LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14667 28.03.2017 Datum des Originals: 28.03.2017/Ausgegeben: 31.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5622 vom 21. Februar 2017 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/14294 Gülle und Stickstoffbelastung – die neue Düngeverordnung auf Bundesebene Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vorbemerkung: Im Bundestag wurde nach 5 Jahren Debatte am 16.02.2017 das Düngegesetz reformiert. Der Bundestag teilt dazu mit, dass dadurch „die EG-Nitratrichtlinie 91/676/EWG in nationales Recht übernommen wird und als Grundlage zur Überarbeitung der Düngeverordnung dient. Ziel der Richtlinie ist es, dass der Nitratsalzbelastung der Böden und des Grundwassers durch die Landwirtschaft infolge von Überdüngung vorgebeugt werden soll. Die Düngeverordnung kann erst nach der Reform des Düngegesetzes an die neuen EU- Vorgaben angepasst werden.“ Inwieweit diese das zentrale Problem, nämlich die flächenbezogen zu hohen Tierbestände, lösen wird, bleibt fraglich. Es ist zu befürchten, dass zwar niedrigere Vorgaben zur Stickstoff/Gülle- Ausbringung kommen werden, aber die Tierzahlen, insbesondere bei Schweinen, weiter hochgehen werden und die für die Gülle-Ausbringung zur Verfügung stehenden Flächen eher weniger werden. Hierdurch wird der logistische (Transport) und der Kontrollaufwand noch höher als er eh schon ist. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5622 mit Schreiben vom 28. März 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Konsequenzen und positiven, o.a. negative Änderungen hinsichtlich des künftigen Güllemanagementes erwartet die Landesregierung von der neuen Düngeverordnung auf Bundesebene? 2. Wird es insbesondere durch strengere Vorgaben hinsichtlich der Stickstoffaufbringung pro Hektar eine Abstockung von Tierbeständen geben LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14667 2 und/oder wird sich der Transport-und Kontrollaufwand aus den betroffenen Gebieten weiter erhöhen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet: Zu der grundsätzlichen Einschätzung des neuen Düngerechts wird auf den am 16.1.2017 an den Landtag übersandten Bericht (Vorlage 16/4648) zur Änderung des Düngerechts verwiesen. Die zukünftigen Auswirkungen von Düngegesetz und Düngeverordnung auf das innerbetriebliche und überbetriebliche Güllemanagement oder auf die Entwicklung der Tierbestände lassen sich zurzeit nicht sicher voraussagen. Das neue Düngerecht ist noch nicht beschlossen und hierbei nur ein Faktor von vielen. Aufgrund der strengeren Flächenbindung durch die Einbeziehung aller organischen Dünger einschließlich der Gärreste von Biogasanlagen in die Aufbringungsbegrenzung von maximal 170 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr ist von einem höheren Druck zur Abgabe von Wirtschaftsdünger auszugehen. Die Bereitschaft von Ackerbaubetrieben, Wirtschaftsdünger aufzunehmen, wird unter anderem durch deutlich strengere Anforderungen an zulässige Bilanzüberschüsse beeinflusst. Neben den Anforderungen des Düngerechts spielen aber auch andere Faktoren wie die Entwicklung von Aufbereitungstechniken für Gülle und Gärreste, der Bau entsprechender Anlagen und marktwirtschaftliche Entwicklungen eine wichtige Rolle. 3. Trifft es zu, dass alleine im Kreis Borken, abgeleitet aus dem Nährstoffbericht 2014, bei der Annahme von 30 t pro LKW ca. 16000 LKW-Fahrten erforderlich waren, um die überschüssige Gülle (Stickstoff größer 170 kg/ha) aus dem Kreisgebiet abzutransportieren und um welche Größenordnung wird sich dies erhöhen, wenn die Vorgaben der neuen Düngeverordnung beachtet werden müssen und keine Abstockung von Tierbeständen erfolgt? Diese Aussage lässt sich aus dem Nährstoffbericht 2014 nicht ableiten. Aus der Auswertung der Wirtschaftsdüngerdatenbank wurden etwa 2800 t Stickstoff aus dem Kreis Borken abgegeben, eine Umrechnung in Wirtschaftsdüngermengen ist aber nur möglich, wenn gleichzeitig die Wirtschaftsdüngerarten bekannt sind. So enthält beispielsweise Hühnertrockenkot eine etwa fünffache höhere Menge Stickstoff als Schweinegülle. Bezogen auf Schweinegülle wäre die Aussage von der Größenordnung plausibel. Die Menge wird sich aufgrund der neuen Anforderungen des Düngerechts vor allem durch die Einbeziehung von Gärresten pflanzlicher Herkunft aus Biogasanlagen voraussichtlich noch deutlich erhöhen, eine Quantifizierung wird im Rahmen des zurzeit in Arbeit befindlichen 2. Nährstoffberichts erfolgen, der im Herbst 2017 erscheinen soll. 4. Mit welcher Strategie, auch unter Klimaschutzgesichtspunkten (Verkehrsaufwand und Emissionen) wird die Landesregierung ggf. diesem Problem Rechnung tragen? Die Landesregierung setzt sich für eine sinnvolle Reduzierung und Verteilung der in Nordrhein- Westfalen regional sehr unterschiedlich anfallenden Nährstoffmengen ein. Neben dem Ziel einer Reduzierung der regional hohen Viehdichten kommt der Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern und Gärresten zu handelbaren und transportwürdigen Düngemitteln eine zunehmende Bedeutung zu. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14667 3 5. Wie wird die Landesregierung vor dem Hintergrund der jetzt im Bundestag beschlossenen neuen Düngeverordnung sicherstellen, dass bis 2027 die Ziele eines qualitativ guten Grundwasserzustands nach EU-WRRL, das bedeutet im Hinblick auf die Nitrat-Belastung in jedem Fall eindeutig fallende Trends, erreicht werden? Aus der europäischen Wasserrahmenrichtlinie resultiert die Verpflichtung den guten Zustand der Gewässer bis zum Jahr 2015, spätestens jedoch bis zum Jahr 2027 zu erreichen. Im NRW-Bewirtschaftungsplan und Maßnahmenprogramm, die im Einvernehmen mit dem Umweltausschuss des Landtags erarbeitet wurden sind alle Maßnahmen beschrieben, mit denen die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden sollen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die geltenden Grenzwerte künftig flächendeckend eingehalten werden. Die Maßnahmen setzen an allen relevanten Quellen des Schadstoffeintrags an. Nitrate in organischen und chemischen Düngern in der Landwirtschaft sind eine der wichtigsten Ursachen der Wasserverschmutzung in Europa und auch in Nordrhein-Westfalen. Hauptursache im landwirtschaftlichen Bereich sind die regional konzentrierte intensive Tierhaltung und die regionalen Konzentrationen im Gemüsebau. Hohe Konzentration der Tierhaltung in Nachbarländern verstärkt über Gülleimporte die Probleme in NRW. Zahlreiche Maßnahmen im Maßnahmenprogramm zielen auf die Reduzierung der Stoffeinträge im landwirtschaftlichen Bereich. Wichtigste grundlegende Maßnahmen sind die Novelle des Düngegesetzes und der Düngeverordnung auf Bundesebene. Zu dem nun dem Bundesrat vorliegenden Entwurf zur Novelle der Düngeverordnung ist festzuhalten, dass es sich hierbei um einen Kompromiss handelt der nach über fünf Jahren schwieriger Verhandlungen mit dem Bund erzielt werden konnte. Auch wenn in einer Reihe von Punkten strengere und effektivere Anforderungen wünschenswert wären, ist festzustellen, dass nun nach ihrer Verabschiedung mit einem verbesserten Düngerecht die drängenden Defizite bei der Reduzierung von Gewässer- und Luftbelastungen im Zusammenhang mit der Düngung zumindest angegangen werden können. Bereits im Nitratbericht des Bundes wird am Beispiel der Flussgebietsgemeinschaft Weser aufgezeigt, dass die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie nach den erwartbaren Entwicklungen, bis zum Jahr 2021 für die beiden untersuchten Nährstoffe Stickstoff und Phosphor für das Grundwasser oder die Oberflächengewässer jedoch nicht flächendeckend erreicht werden. Auch bei einer Fristverlängerung, selbst bis 2027, werden die Ziele der WRRL voraussichtlich nicht erreicht. Dies deckt sich mit den Einschätzungen eines Prognosepapiers der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, aus dem deutlich wird, dass selbst bei einer ambitionierten Ausgestaltung des nationalen Düngerechts die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie und der Meeresschutzstrategierichtlinie nicht fristgerecht erreicht werden. Vor diesem Hintergrund ist bereits jetzt zu konstatieren, dass zur Erreichung der Umweltziele weitere Anstrengungen notwendig sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14667 4 Diese können nicht allein durch die Umsetzung der zahlreichen weiteren Einzelmaßnahmen des NRW-Maßnahmenprogramms (z.B. Umsetzung von Greening-Verpflichtungen und Agrarumweltmaßnahmen im Sinne des Gewässerschutzes, Beratung der landwirtschaftlichen Betriebe) erreicht werden. Die in NRW angeschobenen landwirtschaftlichen Innovationen zur Steigerung der Effektivität und zur Vermeidung weiterer Verluste werden zwar gemeinsam mit diesem Maßnahmenbündel einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Daneben ist aber aus heutiger Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Verschärfung der Düngeverordnung auch nach deren nun bevorstehenden Verabschiedung bereits jetzt absehbar.