frauen/Männern)? Die im Jahr 2016 erfolgten Neueinstellungen bitte ich der beigefügten Übersicht (Anlage 3) zu entnehmen. 4. Über jeweils welche besonderen Eigenschaften verfügten die in 2016 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften eingestellten Bewerberinnen und Bewerber, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte erreicht haben (bitte nach Kategorien, z.B. Note erste juristische Staatsprüfung, Promotion, besondere Berufserfahrung, etc.)? Nach dem für die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften geltenden Erlass vom 29.06.1999 können auch Bewerberinnen und Bewerber zum Auswahlgespräch eingeladen werden, die weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte in der zweiten juristischen Staatsprüfung erreicht haben und sich durch besondere persönliche Eigenschaften auszeichnen. Hierunter fallen z.B. Bewerberinnen und Bewerber, die sich in der zweiten juristischen Staatsprüfung „unter Wert geschlagen“ haben, d.h. ihnen wurden erheblich bessere Leistungen im Abitur, im Studium, in der ersten Prüfung, in der Referendarzeit oder in Arbeitsgemeinschaften bescheinigt. Ebenso fallen hierunter Bewerberinnen und Bewerber mit besonderen, durch den Lebensweg und die berufliche Entwicklung nachgewiesenen persönlichen Fähigkeiten und Leistungen, die die Persönlichkeit einer Richterin oder eines Richters bzw. einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts positiv prägen. Welche den Vorgaben des vorgenannten Erlasses entsprechende Kriterien für die Einstellung der Bewerberinnen und Bewerber mit einer Notenskala von 7,76 bis 8,99 Punkten in der zweiten juristischen Staatsprüfung im Jahr 2016 ausschlaggebend waren, ergibt sich aus der beigefügten Übersicht (vgl. Anlage 4). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14519 4 5. Welche Gesichtspunkte waren gegebenenfalls jeweils bei den 2016 eingestellten Bewerberinnen und Bewerbern in der Sozialgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit, die die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden haben, für die Einstellung maßgeblich? Im Jahr 2016 wurde in der Finanzgerichtsbarkeit niemand eingestellt, der die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden hat (vgl. Anlage 3). In der Arbeitsgerichtsbarkeit wurde im Jahr 2016 ein Bewerber eingestellt, der die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden hat (vgl. Anlage 3). Für die Auswahlentscheidung war maßgeblich, dass er aufgrund seiner beruflichen Vortätigkeit als Rechtsanwalt über einen besonderen Bezug zum Arbeitsrecht verfügte. In der Sozialgerichtsbarkeit wurden drei Bewerberinnen / Bewerber eingestellt, die die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden haben (vgl. Anlage 3). In die Auswahlentscheidung, die zu ihrer Einstellung führte, wurden im Wesentlichen folgende Faktoren einbezogen: • abgeschlossener Fachanwaltslehrgang für Sozialrecht • Tätigkeit als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt in einer Rechtsanwaltskanzlei mit sozialrechtlicher Ausrichtung • Berufstätigkeit bei einem Sozialversicherungsträger • Wahlstation bei einem Sozialgericht bzw. einem Sozialversicherungsträger • Dissertation bzw. vertiefte wissenschaftliche Tätigkeit im Sozialrecht