LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14962 25.04.2017 Datum des Originals: 25.04.2017/Ausgegeben: 28.04.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5785 vom 28. März 2017 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/14644 Müllentsorgung von Münster in die Niederlande - Unzulässiger Mülltourismus auf Kosten der Gebührenzahler? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Mitteilung der Abfallwirtschaftsbetriebe Münster (AWM) arbeiten diese seit Januar 2017 bei der Restabfallverwertung mit der niederländischen Twence Holding B.V. zusammen. Der in Münster anfallende Hausmüll wird weiterhin in der MBRA in Münster-Coerde mechanisch aufbereitet und dabei in geringem Umfang in Abfallfraktionen wie Metalle, Papier, Holz und Kunststoffe separiert. Seit diesem Jahr soll der vorsortierte Restabfall (rund 50.000-60.000 t im Jahr) nicht mehr in nordrhein-westfälischen Anlagen wie z.B. Oberhausen oder Essen-Karnap energetisch verwertet , also verbrannt, werden, sondern in der nur wenige Kilometer näher liegenden Müllverbrennungsanlage von Twence in Hengelo. Auffällig ist an dem Vorgang einerseits, dass die Neuorganisation laut Branchenangaben teurer als die bisherige Form der Entsorgung sein könnte. Mehrkosten von ca. 3 Mio. Euro im Jahr (bei vergleichbaren Anlagen liegen Behandlungskosten bei ca. 50 Euro/t), die von den Gebührenzahlern zu tragen wären, stehen im Raum. Andererseits ist bemerkenswert, dass der von der rot-grünen Landesregierung geänderte Abfallwirtschaftsplan der Restmüllentsorgung auch im grenznahen europäischen Ausland entgegensteht. Danach sind Siedlungsabfälle (Abfallschlüsselnummer 20 03 01), die in Nordrhein-Westfalen anfallen, im Land selbst zu entsorgen. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht der Abfallwirtschaftsplan sogar verbindliche Zuweisungen an bestimmte Entsorgungsregionen vor. Möglich ist dieses Vorgehen offenbar, da die Abfälle nach der Vorsortierung seitens der AWM als Abfälle aus der mechanischen Behandlung von Abfällen (Abfallschlüsselnummer 19 12 12) deklariert werden und damit rechtlich praktisch zu „Wertstoffen“ und in der Folge zu verwertungsfähigen Waren umgewidmet werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14962 2 Angesichts des Umstandes, dass allerdings auch die zuvor vom Siedlungsmüll separierten Fraktionen Papier, Kunststoffe und Holz letztlich auch (nur) energetisch verwertet werden, im Endeffekt also der Müll nicht anders behandelt wird, als wenn die Vorsortierung unterbliebe (der Metallanteil beträgt lediglich ca. 3%), stellt sich jedoch die Frage, ob das Vorgehen der AWM nicht nur formal, sondern auch inhaltlich nach dem Abfallwirtschaftsplan zulässig ist. Sollte dieses Beispiel Schule machen, bestünde zudem die Gefahr, dass die dirigistischen Vorgaben des Abfallwirtschaftsplans flächendeckend unterlaufen werden könnten. Dies ginge zum Nachteil der regelkonform handelnden Kommunen. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5785 mit Schreiben vom 25. April 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Bis zum Ende des Jahres 2016 wurde der Hausmüll der Stadt Münster in einer mechanischbiologischen Restabfall-Behandlungsanlage (MBRA) mit einer Kapazität von 100.000 t/a zunächst mechanisch aufbereitet und anschließend einer zwei-stufigen biologischen Behandlung (Vergärung und Rotte) unterzogen. Der Output der MBRA wurde auf der Zentraldeponie Münster II deponiert. Seit dem 01.01.2017 wird der behandlungsbedürftige Restmüll nur noch mechanisch aufbereitet . Bei der Zerkleinerung und mehrstufigen Siebung der Restabfälle werden insbesondere noch enthaltene heizwertreiche Fraktionen (Altholz, PPK, Kunststoffe) und Metalle aussortiert, die einer stofflichen bzw. hochwertigen energetischen Verwertung zugeführt werden. Nach einem Bericht der Bezirksregierung Münster kommt hierfür eine komplexe technische Anlage zum Einsatz, der Anteil der aussortierten Wertstoffe liegt bei mehr als 40 % der Inputmasse. Der verbleibende Restmüll wird einer Müllverbrennungsanlage in den Niederlanden zugeführt. Der nicht mehr benötigte biologische Anlagenteil der MBRA wird für die Behandlung der getrennt erfassten Bio- und Grünabfälle genutzt. Die Umstellung erfolgte nach Einschätzung der Bezirksregierung Münster insbesondere aus Wirtschaftlichkeitserwägungen und weil die seit 20 Jahren betriebene Nass-Vergärungsanlage technisch veraltet war. Im September 2016 schrieben die Abfallwirtschaftsbetriebe Münster (AWM) die Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen in einem offenen Verfahren für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 aus. Der Vertrag verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn er nicht spätestens bis zum 30.06.2017 gekündigt wird. Die Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster hat im Rahmen eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit Beschluss vom 31. Januar 2017 (26 VK 1 - 49/16) festgestellt, dass der tatsächliche preisliche Abstand zwischen den Angeboten der niederländischen Anlage und der unterlegenen Wettbewerberin mit Sitz in NRW zu einzelnen Mengenlosen mehrheitlich bei über 10 % bzw. über 20 % lag. Bei der Bearbeitung der Notifizierung der behandelten Restabfälle der Stadt Münster hat die Bezirksregierung Münster den zwischengeschalteten Sortier- und Klassierschritt bei den AWM intensiv geprüft und im Hinblick auf seine (Hoch)wertigkeit bewertet. Die Bezirksregierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14962 3 kommt zu der Bewertung, dass es sich um ein aufwändiges Verfahren zur mechanischen Behandlung des ursprünglichen Restabfalles handelt, bei dem sowohl Wert- als auch Störstoffe erkannt und entnommen werden. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die rechtliche Zulässigkeit der Abfallverbringung vorsortierter Siedlungsabfälle in die Niederlande durch die AWM? 2. Inwiefern werden die Ziele des Abfallwirtschaftsplans dadurch in Frage gestellt? 3. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Vorgaben des Abfallwirtschaftsplans flächendeckend eingehalten werden? Die Fragen 1-3 werden zusammen beantwortet. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Vorgaben des Abfallwirtschaftsplans nicht eingehalten werden, so dass die aufgestellten Ziele nicht in Frage gestellt werden. Die Vorgehensweise der Abfallwirtschaftsbetriebe Münster bewegt sich im Bereich des derzeit rechtlich möglichen Rahmens. 4. Zu welcher zusätzlichen Kostenbelastung oder -entlastung führt die Abfallverbringung in die Niederlande für die Gebührenzahler in Münster durch die Umwandlung von Hausmüll (20 03 01) in formalen Wertstoff (19 12 12)? Auf Grund der Ausschreibung in einem wettbewerblichen Verfahren kann davon ausgegangen werden, dass das (auch für die Gebührenzahler und Gebührenzahlerinnen) preisgünstigste Angebot den Zuschlag erhalten hat. 5. Welche Auswirkungen auf die Kapazitätsauslastung nordrhein-westfälischer Müllverbrennungsanlagen sind zu erwarten, wenn das Vorgehen der AWM Nachahmer findet? Die Landesregierung geht derzeit nicht davon aus, dass das Vorgehen der AWM Nachahmer findet.