LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14642 27.03.2017 Datum des Originals: 27.03.2017/Ausgegeben: 30.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5583 vom 9. Februar 2017 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/14216 Verhinderung von Mehrfachidentitäten und Sozialleistungsmissbrauch in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Per Fingerabdruck sind die meisten Asylbewerber in Deutschland erfasst. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) selbst nimmt seit Herbst 2016 von allen Asylbewerbern Fingerabdrücke und kann laut eigenen Angaben dadurch Mehrfachidentitäten im Asylverfahren ausschließen. Doch nicht alle am Asylverfahren beteiligten Behörden sind schon in der Lage, die Daten miteinander zu vergleichen und auszutauschen. Die Ausländerbehörden sind etwa für die Sicherung des Lebensunterhaltes der Migranten zuständig, für Duldungen und Abschiebungen. Mehr als 90 Prozent der Ausländerbehörden in Deutschland können jedoch laut einem Medienbericht keine Fingerabdrücke von Asylbewerbern nehmen und diese mit dem Ausländerzentralregister vergleichen. Daher sei der Missbrauch von Sozialleistungen durch Asylbewerber trotz der eindeutigen Registrierung über Fingerabdrücke noch nicht völlig ausgeschlossen. Grund ist, dass viele Behörden wie etwa Sozialämter, die Geld an Asylbewerber herausgeben, noch nicht in der Lage sind, selbst Fingerabdrücke zu nehmen und diese mit den Fingerabdrücken im Kerndatensystem des Ausländerzentralregisters abzugleichen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt dazu, dass es bei den Asylbewerberleistungsbehörden nach wie vor vorkommen könne, dass Doppel-Identitäten nicht festgestellt werden und Asylsuchende mit falschen Angaben dort Leistungen beantragen. Zwar seien insgesamt etwa 13.900 Behörden aus den Bereichen Aufenthalt und Asyl, Polizei, Sicherheit und Justiz sowie andere Nutzer an das System des AZR bzw. der Kerndatenbank angeschlossen. Allerdings seien nicht alle Ausländerbehörden technisch in der Lage, Fingerabdrücke zu registrieren und zu erfassen. Die Behörden arbeiteten zum großen Teil noch papierbasiert und seien nicht mit anderen Behörden vernetzt. Fingerabdruckgeräte werden bei Sozialbehörden derzeitig jedoch nicht eingesetzt, da hierfür teilweise keine gesetzliche Voraussetzung gegeben seien, hieß es vom BAMF. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14642 2 Ein Gespräch zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem ehemaligen BAMF- Chef habe bereits ergeben, dass der Bund die Finanzierung für 15 „Musterausländerbehörden“ übernimmt, die die Erfassung von Fingerabdrücken und den Datenaustausch ausloten sollen. Auch dieses Thema soll nun auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Februar 2016 besprochen werden. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5583 mit Schreiben vom 27. März 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Situation des Abgleichs und Austausches der Asylbewerberdaten derzeit in Nordrhein-Westfalen, zur Verhinderung von Mehrfachidentitäten und Sozialleistungsmissbrauchs? Im Frühjahr des Jahres 2016 wurde mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz und der sukzessiven flächendeckenden Einführung der sogenannten Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) die Grundlage dafür geschaffen, dass ankommende Personen flächendeckend erkennungsdienstlich (inkl. Fingerabdrücke und biometrischem Passbild) behandelt werden können. Die Daten werden seitdem in eine Datenbank des Bundes überführt, so dass nunmehr ein bundesweiter Datenabgleich möglich ist. Auch alle Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind mit diesen Systemen ausgestattet worden. Weitestgehend alle Asylsuchenden aus dem Jahr 2015 sind mittlerweile in dieser Art und Weise nachregistriert worden. Aus unterschiedlichen Gründen sind in Einzelfällen sich in Kommunen bereits aufhältige Personen nicht erfasst worden. Um sicher zu stellen, dass sich inzwischen in den Kommunen keine Personen mehr befinden, die noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden sind, hat die Landesregierung die Bezirksregierungen gebeten, bei den Ausländerbehörden abzufragen, ob und wenn ja wie viele Asylsuchende ohne Asylantragstellung sich derzeit noch in den Kommunen befinden. Diese Personen sollen bis zum 30. April 2017 dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Antragsstellung und der damit verbundenen ED-Behandlung zugeführt werden. Für die Dauer der Unterbringung in den Landeseinrichtungen erhalten die Flüchtlinge vornehmlich Sachleistungen. Die Leistungen des notwendigen persönlichen Bedarfs (sog. Taschengeld) werden aber als Geldleistung erbracht. Die Auszahlung des sogenannten Taschengeldes in den Unterbringungseinrichtungen des Landes erfolgt wöchentlich an einem festgelegten Tag durch eine persönliche Übergabe an die betreffende anspruchsberechtigte Person. Einzelheiten hierzu sind durch Erlasse geregelt. So soll gewährleistet sein, dass Taschengeld nur noch an Personen ausgezahlt wird, die bereits ED-behandelt wurden. Darüber hinaus soll die gleichzeitige Auszahlung des Taschengeldes in einem vorgegebenen, engen Zeitfenster verhindern, dass eine in einer Landeseinrichtung untergebrachte anspruchsberechtigte Person das ihr zustehende Taschengeld mehrfach erhält. Seit der flächendeckenden Registrierung aller Flüchtlinge sowie der Kopplung der AsylbLG- Leistungsgewährung an den Ankunftsnachweis bzw. die Aufenthaltsgestattung kann es weitestgehend ausgeschlossen werden, dass Asylsuchende unter verschiedenen Identitäten registriert werden. Damit ist eine mehrfache Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die Dauer der Unterbringung in Landeseinrichtungen ebenfalls weitestgehend ausgeschlossen. Nach der Zuweisung sind die Kommunen für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Rahmen ihrer Selbstverwaltung zuständig. Auch hier gilt, dass Asylbewerber, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen wollen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14642 3 zunächst beim zuständigen Ausländeramt einen Nachweis zu ihrem asylrechtlichen Status (Aufenthaltsgestattung, Duldung) zu erbringen haben. Auf der Grundlage der von den Asylbewerbern vorgelegten Dokumente nimmt die Ausländerbehörde dann einen Abgleich mit dem Ausländerzentralregister (AZR) vor. Hiervon unabhängig ist es für die kommunalen Leistungsbehörden (Sozialämter) bereits auf der Basis der geltenden Rechtslage möglich, eine Berechtigung zum Abruf von Daten aus dem Kerndatensystem (Ausländerzentralregister) im Rahmen des automatisierten Verfahrens zum Zwecke der Identitätsfeststellung zu beantragen. 2. Welchen Beitrag leistet die Landesregierung dabei, die Kommunen finanziell und logistisch für die Erfassung der Fingerabdrücke zu unterstützen? Neben der flächendeckenden Einführung der sogenannten Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) des Bundes in allen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, mit der die Voraussetzungen für eine umgehende Registrierung aller nach NRW kommenden Asylsuchenden geschaffen wurde, hat das Land die Kommunen auch beim Abbau des sog. „Easy-Gap“ unterstützt. Um eine zügige erkennungsdienstliche Behandlungen sowie die Asylantragstellung kommunal zugewiesener Flüchtlinge zu ermöglichen, wurden auf Initiative des Landes in Abstimmung mit dem BAMF in 2016 Asylsuchende aus Kommunen zu den Registrierstellen des Landes zur Ausstellung von AKN sowie zur erkennungsdienstlichen Behandlung zugeführt. Um die erkennungsdienstliche Behandlung der unbegleiteten Minderjährigen Ausländer (UMA) sicherzustellen, hat die Landesregierung im August 2016 unter Zurverfügungstellung der Registrierstellen sowie der Erstaufnahmeeinrichtungen darüber hinaus alle Jugendämter, Ausländerbehörden und Polizeidienststellen darum gebeten, die Jugendlichen, die einen Asylantrag stellen werden, in den Registrierstellen in NRW bzw. in den Erstaufnahmeeinrichtungen erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Für die UMA, die keinen Asylantrag stellen wollten, wurden die Ausländerbehörden aufgefordert, eine erkennungsdienstliche Behandlung im Zusammenwirken mit den örtlich zuständigen Polizeibehörden sicherzustellen. Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat außerdem mit Schreiben vom 01.12.2016 die Ausländerbehörden darum gebeten, alle unerlaubt aufhältigen oder unerlaubt eingereisten Personen für die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung an die Polizei weiterzuleiten. 3. Wie viele Ausländerbehörden sind aktuell in der Lage Fingerabdrücke von Asylbewerbern zu nehmen und mit der Kerndatenbank abzugleichen? In NRW erfolgt die Registrierung als Asylsuchende/r grundsätzlich in den dafür vorgesehenen Erstaufnahmeeinrichtungen. Im Zuge der dortigen Registrierung erfolgt auch unmittelbar eine erkennungsdienstliche Behandlung sowie ein Abgleich der genommenen Fingerabdrücke mit dem Bestand in der Kerndatenbank. Mit dem Schreiben vom 01.12.2016 hat das Ministerium für Inneres und Kommunales die Kommunen über die eigene Nutzung von Personalisierungsinfrastrukturkomponenten und die vom Bund technisch bis Ende 2017 vorgesehene Integration einer AZR-Erstregistrierungsschnittstelle in kommunale Fachverfahren informiert. Bis zu einer Implementierung sollen die Ausländerbehörden Asylsuchende zur ED-Behandlung unverzüglich an eine EAE weiterleiten und unerlaubt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14642 4 aufhältige bzw. eingereiste Ausländer sowie UMA zur ED-Behandlung der örtlichen Kreispolizeibehörde zuführen. 4. Welche nordrhein-westfälische Ausländerbehörde wird „Musterausländerbehörde“ und nimmt an dem vom Bund finanzierten Projekt zur Erfassung von Fingerabdrücken und den Datenaustausch teil? Hierzu finden derzeit Gespräche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge statt. 5. Welche Erkenntnisse oder Ergebnisse lieferte das Bund-Länder-Gespräch am 9. Februar in Bezug auf die o.g. Thematik? Im Rahmen der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 09.02.2017 ist beschlossen worden, dass die zuständigen Fachminister von Bund und Ländern ein gemeinsames Konzept zur Verbesserung der Kommunikationswege zwischen den Ausländerbehörden und den Sozialleistungsbehörden vorlegen und den gesetzlichen Anpassungsbedarf identifizieren. Hierdurch soll unter anderem eine konsequentere Anwendung der Regelungen zu Leistungskürzungen (§ 1a AsylblG) und Beschäftigungsverboten (§ 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG) ermöglicht werden, wenn Ausreisepflichtige ein Abschiebungshindernis selbst zu vertreten haben. Hierzu werden in einem ersten Schritt die in den Bundesländern Hessen und Baden- Württemberg im Rahmen einer Pilotierung gewonnen Erkenntnisse zur Etablierung effizienter Kommunikationswege zwischen Ausländerbehörden und AsylblG-Leistungsbehörden ausgewertet.