LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14993 03.05.2017 Datum des Originals: 02.05.2017/Ausgegeben: 08.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5789 vom 24. März 2017 der Abgeordneten Andrea Milz CDU Drucksache 16/14698 Wie ist es um das Pilotprojekt „Dublin-Flüchtlinge“ in der Zentralen Unterbringungseinrichtung Sankt Augustin bestellt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Sankt Augustin wurde im Rahmen eines Pilotprojektes geöffnet für die sogenannten „Dublin-Flüchtlinge“. Somit hat die ZUE Sankt Augustin mit zwei weiteren ZUEs in NRW für Flüchtlinge, die unter die Dublin-III-Verordnung fallen , die Aufgaben eines Rückführungszentrums übernommen. In Sankt Augustin wurde die neue Aufgabe des ZUE bisher, auch auf Grund einer mangelhaften Kommunikation seitens der Bezirksregierung Köln zu Beginn, äußerst kritisch bis ablehnend begleitet. Bei diesem sensiblen Thema ist die Landesregierung in der Pflicht, Informationen rund um die ZUE transparent und offen zu kommunizieren. Dazu zählt auch ein Zwischenfazit über die bisherige Arbeit der ZUE in NRW. Mit Blick auf die Auswahlkriterien für die drei gewählten Standorte wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass folgende Punkte von Bedeutung waren: mindestens 500 Regelplätze und die Nähe zur zuständigen Zentralen Ausländerbehörde (ZAB). Offen bleiben allerdings weiterhin die Fragen, welche Kriterien insgesamt einschließlich Gewichtung für die Standortwahl herhalten mussten und wer die letztendliche Entscheidung über die Auswahl der drei Einrichtungen für das Pilotprojekt vorgenommen hat. In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5431 (Drucksache 16/13940) heißt es: „Die Landeseinrichtungen für das Pilotverfahren wurden auf Vorschlag der Bezirksregierungen festgelegt.“ Die Bezirksregierung Köln schreibt dagegen in einem Schreiben vom 08. März 2017: „Die Entscheidung, die ZUE St. Augustin zur Durchführung des Dublin-Verfahrens zu nutzen, ist im MIK NRW gefallen.“ Bei diesem wichtigen Thema bedarf es klarer Verantwortlichkeiten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14993 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5789 mit Schreiben vom 2. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Warum schieben sich die Landesregierung und die Bezirksregierung Köln die Verantwortung für die Auswahl der ZUE Standorte „Dublin Flüchtlinge in NRW hin und her? (Bitte genau erklären auf welcher Grundlage, welches exekutive Organ (Landesregierung, Bezirksregierung) tätig geworden ist) 2. Wie wurden von Seiten der Landesregierung die Auswahlkriterien für die ZUE Standorte im Rahmen des Pilotprojektes bestimmt und gewichtet? (Bitte bei der Beantwortung die einzelnen Auswahlkriterien und ihre jeweilige Gewichtung aufzählen , Sollten die Bezirksregierungen an diesem Prozess beteiligt gewesen sein, bitte die Rolle der Bezirksregierung genau erläutern) 3. Welche Standorte wurden auf Tauglichkeit überprüft und mit welchem Ergebnis? 4. Gibt es Standorte, die über die drei nun bestimmten Standorte hinaus in Frage gekommen sind? (wenn ja, welche? Bitte begründen, warum sie verworfen worden sind.) Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 4 gemeinsam beantwortet. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Verfahrensoptimierung und Verfahrens-beschleunigung im Bereich der sogenannten Dublin-Verfahren. Dazu wird seit dem 1. Dezember 2016 ein gemeinsames, zeitlich bis zum 31. Mai 2017 befristetes Pilotprojekt mit dem Ziel der Steigerung der Überstellungsquote in die anderen EU-Mitgliedstaaten durch eine Teilzentralisierung betrieben. In den Jahren 2015 und 2016 wurde den Übernahmeersuchen aus Deutschland an andere EU-Mitgliedstaaten nach der „Dublin III - Verordnung“ der EU zwar zu mehr als 50% zugestimmt, allerdings konnten nur rd. 14% der Zustimmungen in Überstellungen an die Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Von dem Dublin-Pilotprojekt umfasst sind zunächst alle nach Nordrhein-Westfalen neu einreisenden Erstantragsteller, die zuvor bereits einen Asylantrag in Italien oder Polen gestellt haben , und zwar unabhängig vom Herkunftsland. Ausgangspunkt für die Einbeziehung der Länder Italien und Polen in das Pilotprojekt waren die Anzahl der Dublin-Treffer sowie die gemeinsame Überlegung, Mitgliedstaaten auszusuchen, in die die Überstellungen effektiv erfolgen können. Auf der Grundlage dessen wurde für das Pilotprojekt ein landesweiter Bedarf von 900 Unterbringungsplätzen ermittelt. Zur besseren Steuerung des Projekts wurden die Plätze auf wenige Einrichtungen verteilt. Die Einrichtungen werden nicht ausschließlich für die Unterbringung von unter das Dublin- Pilotverfahren fallende Personen genutzt. Vielmehr werden dort auch sonstige Asylsuchende im Rahmen der Aufnahmeverpflichtung des Landes untergebracht und versorgt. Im Sinne einer durchmischten Belegung in den Einrichtungen sollten maximal 2/3 der verfügbaren Plätze mit Asylsuchenden aus dem Pilotprojekt belegt werden. Die weiteren Unterbringungsplätze stehen für andere Asylsuchende zur Verfügung. Vorzugsweise sollte es sich um Einrichtungen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 500 Plätzen handeln. Dies entspricht den Grundsätzen, die auch für die Verfahrenseinrichtungen im Rahmen des beschleunigten Verfahrens zu Grunde gelegt worden sind. Erfahrungen hierzu gibt es seit September 2015. Relevant war des Weiteren bezogen auf die Regierungsbezirke eine grundsätzlich gleiche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14993 3 Verteilung von Aufgaben im gesamten Asylsystem. Da im Rahmen des Pilotprojektes Überstellungen in andere EU-Staaten - hier konkret Italien und Polen - stattfinden, war zudem eine örtliche Nähe bzw. Zuordnung zu einer Zentralen Ausländerbehörde notwendig. Bei der Auswahl der Einrichtungen war außerdem zu berücksichtigen, dass keine sonstige Nutzung einer Einrichtung (Einrichtung für vulnerable Personen oder für das beschleunigte Asylverfahren) der Nutzung für das Pilotprojekt entgegen stand. Alle Einrichtungen des Landes wurden vor dem Hintergrund dieser Anforderungen in den Blick genommen. Die Auswahl der Einrichtungen wurde schließlich zwischen den Bezirksregierungen , der Polizei sowie dem Ministerium für Inneres und Kommunales abgestimmt. Wie im gesamten System der Landeseinrichtungen wird auch beim Dublin-Pilotprojekt - sofern geboten - in besonderen Fällen flexibel reagiert (zum Beispiel durch Anpassungen des Personalschlüssels für Betreuungs- und Sicherheitsdienstleistungen, Umverteilungen oder ortsangepasste geeignete Maßnahmen in den Einrichtungen). 5. Welches Zwischenfazit zieht die Landesregierung aus dem Pilotprojekt? Das Pilotprojekt läuft seit dem 01.12.2016. Erste Überstellungen haben Mitte Februar 2017 stattgefunden. Für ein Zwischenfazit liegen derzeit noch keine ausreichenden Erkenntnisse vor. Das BAMF sowie das Ministerium für Inneres und Kommunales begleiten das Pilotprojekt sehr eng. Es sind die Projektziele einer Verfahrensbeschleunigung und einer Steigerung der Überstellungsquote zu betrachten. Hierbei werden aber auch differenziert Aspekte wie Ressourceneinsatz , Auswirkungen auf den Regelprozess der Steuerung des Asylsystems in Nordrhein -Westfalen, Änderungen in der Einrichtungsstruktur u.a. in den Blick zu nehmen sein.