LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14894 20.04.2017 Datum des Originals: 20.04.2017/Ausgegeben: 25.04.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5710 vom 16. März 2017 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/14533 Betreiberwechsel von Flüchtlingseinrichtungen – Wie hat die Landesregierung die Vergabeverfahren im Sinne der Beschäftigten weiterentwickelt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zweieinhalb Jahre lang waren die Johanniter für den Betrieb in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes (sog. „Hellweg-Klinik“) in Oerlinghausen zuständig. Nach einer europaweiten Ausschreibung bekam das Deutsche Rote Kreuz (DRK) den Zuschlag. In Oerlinghausen, aber wohl auch in weiteren Einrichtungen, kam es durch einen Betreiberwechsel einer Landeseinrichtung dazu, dass die bisherigen Mitarbeiter vom neuen Betreiber nicht weiterbeschäftigt werden oder zu veränderten Konditionen. Davon unabhängig hat Verdi bereits Ende 2015 das nordrhein-westfälische Innenministerium darauf aufmerksam gemacht, dass die DRK Tochtergesellschaft DRK Betreuungsdienste Westfalen-Lippe gGmbH in Form von einzelvertraglichen Vereinbarungen den Tarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe anwendet, obwohl die Angestellten in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt werden. Im Durchschnitt beträgt der Unterschied je Beschäftigten bis zu 500 Euro im Monat. Das Innenministerium habe lt. Verdi daraufhin zugesagt, die Leistungsbeschreibung für die Vergabeverfahren im Bereich der Flüchtlingsunterbringung „weiterzuentwickeln “. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5710 mit Schreiben vom 20. April 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14894 2 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass für Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen des Landes aufgrund von einzelvertraglichen Vereinbarungen der niedrigere Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättenrecht angewendet wird? Dies ist als regionales Problem bekannt. Die Landesregierung schöpft das geltende Recht aus, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesunterbringungseinrichtungen eine leistungsangemessene Vergütung erhalten. Nach dem nordrhein-westfälischen Tariftreueund Vergabegesetz besteht die Verpflichtung, im Vergabeverfahren die Einhaltung des einschlägigen für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages zu fordern. In den Fällen, in denen kein für allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (wie beispielsweise für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter), kann - nur - die Zahlung eines gesetzlich verankerten Mindestlohns gefordert werden. In diesen Fällen wird sowohl die Zahlung des allgemeinen Mindestlohns nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz ) sowie die Zahlung des sog. vergabespezifischen Mindestlohns im Sinne des Tariftreue - und Vergabegesetzes NRW gefordert. Diese Anforderungen wurden in die Vergabeunterlagen für das in 2016 durchgeführte Vergabeverfahren (sogenannte erste Staffel) aufgenommen und sind auch in den Vergabeunterlagen für das aktuelle Vergabeverfahren (sogenannte zweite Staffel) enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es mit Blick auf das Gebot der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und im Hinblick auf die Bestimmungen der europäischen Entsenderichtlinie darüber hinaus für einen öffentlichen Auftraggeber nicht möglich, die Einhaltung einer tarifspezifischen Lohnuntergrenze in einem Vergabeverfahren zu verlangen. Vor dem Hintergrund dieses engen vergaberechtlichen Rahmens, aber auch angesichts der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie, sieht die Landesregierung keine Möglichkeit , im Rahmen der Vergabe von Betreuungsdienstleistungen in den Unterbringungseinrichtungen des Landes vorzugeben, welche Tarifverträge einschlägig sind, bzw. für einzelne Beschäftigtengruppen ein Entgelt nach den Bedingungen eines bestimmten Tarifvertrages zu fordern. Um dennoch dem nachvollziehbaren Anliegen Rechnung zu tragen, eine nicht leistungsgerechte Entlohnung der vom Auftragnehmer eingesetzten Kräfte zu verhindern, wurden in die aktuelle Leistungsbeschreibung im Rahmen der sogenannten zweiten Vergabestaffel Tätigkeitmerkmale für die entsprechenden (sozial-)pädagogischen Fachkräfte aufgenommen und die geforderte Qualität des Personals konkretisiert. Gegenüber dem Bieter wird zum Ausdruck gebracht, dass vom Auftraggeber die Berücksichtigung einer leistungsgerechten Vergütung in der Angebotskalkulation begrüßt wird. Den Betreuungsdienstleistern, die im Rahmen der sogenannten ersten Vergabestaffel den Zuschlag erhielten, haben die Bezirksregierungen empfohlen, das in den Landeseinrichtungen eingesetzte (sozial-) pädagogische Fachpersonal seiner jeweiligen Ausbildung entsprechend zu vergüten bzw. zu entlohnen. Die Vereinbarung der Höhe des Gehaltes liegt jedoch allein im Bereich des Betreuungsdienstleisters und dessen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zum beschriebenen Rechtsrahmen und den sich daraus ergebenden Grenzen einer Einflussnahme des Landes als Auftraggeber auf die Höhe der Entgelte der Beschäftigten der Betreuungsdienstleister als Auftragnehmer hat zwischenzeitlich ein Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaft ver.di und der Landesregierung stattgefunden. Einigkeit bestand darin, dass sogenanntes Lohndumping nicht akzeptabel ist und die rechtlichen Möglichkeiten zur Sicherung einer leistungsangemessenen Vergütung auszuschöpfen sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14894 3 2. Wie stellen sich die Leistungsbeschreibungen im Vergabeverfahren für Betreiber von Landesaufnahmeeinrichtungen in Bezug auf die Beschreibung der Tätigkeit der Mitarbeiter dar? Es wird auf die im Vergabemarktplatz NRW eingestellten Unterlagen verwiesen. https://www.evergabe.nrw.de/VMPSatellite/public/company/project/48291/de/overview?0 3. Fand seit Ende 2015 eine Veränderung bzw. Nachbesserung in Bezug auf die Tätigkeitsbeschreibung der Mitarbeiter in Landesaufnahmeeinrichtungen statt? Ja. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Wurden die Vergaberichtlinien dahingehend geändert, dass sie nun eine Leistungsbeschreibung der Tätigkeiten der Angestellten beinhalten, aus der hervorgeht , dass der TVöD o.ä. einschlägig ist? Die Frage wird so verstanden, dass mit „Vergaberichtlinien“ die im aktuell laufenden Vergabeverfahren maßgebliche Leistungsbeschreibung einschließlich aller zugehörigen Unterlagen gemeint ist. Zu den insoweit festgelegten Anforderungen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 5. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf zum Schutz und im Sinne der Betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zur Schaffung von Klarheit für etwaig interessierte Betreiber? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen.