LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1481 20.11.2012 Datum des Originals: 20.11.2012/Ausgegeben: 26.11.2012 (23.11.2012) Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 488 vom 25. September 2012 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/965 HET-Säure im Boden- und Trinkwasser der Stadt Köln durch den Austrag aus der Melia -Deponie in Köln-Rondorf Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 488 mit Schreiben vom 20. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Melia-Deponie ist in der Zeit von 1951 bis 1969 offenbar nicht nur als Deponie für Bauschutt , Erdaushub und Straßenbruch genutzt worden, sondern auch zum Entsorgen von Hausmüll und toxischem Industrieabfall. Das hatte zur Folge, dass das Grundwasser in der Deponieumgebung und Trinkwasserbrunnen des nahgelegenen Wasserwerks Hochkirchen mit etlichen (u. a. hoch toxischen) Schadstoffen belastet werden. Zu den letzten gehört auch die HET – Säure (Hexachlor Endomethylen Tetrahydrophthalsäure), die grundsätzlich sehr problematisch ist und von der IARC in die Gruppe 2B (möglicherweise karzinogen für den Menschen) eingestuft wurde. Der Versorgungsanteil des Wasserwerks Hochkirchen an der Trinkwasserversorgung des linkrheinischen Köln beträgt etwa 40%. Zusätzlich werden Nachbarkommunen von diesem Wasserwerk versorgt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1481 2 1. Zur abschließenden Beurteilung im Hinblick auf die künftig notwendige Deponiesanierung ist eine lückenlose Kontrolle und Dokumentation der Boden- und Trinkwasserbelastungen durch o.g. Schadstoffe zwingend erforderlich. Welche Analysenergebnisse ergeben sich aus den Grundwasser- und Trinkwasserproben bezogen auf die Jahre 2009 bis 2012, insbesondere die der HET-SäureWerte ? Wir bitten um eine Zusammenstellung sämtlicher Untersuchungsergebnisse im Zu- und Abstrom der Melia-Deponie sowie in den Trinkwasserbrunnen des Wasserwerks Hochkirchen. Die Stadt Köln hat mit Bericht vom 10.10.2012 zu den Untersuchungsergebnissen wie folgt Stellung genommen: Untersuchungsergebnisse im Zu- und Abstrom der Melia-Deponie: Für die Jahre 2009 und 2010 liegen keine Grundwasseruntersuchungsergebnisse im Anund Abstrom der Deponie vor. Im Januar 2011 wurden Grundwasseruntersuchungen an ausgewählten Messstellen durchgeführt. Die Ergebnisse (s. Anlage 1) zeigen in den Messstellen Austräge von bis zu 32 µg/l im zentralen Abstrom der Melia-Deponie (die Messstelle GWMS 30/1 ist eine Anstrommessstelle, die Messstellen GWMS 3/1, 1782, 1783 und 1866 sind Abstrommessstellen). Die Untersuchungen belegen, dass seit Beginn der Überwachung eine nahezu konstante Quellstärke mit leicht sinkender Tendenz anzutreffen ist. Seit Juni 2011 führt ein Investor halbjährliche Grundwasseruntersuchungen im An- und Abstrom der Melia-Deponie durch. Art und Umfang der Untersuchungen richten sich nach der Technischen Regel für die Überwachung von Grund-, Sicker- und Oberflächenwasser sowie oberirdischer Gewässer bei Abfallentsorgungsanlagen WÜ 98, Teil 1: Deponien. Die Ergebnisse der Grundwasseruntersuchungen aus 2011 sind als Anlage 2 und 3 beigefügt . Die Ergebnisse aus dem 1. Halbjahr 2012 liegen derzeit noch nicht vor. Die Grundwassermesswerte zur Deponieüberwachung sind im Informationssystem ADDIS verzeichnet. Nach Prüfung der Daten und Freigabe durch die zuständige Behörde - im Fall der Melia-Deponie ist das die Stadt Köln - stehen diese Daten im Internet auf der Internetseite des Landesamtes für Natur, Umwelt und Vebraucherschutz jedem zur Verfügung. Untersuchungsergebnisse in den Trinkwasserbrunnen des Wasserwerks Hochkirchen: Das Trinkwasser wird in den Wasserwerken Hochkirchen und Severin regelmäßig monatlich und an zwei unterschiedlichen Netzprobenstellen vierteljährlich auf den Parameter HETSäure untersucht. In dem Zeitraum 2009 bis 2012 wurde die Nachweisgrenze von 0,03µg/l überwiegend unterschritten. Nur in insgesamt 4 Proben wurde HET-Säure in einer Konzentration entsprechend der Nachweisgrenze von 0,03 µg/l nachgewiesen. Wasserwerk Hochkirchen Wasserwerk Severin Netzprobenstelle Hochkirchen Netzprobenstelle Severin Gesamtzahl der Proben 66 61 16 16 Anzahl mit einer Konzentration von 0,03 µg/l 1 2 1 0 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1481 3 2. Welche Maßnahmen sind bezüglich der Reinigung des durch die o.g. Schadstoffe , insbesondere HET-Säure, kontaminierten Grund- und Trinkwassers bisher getroffen worden? Zur Reinigung des kontaminierten Grundwassers wurden in 2008/2009 Laborversuche durchgeführt. Die Versuche zeigen eine maximale Abreinigung des HET belasteten Grundwassers bei der UV-Behandlung mit Zugabe von Wasserstoffperoxid als Oxidationshilfsmittel . Aufbauend auf diesen Laborversuchen wurden zur Überprüfung der technischen Machbarkeit in 2011 weitergehende Vor-Ort-Untersuchungen mit Standortwässern durchgeführt. Die Versuche haben ergeben, dass eine wirksame Abreinigung über eine mit Adsorberharzen gefüllte Filteranlage technisch möglich ist. Der Nachweis der nahezu vollständigen HET-Abreinigung des Grundwassers wurde in einem Langzeitversuch geführt. Im Rahmen des Langzeitversuches wurde eine Abreinigung der belasteten Grundwässer bis auf < 0,1 µg/l, d.h. unterhalb der Bestimmungsgrenze erzielt . Da das Trinkwasser nicht kontaminiert ist, sind weitergehende Maßnahmen zur Aufbereitung des Trinkwassers und zum Schutz der Bevölkerung nicht notwendig. 3. Welche HET-Säure-Höchstwerte wurden für die Trinkwasserversorgung der Stadt Köln in der Vergangenheit und werden zukünftig festgelegt? Anfang 2004 informierte die RheinEnergie AG als örtliches Wasserversorgungsunternehmen das Gesundheitsamt der Stadt Köln über den Nachweis von HET-Säure im Roh- und Trinkwasser des Wasserwerks Hochkirchen. Die Gehalte im Trinkwasser betrugen ca. 0,07 µg/l. Da für HET-Säure in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) kein Grenzwert festgesetzt ist, legte das Gesundheitsamt in Anlehnung an die Empfehlung des Umweltbundesamtes „Bewertung der Anwesenheit teil- oder nicht bewertbarer Stoffe im Trinkwasser aus gesundheitlicher Sicht“ einen vorläufigen Höchstwert von 0,1 µg/l fest. Dieser Wert entspricht dem niedrigsten gesundheitlichen Orientierungswert (GOW) in Höhe von GOW = 0,1 µg/l der Empfehlung. Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit war nach damaligem Kenntnisstand (und auch nach heutigem – s.u.) nicht zu besorgen. Dem Wasserversorgungsunternehmen wurde bis auf weiteres gestattet, die Wasserwerke Hochkirchen und Severin weiter zu betreiben. Ihm wurde zudem aufgegeben, das geförderte Wasser regelmäßig auf HET-Säure zu untersuchen. Gleichzeitig wurde das Umweltbundesamt um eine toxikologische Bewertung der HET-Säure gebeten. Dieses teilt mit Schreiben vom 29.06.2004 mit, dass sich der gesundheitlichen Orientierungswert auch auf HET-Säure anwenden lässt. Anfang 2005 wurde die Problematik in der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit bewertet. Diese kam zu dem Schluss, dass für die langfristige Abgabe von Trinkwasser aus gesundheitlicher Sicht für die Summe der HET- und PET-Säure ein Höchstwert von 0,1 µg/l lebenslang duldbar sei. Zu weiteren Beurteilungen wurden 2005 weitere Untersuchungen von Extrakten auf ein gentoxisches Potenzial des mit HET-Säure und den Abbauprodukten belasteten Grundwassers beim Umweltbundesamt durchgeführt. Die Extrakte weisen kein gentoxisches Potenzial auf. Daraus wurde geschlossen, dass die Extrakte auch kein mutagenes Potenzial in Keimzellen besitzen. Daher empfahl das Umweltbundesamt in seinem Schreiben vom 06.12.2005 für eine dauerhafte Abgabe einen Höchstwert von 1,0 µg/l als Summe der HET-Säure und dem Abbauprodukt “PET-Säure“. Dieser Wert entspricht einem lebenslang gesundheitlich duldbaren Höchstwert und stellt damit bei Einhaltung keine Gefährdung für die Gesundheit der Nutzer dar. Dieser Empfehlung folgend legte das Gesundheitsamt für das aus den Wasserwerken LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1481 4 Hochkirchen und Severin abgegebene Trinkwasser eine maximal zulässige Grenzkonzentration von 1,0 µg/l für die Summe der HET-Säure und ihren Abbauprodukten fest. Dieser Wert gilt bis auf weiteres. 4. Welche Gefahr existiert, dass die Trink- und Bodenwasserbelastungen in der Stadt Köln und anderen Kommunen in NRW durch Schadstoffaustrag aus der Melia-Deponie weiter steigen werden? Derzeit findet ein Schadstoffaustrag in Richtung des Wasserwerks Hochkirchen statt. Auf Grund der hydrogeologischen Verhältnisse sind aber andere Kommunen nicht betroffen. Nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung dürfte ein weiterer Austrag von HET-Säure nicht mehr stattfinden. Eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung ist derzeit nicht zu besorgen, da HET-Säure im Trinkwasser nicht oder nur in Spuren nachgewiesen wird.