LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14751 04.04.2017 Datum des Originals: 03.04.2017/Ausgegeben: 07.04.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5579 vom 8. März 2017 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/14212 Sprachencharta in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der gegenwärtigen Legislaturperiode des Landtags NRW stellte ich zwei kleine Anfragen zum Niederdeutschen, die die Landesregierung unzureichend und enttäuschend beantwortete . Das Land NRW hat die europäische Sprachencharta ratifiziert. Dabei wurden nur die ersten beiden Teile ratifiziert. Weitere 19 Maßnahmen wurden freiwillig eingefügt. Die Ratifizierung des wichtigsten dritten Teils ist laut Antwort der Landesregierung vom 04.10.2016 (Landtags- Drucksache 16/12776) derzeit nicht vorgesehen. Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 5579 mit Schreiben vom 3. April 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung sowie mit dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. 1. Wann (genaues Datum) wurde die Sprachencharta in NRW ratifiziert? Die Sprachencharta wurde mit Bundesgesetz vom 9. Juli 1998 für die Bundesrepublik und auch für Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Dem Gesetz wurde im Bundesrat am 29. Mai 1998 zugestimmt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14751 2 2. Wo finden sich die Protokolle der relevanten Verhandlungen? Unterlagen zur Umsetzung der Sprachencharta befinden sich in der Staatskanzlei. 3. Bitte listen Sie auf, welche 19 Maßnahmen auf Basis welcher Überlegungen ausgewählt wurden! Die sich anschließende Auflistung orientiert sich an den Gliederungsangaben der Sprachencharta . Artikel 8 – Bildung Im Bereich der Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder dieser Sprachen und unbeschadet des Unterrichts der Amtssprache(n) des Staates: 1) 1e) iii) falls wegen der Rolle des Staates in Bezug auf Hochschuleinrichtungen die Ziffern i und ii nicht angewendet werden können, dazu zu ermutigen und/oder zuzulassen, dass an Universitäten und anderen Hochschulen Unterricht in den Regional- oder Minderheitensprachen oder Möglichkeiten zum Studium dieser Sprachen als Studienfächer angeboten werden. 2) 1g) für den Unterricht der Geschichte und Kultur, die in der Regional- oder Minderheitensprache ihren Ausdruck finden, zu sorgen. 3) 1h) für die Aus- und Weiterbildung der Lehrer1 zu sorgen, die zur Durchführung derjenigen Bestimmungen der Buchstaben a bis g erforderlich sind, welche die Vertragspartei angenommen hat. 4) 2) Im Bereich der Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien in Bezug auf andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen herkömmlicherweise gebraucht werden, Unterricht der Regional- oder Minderheitensprache oder Unterricht in dieser Sprache auf allen geeigneten Bildungsstufen zuzulassen, zu diesem Unterricht zu ermutigen oder ihn anzubieten, wenn die Zahl der Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt. Artikel 9 – Justizbehörden Die Vertragsparteien verpflichten sich, in Bezug auf diejenigen Gerichtsbezirke, in denen die Zahl der Einwohner, welche die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, die nachstehenden Maßnahmen rechtfertigt, unter Berücksichtigung der Situation jeder dieser Sprachen und unter der Bedingung, dass die Inanspruchnahme der durch diesen Absatz gebotenen Möglichkeiten nach Auffassung des Richters eine ordentliche Rechtspflege nicht behindert: 5) in zivilrechtlichen Verfahren 1b) iii) zuzulassen, dass Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt werden, wenn nötig durch Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen; 1 Bei der Auflistung der Maßnahmen handelt es sich um eine Zitierung aus der Sprachencharta. Hier wurde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch keine gendergerechte Formulierung angewandt. Im Sinne der Gleichberechtigung sind jedoch bei der Benennung von Personen im Folgenden Angehörige beider Geschlechter gemeint. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14751 3 6) in Verfahren für Verwaltungssachen 1c) iii) zuzulassen, dass Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt werden, wenn nötig durch Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen; 7) 2a) Die Vertragsparteien verpflichten sich: a) die Rechtsgültigkeit von im Inland abgefassten Rechtsurkunden nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil sie in einer Regional- oder Minderheitensprache abgefasst sind, Artikel 11 – Medien Die Vertragsparteien verpflichten sich, für die Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen in den Gebieten, in denen diese Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache und in dem Ausmaß, in dem die staatlichen Stellen in diesem Bereich unmittelbar oder mittelbar Zuständigkeit, Befugnisse oder Einfluss haben, unter Achtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit und Autonomie der Medien folgende Maßnahmen zu treffen: 8) 1d) zur Produktion und Verbreitung von Audio- und audiovisuellen Werken in den Regionaloder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; 9) 2) Die Vertragsparteien verpflichten sich, den freien direkten Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen aus Nachbarländern in einer Sprache zu gewährleisten, die in derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht wird, und die Weiterverbreitung von Hörfunk- und Fernsehsendungen aus Nachbarländern in einer solchen Sprache nicht zu behindern. Sie verpflichten sich ferner, sicherzustellen, dass die Freiheit der Meinungsäußerung und die freie Verbreitung von Informationen in den Printmedien in einer Sprache, die in derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht wird, keiner Einschränkung unterworfen werden. Da die Ausübung der erwähnten Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit , der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen In Bezug auf kulturelle Einrichtungen und Tätigkeiten – insbesondere Bibliotheken, Videotheken , Kulturzentren, Museen, Archive, Akademien, Theater und Kinos sowie literarische Werke und Filmproduktionen, volkstümliche Formen des kulturellen Ausdrucks, Festspiele und die Kulturindustrien, einschließlich unter anderem des Einsatzes neuer Technologien – verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, in dem Ausmaß, in dem die staatlichen Stellen in diesem Bereich Zuständigkeit, Befugnisse oder Einfluss haben: 10) 1a) zu den Regional- oder Minderheitensprachen eigenen Formen des Ausdrucks und der Initiative zu ermutigen sowie die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in diesen Sprachen geschaffenen Werken zu fördern; 11) 1d) sicherzustellen, dass die für die Veranstaltung oder Unterstützung kultureller Tätigkeiten verschiedener Art verantwortlichen Gremien bei den Unternehmungen, die sie ins Leben rufen oder unterstützen, in angemessener Weise dafür sorgen, dass die Kenntnis und der Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen sowie Regional- oder Minderheitenkulturen berücksichtigt werden; LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14751 4 12) 1e) Maßnahmen zu fördern, um sicherzustellen, dass die für die Veranstaltung oder Unterstützung kultureller Tätigkeiten verantwortlichen Gremien über Personal verfügen, das die betreffende Regional- oder Minderheitensprache sowie die Sprache(n) der übrigen Bevölkerung beherrscht; 13) 1f) zur unmittelbaren Mitwirkung von Vertretern der Sprecher einer bestimmten Regionaloder Minderheitensprache bei der Bereitstellung von Einrichtungen und der Planung kultureller Tätigkeiten zu ermutigen; 14) 1g) zur Schaffung eines oder mehrerer Gremien, die für die Sammlung, Aufbewahrung und Aufführung oder Veröffentlichung von in den Regional- oder Minderheitensprachen geschaffenen Werken verantwortlich sind, zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; 15) 1h) wenn nötig Übersetzungs- und Terminologieforschungsdienste zu schaffen und/oder zu fördern und zu finanzieren, insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung und Entwicklung geeigneter Terminologie in jeder Regional- oder Minderheitensprache für die Bereiche Verwaltung , Handel, Wirtschaft, Gesellschaft, Technik oder Recht. 16) 2) In Bezug auf andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen herkömmlicherweise gebraucht werden, verpflichten sich die Vertragsparteien, wenn die Zahl der Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt, geeignete kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen in Übereinstimmung mit Absatz 1 zuzulassen, dazu zu ermutigen und/oder sie vorzusehen. Artikel 13 – Wirtschaftliches und soziales Leben In Bezug auf wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten verpflichten sich die Vertragsparteien, im ganzen Land: 17) 1a) aus ihrem Recht jede Bestimmung zu entfernen, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen in Urkunden betreffend das wirtschaftliche oder soziale Leben, insbesondere Arbeitsverträge, sowie in technischen Schriftstücken wie Gebrauchsanweisungen für Erzeugnisse oder Anlagen ungerechtfertigt verbietet oder einschränkt; 18) 1c) Praktiken entgegenzutreten, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder sozialen Tätigkeiten behindern sollen; 19) 1d) den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen durch andere als die unter den Buchstaben a bis c genannten Mittel zu erleichtern und/oder dazu zu ermutigen. Die vorgenannten Maßnahmen wurden ausgewählt, da sie durch Nordrhein-Westfalen seinerzeit bereits erfüllt waren. Veröffentlicht ist das Gesetz im Bundesgesetzblatt, Teil II Nr. 25, ausgegeben zu Bonn am 16. Juli 1998. 4. Bitte listen Sie die Umsetzung dieser Maßnahmen auf! Schon Ende der 90er Jahre hat die Staatskanzlei in einem internen Papier festgestellt, dass alle Maßnahmen bereits umgesetzt wurden oder umgesetzt werden können, sofern ein Bedarf dafür angemeldet wird.