LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14671 28.03.2017 Datum des Originals: 28.03.2017/Ausgegeben: 31.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5644 vom 28. Februar 2017 der Abgeordneten Marc Lürbke und Susanne Schneider FDP Drucksache 16/14332 Neue medizinische Fakultäten für Nordrhein-Westfalen – Welche Rolle spielt Ostwestfalen -Lippe für die Landesregierung bei der medizinischen Versorgung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 14. Februar 2017 titelte die Onlineausgabe der Westdeutschen Allgemeinen: „Grünes Licht für medizinische Ausbildung an der Uni Siegen“ und berichtete: „Die Signale aus Düsseldorf stehen auf Grün für eine medizinische Ausbildung an der Hochschule, in der kommenden Woche reicht die Hochschule Anträge für Exzellenz-Projekte ein – ein Baustein von vielen für die Vision Uni 2025, zu der auch der Umzug zweier weiterer Fakultäten in die Stadt gehören soll.“ (Vgl. WAZ online vom 14.02.2017, „Grünes Licht für medizinische Ausbildung an der Uni Siegen “.) Weiter heißt es, „als Kooperationspartner für die Universität Siegen stehe die Universität Rotterdam fest, außerdem weitere Hochschulen in NRW und Rheinland-Pfalz. Die Landespolitik habe grünes Licht signalisiert; die Strukturen sollen dem Konzept der Hochschule folgen: Forschung auf internationalem Niveau mit dem Fokus auf der Region […].“ (Vgl. WAZ online vom 14.02.2017 „Grünes Licht für medizinisches Ausbildung an der Uni Siegen“.) Am 20. Februar 2017 berichtete die Neue Westfälische: „Ministerium dementiert Berichte über neue medizinische Fakultät in NRW“. Darin heißt es, das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium habe diese Bestrebungen dementiert. „Es werde keine weitere medizinische Fakultät in Nordrhein-Westfalen geben, bei den Informationen handelt es sich um eine Falschmeldung. Die Landesregierung hatte zuvor stets betont, es gebe ausreichend Fakultäten für die wissenschaftliche Ausbildung von Ärzten in NRW.“ (Vgl. NW online vom 20.02.2017 2017 „Grünes Licht für medizinisches Ausbildung an der Uni Siegen“.) Die ärztliche, insbesondere die ambulante Versorgung in Ostwestfalen-Lippe (OWL) ist mittelfristig gefährdet. Nach der letzten Schätzung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) aus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14671 2 dem Jahre 2011 werden im Kammerbereich Westfalen-Lippe bis 2025 weit über 3.000 Ärztinnen und Ärzte altersbedingt aus ihrer Tätigkeit ausscheiden. Der Ersatzbedarf in OWL ist im Vergleich zu Westfalen-Lippe überdurchschnittlich hoch, da hier ab 2017 (verschärft ab 2030) deutlich mehr Ärzte aus der Versorgung ausscheiden werden als neu hinzukommen. Nach einer Prognose der ÄKWL muss ab 2030 - rein quantitativ betrachtet - von einem Rückfall der Arztzahlen auf das Niveau der 1970er Jahre ausgegangen werden, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Beleg für die Dramatik der aktuellen Situation ist, dass bereits heute viele Kassensitze in OWL wegen fehlendem Nachwuchs nicht mehr besetzt werden können, so dass die ambulante ärztliche Versorgung, insbesondere im ländlichen Bereich, immer mehr ausdünnt. Verschärft wird die Versorgungssituation noch durch die Tatsache, dass sich die Leistungsnachfrage aufgrund der demographischen Entwicklung deutlich zunehmen wird. Um dem kommenden Ärztemangel entgegenzuwirken, ist die derzeitige Dependance-Lösung mit ca. 60 Studentinnen und Studenten, die ihre universitäre Heimat in Bochum haben und ihre praktische Ausbildung in Herford und Minden nicht ausreichend. Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 5644 mit Schreiben vom 28. März 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das in der Kleinen Anfrage erwähnte Dementi der Landesregierung über neue Medizinische Fakultäten in Nordrhein-Westfalen bezieht sich auf die ursprüngliche, inzwischen im Netz korrigierte Meldung der WAZ vom 14. Februar 2017. Nach der Meldung soll die Landesregierung grünes Licht für eine Medizinische Fakultät an der Universität Siegen gegeben haben. In einer Pressemitteilung der Universität Siegen vom 8. März 2017 wurde inzwischen klargestellt, dass der Senat und der Hochschulrat der Universität Siegen dem Rektor den Auftrag erteilt haben, nächste Schritte für ein innovatives, regionales Modell einer Medizinerausbildung, das auf Kooperation mit etablierten Partnern setzt, zu gehen. Ziel ist es u.a., einen Beitrag zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu leisten. Den gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Für Ostwestfalen-Lippe ist die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) zuständig. Die KVWL hat nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB V „alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern und zu fördern “. Besteht dringender Versorgungsbedarf für einen Standort, einen Planungsbereich oder einen Teil eines Planungsbereichs, so ist dieser in einem Förderverzeichnis auszuweisen. Im Förderverzeichnis der KVWL sind einige Kommunen aus OWL aufgeführt, u.a. Borgholzhausen , Halle, Espelkamp, Rahden und Löhne. Die KVWL hat dort die Übernahme hausärztlicher Versorgungsaufträge mit Praxisdarlehen und Umsatzgarantien in mehreren Fällen unterstützt. 1. Welche konkreten Bestrebungen gibt es vor dem Hintergrund der oben zitierten Meldungen in Nordrhein-Westfalen künftig neue medizinische Fakultäten zu errichten ? Entsprechend den Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung gibt es in Nordrhein -Westfalen keine Bestrebungen zur Errichtung neuer Medizinischer Fakultäten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14671 3 2. Warum wurde Ostwestfalen-Lippe in der jüngsten Vergangenheit nicht für die Errichtung einer medizinischen Fakultät von der Landesregierung berücksichtigt? Die Landesregierung hat sich nach intensiver Beratung, u.a. durch den Wissenschaftsrat, dafür ausgesprochen, keine weitere Medizinische Fakultät einzurichten, sondern die Strukturen und Erfahrungen des Bochumer Modells einer praktischen Medizinerausbildung in kooperierenden Kliniken für OWL zu nutzen. Ziel ist es u.a., den Bedürfnissen in OWL nach einer auskömmlichen Gesundheitsversorgung schneller zu entsprechen, als dies mit dem Aufbau einer Medizinischen Fakultät erreicht werden könnte, die frühestens neun Jahre nach ihrer Gründung die ersten praktizierenden Ärztinnen und Ärzte erwarten lässt. 3. Welche Bedeutung hat die medizinische Versorgung in Ostwestfalen-Lippe für die Landesregierung? Die medizinische Versorgung in Nordrhein-Westfalen insgesamt hat für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Dabei macht das Land keine regionalen Unterschiede. Ihr Ziel ist eine flächendeckende, qualitativ gute, bedarfsgerechte und ohne Hürden zugängliche gesundheitliche und medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen . 4. Welches konkrete Konzept verfolgt die Landesregierung, um dem drohenden Ärztemangel in Ostwestfalen-Lippe zu begegnen? Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ergänzt mit dem landesweit geltenden Hausarztaktionsprogramm (Aktionsprogramm „Hausärztliche Versorgung“) die Aktivitäten der KVen. Mit dem Programm werden vor allem Niederlassungen als Hausärztin/Hausarzt bzw. die Übernahme hausärztlicher Praxen, die Beschäftigung von angestellten Ärztinnen und Ärzten zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung sowie Weiterbildungen in insbesondere eher ländlich geprägten Regionen finanziell gefördert. Neu ist insbesondere die Ausdehnung auf Kommunen mit bis zu 40.000 Einwohnerinnen/Einwohnern (vorher: Einwohnergrenze bei 25.000). In über 190 Städten und Gemeinden können seitdem Einzelförderungen von bis zu 50.000 Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss von Hausärztinnen und Hausärzten aus dem Programm beantragt werden. Mit der Erweiterung des Bochumer Modells für die Medizinerausbildung (Universität Bochum) auf Kliniken in Ostwestfalen-Lippe will die Landesregierung einen Beitrag dazu leisten, angehende Ärztinnen und Ärzte schon während des klinischen Studiums dauerhaft für die Region zu gewinnen. Im Wintersemester 2016/17 haben die ersten 60 Studierenden ihre klinische Ausbildung an Kliniken in OWL aufgenommen. 5. Welche konkreten Zahlen liegen der Landesregierung hinsichtlich der bis 2025 in Ostwestfalen-Lippe altersbedingt ausscheidenden Haus- und Fachärzte vor? (Bitte nach allen sechs Kreisen und kreisfreien Stadt Bielefeld aufschlüsseln.) Da die Altersgrenze für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte vor einigen Jahren vom Bundesgesetzgeber abgeschafft worden ist und es sich bei der Praxisaufgabe um individuelle Entscheidungen handelt, sind dazu keine validen Aussagen möglich. Detaillierte Angaben zu den einzelnen Kreisen bzw. der Stadt Bielefeld und den Facharztgruppen sind der beiliegenden Darstellung zu entnehmen. Tabelle zu Frage 5 Kreis Bedarfsplanungsgebiet Altersgruppe VZÄ (Vollzeitäquivalente) Bielefeld Augenärzt*innen älter als 55 10,75 Bielefeld Chirurg*innen älter als 55 8,00 Bielefeld Frauenärzt*innen älter als 55 27,00 Bielefeld Hausärzt*innen älter als 55 102,30 Bielefeld Hautärzt*innen älter als 55 9,00 Bielefeld HNO-Ärzt*innen älter als 55 10,75 Bielefeld Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 14,50 Bielefeld Nervenärzt*innen älter als 55 12,45 Bielefeld Orthopäd*innen älter als 55 13,00 Bielefeld Psychotherapeut*innen älter als 55 94,25 Bielefeld Urolog*innen älter als 55 7,00 Gütersloh Augenärzt*innen älter als 55 8,00 Gütersloh Chirurg*innen älter als 55 6,75 Gütersloh Frauenärzt*innen älter als 55 13,00 Gütersloh Hausärzt*innen älter als 55 101,75 Gütersloh Hautärzt*innen älter als 55 5,75 Gütersloh HNO-Ärzt*innen älter als 55 5,00 Gütersloh Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 8,00 Gütersloh Nervenärzt*innen älter als 55 6,30 Gütersloh Orthopäd*innen älter als 55 8,00 Gütersloh Psychotherapeut*innen älter als 55 34,70 Gütersloh Urolog*innen älter als 55 4,50 Herford Augenärzt*innen älter als 55 8,00 Herford Chirurg*innen älter als 55 4,50 Herford Frauenärzt*innen älter als 55 12,00 Herford Hausärzt*innen älter als 55 75,25 Herford Hautärzt*innen älter als 55 4,00 Herford HNO-Ärzt*innen älter als 55 2,50 Herford Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 6,25 Herford Nervenärzt*innen älter als 55 5,00 Herford Orthopäd*innen älter als 55 2,00 Herford Psychotherapeut*innen älter als 55 24,00 Herford Urolog*innen älter als 55 5,00 Höxter Augenärzt*innen älter als 55 3,00 Höxter Chirurg*innen älter als 55 4,00 Höxter Frauenärzt*innen älter als 55 3,00 Höxter Hausärzt*innen älter als 55 52,50 Höxter Hautärzt*innen älter als 55 3,00 Höxter HNO-Ärzt*innen älter als 55 2,00 Höxter Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 3,50 Kreis Bedarfsplanungsgebiet Altersgruppe VZÄ (Vollzeitäquivalente) Höxter Nervenärzt*innen älter als 55 5,00 Höxter Orthopäd*innen älter als 55 1,00 Höxter Psychotherapeut*innen älter als 55 10,00 Höxter Urolog*innen älter als 55 2,00 Lippe Augenärzt*innen älter als 55 9,75 Lippe Chirurg*innen älter als 55 5,00 Lippe Frauenärzt*innen älter als 55 16,25 Lippe Hausärzt*innen älter als 55 115,80 Lippe Hautärzt*innen älter als 55 2,00 Lippe HNO-Ärzt*innen älter als 55 8,00 Lippe Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 11,50 Lippe Nervenärzt*innen älter als 55 7,15 Lippe Orthopäd*innen älter als 55 6,00 Lippe Psychotherapeut*innen älter als 55 39,05 Lippe Urolog*innen älter als 55 4,00 Minden-Lübbecke Augenärzt*innen älter als 55 10,00 Minden-Lübbecke Chirurg*innen älter als 55 5,00 Minden-Lübbecke Frauenärzt*innen älter als 55 11,50 Minden-Lübbecke Hausärzt*innen älter als 55 112,30 Minden-Lübbecke Hautärzt*innen älter als 55 5,00 Minden-Lübbecke HNO-Ärzt*innen älter als 55 5,00 Minden-Lübbecke Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 10,25 Minden-Lübbecke Nervenärzt*innen älter als 55 5,80 Minden-Lübbecke Orthopäd*innen älter als 55 7,50 Minden-Lübbecke Psychotherapeut*innen älter als 55 36,90 Minden-Lübbecke Urolog*innen älter als 55 3,50 Paderborn Augenärzt*innen älter als 55 5,75 Paderborn Chirurg*innen älter als 55 4,50 Paderborn Frauenärzt*innen älter als 55 14,00 Paderborn Hausärzt*innen älter als 55 87,25 Paderborn Hautärzt*innen älter als 55 5,00 Paderborn HNO-Ärzt*innen älter als 55 8,00 Paderborn Kinder- und Jugendmediziner*innen älter als 55 8,50 Paderborn Nervenärzt*innen älter als 55 7,10 Paderborn Orthopäd*innen älter als 55 4,00 Paderborn Psychotherapeut*innen älter als 55 26,90 Paderborn Urolog*innen älter als 55 3,50 Gesamt 1.360