LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1458 20.11.2012 Datum des Originals: 16.11.2012/Ausgegeben: 23.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 553 vom 4. Oktober 2012 der Abgeordneten Frank Herrmann und Simone Brand PIRATEN Drucksache 16/1086 Bewertung anonymisierter Bewerbungsverfahren Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 553 mit Schreiben vom 16. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 17.04.2012 teilte das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW in einer Pressemitteilung mit, dass im Rahmen der Landesinitiative „Mehr Migrantinnen und Migranten im Öffentlichen Dienst“ ein Pilotprojekt für anonymisierte Bewerbungsverfahren durchgeführt wird. An diesem Projekt beteiligten sich laut Pressemitteilung 17 Modellbehörden , die ca. 100 Stellen zu besetzen hatten. Das Ende der Durchführung war für Juni 2012 geplant. Das Ministerium ging in der Pressemitteilung davon aus, dass anonymisierte Bewerbungen ein Instrument sind, um den Anteil von Migranten und Migrantinnen zu erhöhen. Der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in den Landesministerien betrug Anfang 2012 etwa 12 Prozent. In NRW leben aber mittlerweile fast 25 Prozent Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Auch im Koalitionsvertrag befürwortet Rot-Grün auf S. 111, Zeile 5108–5111, anonymisierte Bewerbungsverfahren, um den „den öffentlichen Dienst weiter für Menschen mit Migrationshintergrund [zu] öffnen …“. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellte im April 2012 die Ergebnisse ihres Pilotprojekts „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit vor. Ergebnis des Projekts war, dass sich die Chancen für Menschen, die oft an der ersten Bewerbungshürde scheitern (Migranten, Frauen, Bewerber über 50 und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1458 2 Menschen mit Behinderung), erhöhten. Die Vielfalt der Mitarbeiterstruktur der am Projekt teilnehmenden Stadtverwaltung Celle hatte sich signifikant erhöht. Studien in Europa und Amerika zeigen, dass besonders alleinerziehende Mütter und Migranten vom anonymisierten Bewerbungsverfahren profitierten. Vorbemerkung der Landesregierung Die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung mit den Aspekten der Erhöhung des Anteils der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst und der gezielten Förderung der interkulturellen Kompetenz der Bediensteten der Landesverwaltung ist Aufgabe des Landes nach dem Teilhabe- und Integrationsgesetz (§§ 1 Nr. 7 und 6 Abs. 1). Die im Dezember 2010 gestartete Landesinitiative „Mehr Migrantinnen und Migranten in den Öffentlichen Dienst – Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung“ unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) und mit Beteiligung aller Ressorts enthielt bereits den Auftrag, ein Gesamtkonzept zur interkulturellen Öffnung der Landesverwaltung zu erarbeiten. Mit Kabinettsbeschluss vom 31. Mai 2011 wurde das entsprechende Gesamtkonzept gebilligt. Eine der beschlossenen Maßnahmen war die Durchführung des Pilotprojektes „Anonymisierte Bewerbungen“. 1. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung mit anonymisierten Bewerbungs- verfahren gemacht? Das Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungen“, an dem sich acht Ressorts der Landesregierung mit Stellenkontingenten beteiligt hatten, wurde im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2012 durchgeführt. Die Einstellungsverfahren wurden nach einem in der Unterarbeitsgruppe „Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung“ der IMAG Integration (UAG) abgestimmten Standard durchgeführt . Insgesamt bewarben sich auf die von 15 Modellbehörden ausgeschriebenen 97 Stellen 1.256 Personen. 89 Stellen konnten besetzt werden. Die Bezirksregierung Arnsberg (Dezernat 36, Kompetenzzentrum für Integration - KfI) hat das Pilotprojekt begleitet, ausgewertet und den Abschlussbericht erstellt. Der Abschlussbericht wird in Kürze in der nächsten Sitzung der UAG erstmals beraten werden. Die Kabinettsbefassung ist für Ende 2012 vorgesehen. Danach ist eine Information des Landtags geplant. 2. Wie hoch war der Anteil der eingeladenen Bewerber mit Migrationshintergrund? Bitte nach ausgeschriebenen Stellen und Anteil der Bewerber mit und ohne Migrationshintergrund und deren Erfolg aufschlüsseln. Fragen zum Migrationshintergrund der Bewerberinnen und Bewerber durften aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht im Einstellungsverfahren selber gestellt werden. Aus diesem Grund wurde hierzu eine so genannte nachgehende Befragung durchgeführt. Das bedeutete, dass allen Bewerberinnen und Bewerbern nach Abschluss der Einstellungsverfahren ein Fragebogen zugeschickt wurde, der freiwillig und anonym ausgefüllt und zur Auswertung an das KfI rückgesendet werden konnte. Der Fragebogen enthielt Fragen zu einem möglichen Migrationshintergrund und dem Bewerbungsverlauf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1458 3 Die Ergebnisse der Auswertung der nachgehenden Befragung sind im Abschlussbericht enthalten , der in der nächsten Sitzung der UAG erstmals beraten wird. Zum weiteren Verfahren siehe Antwort auf die Frage 1. 3. Welche Maßnahmen wird die Regierung ergreifen, um ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu ermöglichen? Die Frage berührt verschiedene Bereiche des allgemeinen Arbeits-, Dienst- und Tarifrechts, soweit sie Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern/ Beamtinnen und Beamten oder Pflichten von Arbeitgebern/ Dienstherrn regeln. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind alle Ressorts in der Pflicht darauf hinzuwirken, dass Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden (§ 1 AGG). 4. Auf welche persönlichen Angaben wurde bei den Ausschreibungen verzichtet? Die jeweiligen Personalauswahlgremien erhielten keine Informationen über wesentliche Persönlichkeitsdaten der Bewerberinnen und Bewerber wie den Namen, das Alter, das Geschlecht oder den Geburtsort. Die Entscheidung über eine Einladung zum Eignungstest oder Vorstellungsgespräch fiel ausschließlich auf der Grundlage eines anonymisierten Qualifikationsprofils, das Angaben zur Schul- und Berufsausbildung, zum Studium und zur beruflichen Tätigkeit enthielt. Erst zur Vorbereitung des Vorstellungstermins wurde die Anonymisierung aufgehoben. 5. Wird die Landesregierung zukünftig auch im Rahmen einer Erhöhung von z.B. weiblichen und älteren Bewerbern sowie Menschen mit Behinderung anonymisierte Bewerbungen fördern? Im Rahmen der Einstellungsverfahren für den öffentlichen Dienst sind verschiedene gesetzliche Regelungen, die den Schutz vor Benachteiligungen, die gleichberechtigte Teilhabe und die Interessenwahrnehmung einzelner Personengruppen sichern, zu beachten. Hierzu gehören insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Landesgleichstellungsgesetz und das Sozialgesetzbuch IX. Ob und gegebenenfalls welche Handlungsnotwendigkeiten sich auf der Basis der Ergebnisse des Abschlussberichtes zum Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbung“ ergeben, wird in Kürze zwischen den Ressorts beraten werden.