LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14998 03.05.2017 Datum des Originals: 03.05.2017/Ausgegeben: 08.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5808 vom 30. März 2017 der Abgeordneten Holger Ellerbrock, Henning Höne und Andreas Terhaag FDP Drucksache 16/14725 Ist auch das Land Nordrhein-Westfalen Erbe von Wohnimmobilien und Grundstücken? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Der Staat ist der größte Erbe von Wohnhäusern“ titelte die WELT am 31. Oktober 2016. Demnach seien die Bundesländer mit rund „10.000 Wohnhäuser und privaten Liegenschaften“ Allein - oder Miteigentümer von Immobilien bzw. Grundstücken durch Erbschaften geworden. Der Staat wird immer dann Erbe, wenn sich keine Erben finden lassen bzw. das Erbe ausgeschlagen wird. In der Regel ist das immer dann der Fall, wenn sich die Wohnimmobilien nicht leicht veräußern lassen. Dies ist vor allem von der Lage abhängig. Denn es zieht die Menschen vorwiegend in die als attraktiv wahrgenommenen Metropolen und deren Ballungsrandgebiete. Dort herrscht häufig ein großes Defizit an Wohnraumangeboten und so steigen die Immobilienpreise und Mieten fortlaufend an. Andererseits gibt es Regionen, in denen ein hoher Leerstand vorhanden ist und dort nur sehr niedrige Immobilienpreise bei einem Veräußerungswunsch realisiert werden können. Wird der Staat Eigentümer von Immobilien oder Grundstücken, steht dem zumeist ein hoher Verwaltungsaufwand gegenüber. Besonders kompliziert wird es, wenn der Staat nur Teil einer Erbengemeinschaft wird und keine Einigkeit über die zukünftige Nutzung des Erbes innerhalb der Erbengemeinschaft besteht. Zum Beispiel sind 7251 Wohnhäuser im (Teil-)Besitz des Freistaates Bayern. An zweiter Stelle folgen die Bundesländer Hessen und Thüringen. Diese dem Staat zugefallenen Immobilien bzw. Grundstücke befinden sich nach Medienangaben vorwiegend in strukturschwachen Regionen . Zusammenfassend hält der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft in den o.g. Artikel der WELT vom 31. Oktober 2016 jedoch fest: „Wir haben eigentlich genügend Wohnraum in Deutschland – aber wir haben ihn an der falschen Stelle.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14998 2 Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5808 mit Schreiben vom 3. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das gesetzliche Erbrecht des Fiskus verfolgt das Ziel, erbenlose Nachlässe grundsätzlich zu vermeiden und deren Abwicklung, insbesondere die Befriedigung von Nachlassgläubigern, aus dem Nachlass durch die Öffentliche Hand vorzunehmen. Zuvorderst hat das gesetzliche Erbrecht des Fiskus damit Ordnungsfunktion. Während Grundstücke mit Verwertungshemmnissen, ungeklärte Vermögensverhältnisse und unklare Erbanteile oder Nachlassbeteiligte mittlerweile zum Regelfall der zu bearbeitenden Nachlässe geworden sind, sind werthaltige Nachlässe eher die Ausnahme. Für sie findet sich zudem innerhalb der 30-jährigen Herausgabefrist nicht selten am Ende doch noch ein Anspruchsberechtigter . Gleichwohl ist es in den vergangenen Jahren gelungen, aus der Abwicklung der Erbschaften jährlich einen Überschuss zu erzielen. Aufgabe des Fiskus ist die Verwertung aller Nachlassgegenstände und damit die Umwandlung des gesamten Nachlasses in Geld. Daraus erfolgt die Befriedigung der Nachlassgläubiger bis zur Höhe des Aktivvermögens. Die Verwertung von Grundstücken stellt die für die Abwicklung der Fiskalerbschaften zuständigen Bezirksregierungen nicht selten vor besondere Herausforderungen. Dingliche- und Schadstoffbelastungen, große, zum Teil gestaffelte Erbengemeinschaften, der bauliche Zustand und abgeschiedene Lagen erschweren die Verwertung der Immobilien in vielen Fällen. Auch wenn die Befriedigung von Nachlassgläubigern auf den Wert des Nachlasses beschränkt ist, kann das Land als Eigentümer für den Zustand und die Gefahren aus den Grundstücken unter Umständen haften. Die Verwertung von Immobilien hat daher bei den zuständigen Stellen oberste Priorität. Aktuell wird geprüft, ob und wie das Verfahren in diesem Bereich noch effektiver gestaltet werden kann. 1. In wie vielen Fällen wurde das Land Nordrhein-Westfalen seit 2010 Erbe von Wohnimmobilien bzw. Grundstücken? (Bitte differenziert nach Alleinerbschaften und Teilerbschaften sowie in absoluten Zahlen und der Gesamtzahl nach Jahren gegliedert angeben.) Zur Beantwortung der Frage 1 wird auf Tabelle 1 der als Anlage 1 beigefügten Übersicht verwiesen . 2. In welchen Regionen des Landes befinden sich die geerbten Immobilien bzw. Grundstücke? (Bitte detailliert angeben.) Zur Beantwortung der Frage 2 wird auf Tabelle 2 der als Anlage 1 beigefügten Übersicht verwiesen . Eine tiefere regionale Staffelung der Lage der Grundstücke war in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14998 3 3. Welche Erlöse konnte das Land Nordrhein-Westfalen durch die Nutzung von Erbschaften seit dem Jahr 2010 erzielen? (Bitte jährliche Erlöse sowie Gesamtsumme angeben.) Zur Beantwortung der Frage 3 wird auf Tabelle 3 der als Anlage 1 beigefügten Übersicht verwiesen . 4. Welcher jährliche Verwaltungsaufwand steht den Erbschaften gegenüber? Zur Beantwortung der Frage 4 wird auf Tabelle 4 der als Anlage 1 beigefügten Übersicht verwiesen . Ergänzend sei hierzu angemerkt: Dargestellt sind in der Zeile „Personalkosten“ die auf dem Personalbestand zum 30. Juni 2016 ermittelten Personal- und Personalgemeinkosten auf der Grundlage von Durchschnittswerten. Die Bewirtschaftungskosten der Nachlässe werden im Haushalt bei Titelgruppe 60 in Kapitel 20 610 dargestellt. Eine Differenzierung nach Nachlassgegenständen erfolgt nicht bei allen Titeln. Ein Großteil der Kosten entfällt jedoch auch beim Sammeltitel 547 60 erfahrungsgemäß auf die Verwertung und Verwaltung von Liegenschaften. Hier werden jedoch auch die Herausgaben von Erbschaften an nachträglich ermittelte Erben ausgewiesen, die in einzelnen Jahren siebenstellige Beträge ausmachen. Die Ausgaben dieses Titels sind daher an dieser Stelle nur nachrichtlich ausgewiesen. 5. Inwiefern sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um mit derartigen Erbschaften sachgerecht umgehen zu können? Neben der Abwicklung der fiskalischen Erbschaften durch die Bezirksregierungen sind weitere Behörden und Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen an verschiedenen Stellen mit der Bewirtschaftung und Verwertung von problembehafteten Liegenschaften konfrontiert. Die Landesregierung prüft daher aktuell ergebnisoffen, ob eine Beauftragung eines zentralen Dienstleisters mit der Verwaltung, Bewirtschaftung und ggf. Verwertung derartiger Liegenschaften erfolgen sollte. Dabei stellen sich insbesondere Rechtsfragen, Fragen der Praktikabilität , der Regionalität und der Wirtschaftlichkeit. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Finanzministerium des Landes NRW Düsseldorf, 21. April 2017 VV 1260 - 1.7 - VI A 3 Tabelle 1 Zahl der Nachlässe mit Wohnimmobilien 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Neuzugänge Nachlässe insgesamt 796 985 977 1066 1097 1086 1139 davon mit Immobilien 171 201 227 202 269 221 237 Zahl der Wohnimmobilien 102 97 110 113 119 104 119 davon in Alleinerbschaft 71 69 78 71 74 55 68 davon in Teilerbschaft 31 28 32 42 45 49 51 Zahl der unbebauten Grundstücke 69 104 117 89 150 117 118 davon in Alleinerbschaft 40 40 53 42 33 46 56 davon in Teilerbschaft 29 64 64 47 117 71 62 Tabelle 2 Regionale Verteilung der Immobilien im Bestand der verwalteten Nachlässe 31.12.2016 Zahl der Grundstücke im Bestand 839 davon in der BR Arnsberg 149 davon in der BR Detmold 63 davon in der BR Düsseldorf 112 davon in der BR Köln 176 davon in der BR Münster 52 davon in anderen Bundesländern 283 davon im Ausland 4 Tabelle 3 Einnahmen aus Fiskalerbschaften Beträge in T€ 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Kapitel 20 630 133 10 (Wertpapiere) 0 358 745 19 6 1.447 4 114 14 71 82 71 Kapitel 20 630 133 10 (alle sonstigen Einnahmen) 2.656 4.376 2.995 3.944 3.766 3.824 3.782 6.546 4.345 5.461 5.773 6.642 Summe 2.656 4.734 3.740 3.963 3.772 5.271 3.786 6.660 4.359 5.532 5.855 6.713 Tabelle 4 Verwaltungsaufwand Beträge in T€ 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Personalkosten - geschätzt jährlich rd. 1,2 Mio € Aufwendungen zur Abwicklung der Nachlässe 7 22 33 16 31 36 128 94 467 222 273 254 davon 20 610 517 60 (Bewirtschaftung GuG) 7 17 17 16 26 23 112 61 239 145 140 98 davon 20 610 519 60 (Unterhaltung GuG) 0 0 16 0 1 10 11 3 13 42 96 4 davon 20 610 711 60 (Bauliche Sicherung) 0 5 0 0 4 3 5 30 215 35 37 152 nachrichtlich: davon 20 610 547 60 (nicht aufteilbar) 621 954 218 1.097 775 1.004 1.539 1.257 1.399 1.169 1.157 2.787 Gesamtüberschüsse (jährlich) 828 2.558 2.289 1.650 1.766 3.031 919 4.109 1.293 2.941 3.225 2.472 Titelbezeichnungen 119 10 Erbschaften des Fiskus 133 10 Einnahmen aus Wertpapieren 517 60 Bewirtschaftung der Grundstücke und Gebäude 519 60 Unterhaltungsarbeiten an Grundstücken und Gebäuden 547 60 Innerhalb der Titelgruppe (der Ausgaben für Fiskalerbschaften) nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben 711 60 Bauliche Sicherungsmaßnahmen Kleine Anfrage 5808 - Anlage 1 - Datenmaterial