LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14979 02.05.2017 Datum des Originals: 28.04.2017/Ausgegeben: 05.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5806 vom 29. März 2017 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/14719 Exporte von Brennelementen aus Lingen und angereichertem Uran aus Gronau für Pannenreaktoren Tihange und Doel in Belgien Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vorbemerkung: Am 28. März 2017 berichteten zahlreiche Medien, dass aus der Brennelementefabrik in Lingen seit Kurzem erstmals auch Brennelemente zum belgischen Pannenreaktor Tihange 2 geliefert werden. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass auch die sicherheitstechnisch ebenfalls umstrittenen Reaktoren Doel 1, Doel 2 und Doel 3 bei Antwerpen von Lingen aus mit frischen Brennelementen versorgt werden. Die Brennelementefabrik Lingen wird von der Areva-Tochter ANF betrieben. Im letzten Jahr hatte zudem der Geschäftsführer der Urananreicherungsfirma Urenco Deutschland in Gronau, Dr. Joachim Ohnemus, in der WDR-Sendung Westpol offen zugegeben, dass der Urananreicherer Urenco auch Synatom, die Tochter der belgischen AKW-Betreiber Electrabel, mit angereichertem Uran zur Brennelementefertigung beliefere. Ebenfalls am 28. März 2017 hat die Landesregierung in Düsseldorf beschlossen, der Zivilklage gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 beizutreten. Umweltminister Johannes Remmel bezeichnet Tihange 2 und Doel 3 aufgrund der vielen Sicherheitsprobleme regelmäßig als "Bröckel-Reaktoren". In den Medien forderte Remmel deshalb ein Ende der Exporte von Kernbrennstoffen nach Belgien. Vertreter der Städteregion Aachen bezeichneten diese Exporte in den Medien als "inakzeptabel". Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, deren Wahlkreis in Kleve in NRW liegt, hingegen hat zwar in 2016 mehrfach die – zumindest vorübergehende – Stilllegung von Tihange 2 und Doel 3 öffentlich gefordert, zeitgleich aber die Bewilligung für die Belieferung dieser beiden Reaktoren mit Brennelementen aus Lingen passieren lassen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14979 2 Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 5806 mit Schreiben vom 28. April 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welchen aktuellen Kenntnisstand hat die Landesregierung zu den Brennelementelieferungen aus Lingen sowie zum Export von angereichertem Uran aus Gronau für die Atomkraftwerke Doel und Tihange in Belgien? Es wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 4615 (Drucksache 16/11875) verwiesen. 2. Wieviele der Brennelementtransporte von Lingen nach Doel und Tihange in 2016 und 2017 haben NRW passiert (bitte aufschlüsseln nach Datum, Transportträger (LKW / Bahn), Anzahl der jeweils transportierten Brennelemente, Bestimmungsort (jeweiliger Reaktorblock in Belgien), jeweilige Transportstrecke in NRW, etwaige Vorkommnisse oder Ergebnisse von Kontrollen in NRW)? Von Transporten mit radioaktiven Stoffen, die Nordrhein-Westfalen durchqueren - sogenannte Transittransporte -, erhält das Lagezentrum der Landesregierung nur Kenntnis, wenn die für die Erteilung der Genehmigung zur Beförderung zuständige Behörde eine sog. "48-Stunden Meldung" in der Beförderungsgenehmigung als Nebenbestimmung (gem. § 17 Atomgesetz) verlangt. Die konkret angefragten Daten (wie z. B. Fahrtstrecke oder Start- bzw. Zielort) zu solchen mit „48-Stunden Meldung“ angekündigten Transittransporten werden durch die Landesregierung nach Durchführung des Transports nicht dauerhaft dokumentiert, da keine gesetzliche Aufbewahrungspflicht besteht. Somit kann grundsätzlich nicht mehr nachvollzogen werden, welche Transittransporte durch NRW aus Lingen kamen und Doel oder Tihange als Ziel hatten. 3. In welcher Weise treibt die Landesregierung derzeit ein Exportverbot für angereichertes Uran aus Gronau und für Brennelemente aus Lingen gegenüber Urenco und Areva sowie gegenüber der Bundesregierung voran? Das Bundesumweltministerium ist durch ein Schreiben mehrerer Länder auf Staatssekretärsebene aufgefordert worden, seine rechtliche Position zur Unterbindung der Brennstofftransporte zu belgischen Problemreaktoren zu überdenken, einen Exportstopp anzustreben und gegebenenfalls eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten. Es wird im Übrigen auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. 4. Wird die Landesregierung ggf. beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) juristische Schritte gegen die weitere Vollziehung der entsprechenden Ausfuhrgenehmigungen für Brennelemente aus Lingen für die belgischen "Bröckelreaktoren " und/oder gegen neue Ausfuhrgenehmigungen einleiten? Derartige Schritte sind mangels Erfolgsaussicht nicht in Planung. Im Weiteren wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14979 3 5. In welcher Weise treibt die Landesregierung derzeit die im Koalitionsvertrag versprochene Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau sowie gemeinsam mit Niedersachsen die Stilllegung der Brennelementefabrik Lingen konkret voran? Die Landesregierung hat bereits im Jahr 2013 das im Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien enthaltene Ziel der rechtssicheren Beendigung der Urananreicherung in Gronau durch ein juristisches Gutachten prüfen lassen. Demnach hat die Landesregierung praktisch keine Möglichkeiten, die Schließung der Urananreicherungsanlage zu erzwingen. Erfolg verspricht nur die Änderung des Atomgesetzes, das der Genehmigung zugrunde liegt. Hierzu hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren Bundesratsinitiativen gestartet, die aber bisher nicht erfolgreich waren. Das Gutachten wurde im Juli 2013 im Landtag vorgestellt (vgl. Pressemitteilung MWEIMH NRW vom 12.07.2013). Im Oktober 2016 hat ein Gespräch zwischen dem Bundesumweltministerium und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Situation und Perspektive der Urananreicherungsanlage in Gronau stattgefunden. Im Ergebnis war man sich einig, dass vor weiteren Gesprächen über die beabsichtigte Stilllegung noch rechtliche und wirtschaftliche Aspekte näher untersucht werden müssen. Das Bundesumweltministerium hat zwischenzeitlich mitgeteilt, rechtsgutachterlich die Voraussetzungen einer Schließung der Urananreicherung in Gronau und Brennelementproduktion in Lingen untersuchen zu lassen. Es bleibt nunmehr abzuwarten, zu welchen Erkenntnissen das vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Gutachten zur möglichen Stilllegung kommen wird.