LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14754 04.04.2017 Datum des Originals: 03.04.2017/Ausgegeben: 07.04.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5676 vom 7. März 2017 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/14428 Verzögerung der Einsatzleitstellenmodernisierung im Polizeipräsidium Essen – Wann sind nun die bereits für das Jahr 2015 angekündigten Modernisierungsarbeiten endlich tatsächlich abgeschlossen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Leitstelle der Polizei im Polizeipräsidium Essen koordiniert die Einsatzplanung der Polizei in den beiden Großstädten Essen und Mülheim mitten in der Metropolregion Ruhrgebiet. Die Beamten in der Leitstelle sind dabei die ersten Ansprechpartner bei Notrufen, die Bürger im Falle eines Überfalls, Einbruchs, Unfalls oder vergleichbarer Notsituationen absetzen. Die Meldungen werden – sofern sie denn entgegengenommen werden – geprüft, bearbeitet und erforderlichenfalls an zuständige Stellen weitergegeben. Im Einsatzgeschehen übernimmt die Leitstelle die Koordination der Einsatz- und Unterstützungskräfte. In Zeiten, in denen auch und insbesondere im Ballungsraum Ruhr die Anforderungen an die Polizei durch enorme innenpolitische Herausforderungen wie beträchtliche Einbruchszahlen, Extremismus, terroristische Bedrohung, gewalttätige Familienclans und nicht zuletzt durch die Flüchtlingskrise immer weiter steigen, ist eine Leitstellentechnik auf einem technisch zeitgemäßem Niveau unbedingt angeraten. Dies hat auch die Landesregierung bereits vor einigen Jahren erkannt und ein Modernisierungsvorhaben gestartet. Die Erneuerung der Leitstellentechnik konnte aber im Polizeipräsidium Essen offenkundig bislang nicht realisiert werden, wie die Landesregierung nun öffentlich bekanntgegeben hat (vgl. LT-DS 16/14335). Bereits im September 2013 wurde dem Fragesteller seitens des Landes im Rahmen einer Anfrage zu verlorengegangenen Notrufen im Polizeipräsidium Essen (LT-DS 16/4129) klar mitgeteilt, dass nähere Angaben zur Anzahl verlorengegangener Anrufe bei der Polizei in Essen und Mülheim nicht getätigt werden können. Zur Entgegennahme von Notrufen in der Essener Leitstelle würden neun Annahmeplätze zur Verfügung stehen und grundsätzlich damit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14754 2 genügend Leitungskapazitäten vorhanden sein. Eine Auswertung des Geschehens bei Notrufen sei jedoch anders als in anderen Präsidien nicht möglich. Die Leitstelle würde zum damaligen Zeitpunkt jedoch modernisiert, was bis Dezember 2015 abgeschlossen sei. Bei der erneuten Befassung mit dieser Problematik Anfang 2017 wurde jetzt seitens der Landesregierung am 1. März 2017 geantwortet, dass immer noch keinerlei Angaben über die Anzahl von ins Leere gelaufenen Notrufen gemacht werden können, da die angekündigten Modernisierungsmaßnahmen der Leitstelle der KPB Essen bislang leider immer noch nicht abgeschlossen seien (LT-DS 16/14335). Anders als in verschiedenen anderen Polizeibehörden ist es somit bis heute nicht möglich, die Notrufsituation für Essen und Mülheim transparent nachzuvollziehen. Man kann lediglich auf Grundlage von Analysen aus anderen Großstädten entsprechende Annahmen tätigen: Rund 10 Prozent der Notrufe in den Städten Köln und Düsseldorf sind beispielsweise in den letzten Jahren verlorengegangen. Dies geht aus offiziellen Zahlen des Innenministeriums hervor. Legt man also die seitens des Landes aktuell veröffentlichte Zahl von eingegangenen 233.742 Notrufen in der Leitstelle im PP Essen für 2016 zugrunde, kommt man bei analog angenommenen 10 Prozent Notrufverlusten auf immerhin über 23.000 verlorengegangene Notrufe – differenziert nach Städten wären dies für Essen fast 19.000 verlorenen Notrufe und für Mülheim über 4.400. Vor diesem Hintergrund und der laut Planung der Landesregierung seit Ende 2015 längst abgeschlossenen Modernisierung der Leitstellentechnik im Polizeipräsidium Essen ist es für das Parlament von Interesse, zu diesem unerfreulichen Sachverhalt nun die Hintergründe und detailliertere Informationen zu erfahren. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5676 mit Schreiben vom 3. April 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Zuge der Umsetzung des Projektes zur Modernisierung und Vereinheitlichung der Leitstellen der Polizei NRW (MVL) ist der vollständige Austausch der Leitstellentechnik bei der Polizei NRW vorgesehen. Zukünftig werden die erforderlichen technischen Ressourcen nicht mehr über 50 leitstellenspezifische Einzellösungen, sondern über ein auf fünf Technikstandorte verteiltes hochredundantes zentrales Gesamtsystem anforderungsgerecht in den polizeilichen Leitstellen in NRW bereitgestellt. Hierdurch werden maximale Synergien, insbesondere hinsichtlich einer Fehlerbehebung und zur Begegnung des technologischen Fortschritts geschaffen , da erforderliche Maßnahmen nur noch an fünf statt an 50 Technikstandorten zu realisieren sind. Das Vergabeverfahren für MVL erfolgte im Jahr 2009; der Vertragsabschluss mit dem Auftragnehmer im Jahr 2010. Durch einen beim Auftragnehmer zu verantwortenden Verzug bei der Umsetzung des Projektes konnte der vorgesehene Austausch der teilweise länger als 10 Jahre betriebenen Leitstellentechnik noch nicht abgeschlossen werden. Der fortgesetzte Betrieb der Bestandstechnik ist bis zum vorgesehenen Projektabschluss in den Leitstellen erforderlich (s.a. LT-Drs. 16/13871). Eine der beiden Pilotbehörden für das landesweite Projekt MVL ist das PP Essen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14754 3 1. Welche einzelnen Modernisierungsmaßnahmen sind seit Beginn der Modernisierung der Einsatzleitstelle in der KPB Essen bis heute, bitte jeweils unter Angabe des Zeitpunktes, konkret realisiert worden? Die Notrufabfrageanlage des PP Essen wurde in den Jahren 2014/2015 durch eine neue Technik ersetzt. Hierbei handelt es sich um eine Übergangslösung, die eine statistische Auswertung der sogenannten verlorengegangenen Notrufe 110 noch nicht ermöglicht. An dem eigentlichen Zielsystem wird weiter gearbeitet. Des Weiteren wurde die Leitstelle des PP Essen im Jahr 2015 an den BOS-Digitalfunk angebunden . Der Analogfunk konnte Zug um Zug außer Betrieb genommen werden. Die softwarebasierte Übergangslösung in der Version Norumat TIP 4.1 ist implementiert worden und läuft seit Dezember 2015 stabil; die landesweite serverbasierte Lösung wird voraussichtlich frühestens Ende des Jahres 2017 fertiggestellt und landesweit ausgerollt werden. 2. Aus welchen einzelnen Gründen ist es jeweils zu den erheblichen Verzögerungen bei dem Modernisierungsprojekt gekommen, das ursprünglich Ende 2015 abgeschlossen sein sollte? Der Umfang und die Komplexität einer landesweit einheitlichen, vernetzten und mit automatisierten Redundanzmechanismen versehenen Leitstellentechnik sind sehr herausfordernd und entwicklungsintensiv. Parallel zum Zielsystem musste eine separate Lösung für die Anbindung des Digitalfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS Digitalfunk) entwickelt und in Betrieb genommen werden. In diesen Zeitraum fiel auch eine gravierende Veränderung der Anbindung des (damals noch erforderlichen) Analogfunks durch technische Umstellungen auf Seiten der Telekom. Hierfür waren ebenfalls parallel Entwicklungs- und Realisierungsaufwände erforderlich, wodurch die Entwicklung des Zielsystems beeinflusst wurde. 3. Welche Kosten sind bislang im Zuge des Modernisierungsprojektes, differenziert nach einzelnen Maßnahmen und Zeitpunkten, entstanden bzw. werden bis zur endgültigen Fertigstellung des Modernisierungsvorhabens noch erwartet? Das Projekt MVL wirkt sich auf die Leitstellen aller Kreispolizeibehörden in NRW, die Landesleitstelle des LZPD NRW, den Lagedienst des LKA NRW sowie das Lagezentrum des MIK NRW aus. Insofern sind für das PP Essen keine gesonderten Kosten angefallen. 4. In welchen einzelnen Feldern ergeben sich Verbesserungen durch die Modernisierung der Leitstellentechnik im PP Essen? Die Qualität des BOS Digitalfunks wird durch eine Leitungsanbindung an die Vermittlungsstellen des BOS Digitalfunks verbessert. Durch Redundanzmechanismen und eine vernetzte Systemarchitektur wird die Verfügbarkeit und Qualität der Leitstellentechnik der Polizei NRW (z.B. Notruf 110) landesweit erhöht. Die vernetzte Systemarchitektur erlaubt den Polizeibehörden ein flexibleres Reagieren auf kritische technische Ausfälle. Bei Störungen/Angriffen auf die Leitstellentechnik wird das Notfallmanagement erleichtert. Negative Auswirkungen für die Funktionsfähigkeit der Leitstellen der Polizei NRW, durch technische Probleme oder Angriffe von außen, werden minimiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14754 4 Zukünftig soll bei Überlasten (z.B. beim Notruf 110) durch proaktive organisatorische Maßnahmen kritischen Situationen begegnet werden können. Zum Beispiel können weitere polizeiliche Leitstellen in NRW in die Notrufabfrage und -bearbeitung einer überlasteten Leitstelle eingebunden werden. 5. Zu welchem Zeitpunkt wird die Landesregierung erstmals endlich in der Lage sein, auch für das PP Essen detaillierte Informationen über Anzahl und Struktur verlorengegangener Notrufe zu veröffentlichen, wie das für etliche andere Kreispolizeibehörden seit Jahren längst möglich ist? Das PP Essen ist eine Pilotbehörde für die neue angestrebte landesweit einheitliche Leitstellentechnik . Ein Leistungsmerkmal dieser Technik ist die statistische Auswertung der sogenannten verlorengegangenen Notrufe 110. Mit Inbetriebnahme der angestrebten Leitstellentechnik ist das Leistungsmerkmal für das PP Essen verfügbar.