LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15003 04.05.2017 Datum des Originals: 03.05.2017/Ausgegeben: 09.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5810 vom 28. März 2017 der Abgeordneten Petra Vogt CDU Drucksache 16/14727 Chancen der musikalischen Bildung nicht verspielen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zu einer ganzheitlichen Bildung auf hohem Niveau gehört auch ein qualitativ hochwertiger Instrumental-Einzel- bzw. Kleingruppen- und Partnerunterricht, der als ergänzendes Angebot zum schulischen Musikunterricht besonders begabte Schülerinnen und Schüler fördern kann. Seit einiger Zeit mehren sich allerdings in diesem Bereich die Probleme, was sich zum Beispiel an den stark rückläufigen Teilnehmerzahlen bei „Jugend musiziert“ zeigt. Das kann zum einen daran liegen, dass der reguläre Musikunterricht an den Schulen zu häufig ausfällt. Zum anderen daran, dass begabte Schülerinnen und Schüler, weil die finanziellen Umstände in ihren Familien nicht hinreichend sind, die hochwertigen Angebote insbesondere der Freien Musikschulen nicht annehmen können. Schule ist der wichtigste Ort für die Realisierung von Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit. Begabungsreserven brachliegen zu lassen und nicht auszuschöpfen verspielt die Bildungschancen junger Menschen. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 5810 mit Schreiben vom 3. Mai 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Ermöglichung musikalischer Bildung für möglichst viele Kinder und Jugendliche in der Schule ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Um dieses Ziel möglichst umfassend zu gewährleisten, sind zwei Säulen bedeutsam: zum einen der Pflichtunterricht im Fach Musik gemäß den jeweiligen Stundentafeln und Kernlehrplänen, zum anderen außerunterrichtliche Angebote der Schulen – ggf. auch in Kooperation mit außerschulischen Partnern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15003 2 Die Gewährleistung eines gut ausgestatteten und qualitativ hochwertigen Pflichtunterrichts gemäß Stundentafel in allen Fächern – also auch im Fach Musik – erfolgt über die Bereitstellung adäquater Personalressourcen durch das Land. Die schulscharfe Zuweisung der Stellen an die Schulen wird von der jeweiligen Schulaufsicht vorgenommen. Über die im Rahmen der jeweiligen Stellenausschreibungen gewünschten Lehrbefähigungen entscheiden die Schulen vor. Die vom Land bereitgestellten Stellen sind in jedem Fall auskömmlich, um den gesamten Unterricht gemäß Stundentafel abzudecken. Diese Ressourcenbereitstellung wie auch die Setzung qualitativer Standards für den Fachunterricht durch (Kern-) Lehrpläne gehören zu den pflichtigen Aufgaben des Landes, denen die Landesregierung bereits in angemessener Form nachgekommen ist und selbstverständlich auch weiterhin nachkommen wird. Zur Sicherung der fachlichen Qualität zur Erteilung des Musikunterrichts besteht bei Bedarf für die Lehrkräfte die Möglichkeit der Fort- und Weiterbildung. Die Bereitstellung außerunterrichtlicher Angebote außerhalb der Stundentafeln – z.B. im Rahmen von offenen und gebundenen Ganztagsangeboten bzw. durch erweitere Bildungsangebote – ist erwünscht, wird in unterschiedlichen Kontexten vom Land unterstützt (z.B. durch den Ganztagszuschlag und/oder besondere Projektförderungen), gehört jedoch nicht zu den Pflichtaufgaben aller Schulen. Eine solche Freiwilligkeit im Hinblick auf die jeweiligen spezifischen schulischen Zusatzangebote ist sinnvoll, damit Schulen entsprechend ihrer Bedürfnisse und Möglichkeiten eigene Profile bilden können; – hierzu kann auch ein besonderes musikalisches Profil gehören. Die Unterstützung dieser außerunterrichtlichen Säule durch das Land ist vielfältig. Ausschnitthaft werden an dieser Stelle mit Blick auf den musikalischen Bereich nur drei Beispiele genannt : Etablierung einer neuen Anerkennungskultur: Im Kontext der Kooperation mit außerschulischen Partnern haben das Ministerium für Schule und Weiterbildung sowie das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport u.a. zusammen mit dem Landesmusikrat (LMR) sowie dem Landesverband der Musikschulen (LVdM) einen überaus fruchtbaren Dialog geführt, in dem u.a. die schulrechtlichen Möglichkeiten zur Anerkennung außerschulischer Leistungen (u.a. auch in Wettbewerben wie „Jugend musiziert“) erweitert sowie Kooperationen von Schulen mit außerschulischen Partnern (u.a. Musikschulen) initiiert und erleichtert wurden. Die Produkte dieses Dialogs können u.a. der umfangreichen Dokumentation einer gemeinsamen Fachtagung zum Thema (http://www.schulentwicklung .nrw.de/cms/tagungen/anerkennungskultur/index.html ) wie auch einem entsprechenden Leitartikel der außerschulischen Partner (u.a LMR und LVdM) in „Schule NRW“ (https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulpolitik/G8/Kontext/Lindenbaum_-Gierlich _-Daemmer_-Stumpf---Eine-Kultur-der-Anerkennung-etablieren_Schule-NRW- 12_2016.pdf) entnommen werden. Förderung im Rahmen des Projekts „JeKits“: Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen fördert das Programm „JeKits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ jährlich mit 10,74 Millionen Euro. Im Schuljahr 2016/17 nehmen 150 Kommunen in NRW mit 126 außer -schulischen Kooperationspartnern und 814 Grundschulen am JeKits-Programm teil. Davon bieten 639 Schulen den Schwerpunkt Instrumente an, 81 Schulen den Schwerpunkt Tanzen und 94 Schulen den Schwerpunkt Singen. Insgesamt nehmen im aktuellen Schuljahr 61.179 Kinder an JeKits teil. Das besondere Kennzeichen des Programm JeKits besteht darin, auch und gerade sozial benachteiligte Kinder zu erreichen. Insgesamt stellt das Land ca. eine Million Euro für Beitragsermäßigungen (46.300 Euro) sowie Beitragsbefreiungen (923.300 Euro) zur Verfügung. Die Herstellung von Teilhabegerechtigkeit wird auch durch die Dezentralisierung des JeKits-Programms gewährleistet, da sogenannte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15003 3 „Schwellenängste“ abgebaut werden: Die Schülerinnen und Schüler haben direkt in ihrer Schule vor Ort die Möglichkeit, an den Angeboten von JeKits teilzunehmen. Förderung musikalischer Bildung im Rahmen des Ganztags: Der Ganztag eröffnet Möglichkeiten und Chancen, Kooperationen mit außerschulischen Einrichtungen, z.B. auch Musikschulen, langfristig zu verankern. Unterstützung bei der Planung und Gestaltung der Konzepte und Angebote können Schulen durch die „Serviceagentur Ganztägig lernen NRW“ oder die „Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ erhalten. Beide Einrichtungen sind Teil einer Unterstützungsstruktur, die das Land als Beitrag zur Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen eingerichtet hat. Informationen zu Kooperationsmöglichkeiten und zum Themenfeld „Kulturelle Bildung und Musik“ finden sich z.B. in der von der Arbeitsstelle herausgegebenen Reihe „merkheft“ (Heft 6: Musik in Schule und Jugendarbeit , Informationen für Kooperationen, Remscheid 2016). Die Landesregierung hat zudem mit zentralen zivilgesellschaftlichen Partnern Rahmenvereinbarungen zum Ganztag abgeschlossen (u.a. Rahmenvereinbarung „Musik“). Die Vertragsparteien unterstreichen den hohen Stellenwert der Zusammenarbeit der Schulen mit außerschulischen Partnern . Die vorgenannten wie auch zahlreiche weitere Beispiele (u.a, NRW- Landesprogramm Kultur und Schule: https://www.mfkjks.nrw/foerderprogramm-landesprogramm-kultur-und-schule; NRW-Landesförderprogramme Musik: https://www.mfkjks.nrw/foerderprogramme-musik) zeigen , dass sich das Land weder in der Breiten-, noch in der Spitzenförderung mit den Angeboten seiner Schulen und außerschulischen Partner verstecken muss. Dies wird im Hinblick auf seine Effekte u.a. auch durch die aktuelle Meldung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) vom 05.04.2017 unterlegt, wonach noch nie so viele nordrhein-westfälische Nachwuchsmusiker am Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert" teilgenommen haben wie in diesem Jahr (http://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/nrw-landeswettbewerb-jugend-musiziert- 100.html). Vor diesem Hintergrund sind die Fragen der Kleinen Anfrage 5810 wie folgt zu beantworten: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Erteilung des in den Lehrplänen aller Schulformen vorgesehenen Musikunterrichts in Nordrhein-Westfalen vor (bitte eine Aufstellung nach Schulformen getrennt)? Die gewünschten Informationen können der jährlich aktualisierten Publikation „Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer Sicht“ entnommen werden, die wie folgt abrufbar ist: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Ministerium/Service/Schulstatistik/Amtliche- Schuldaten/Quantita_2015.pdf Aus der letzten Veröffentlichung auf Basis der „Amtlichen Schuldaten“ für das Schuljahr 2015/2016 sind die nachfolgenden Daten zu entnehmen: Grundschule Grundschulen Lerngruppen 28.323 Grundschulen erteilte Stunden 39.353 Grundschulen Teilnehmerzahl 658.626 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15003 4 Hauptschule Hauptschule Lerngruppen 1.708 Hauptschule erteilte Stunden 3.035 Hauptschule Teilnehmerzahl 30.874 Realschule Realschule Lerngruppen 5.000 Realschule erteilte Stunden 8.668 Realschule Teilnehmerzahl 125.374 Gesamtschule Gesamtschulen Lerngruppen 6.172 zzgl. 15 IPK/VPK* Gesamtschulen erteilte Stunden 12.427 zzgl. 44 IPK/VPK* Gesamtschulen Teilnehmerzahl 156.913 zzgl. 277 IPK/VPK* davon in SII 11.092 *) IPK/VPK = Instrumentalpraktische und vokalpraktische Kurse gemäß Kernlehrplan Gymnasium Gymnasien Lerngruppen 12.760 zzgl. 295 IPK/VPK* Gymnasien erteilte Stunden 26.819 zzgl. 759 IPK/VPK* Gymnasien Teilnehmerzahl 311.969 zzgl. 4.451 IPK/VPK* davon in SII 52.626 *) IPK/VPK = Instrumentalpraktische und vokalpraktische Kurse gemäß Kernlehrplan Berufskolleg Berufskollegs Lerngruppen 658 Berufskollegs erteilte Stunden 1.231 Berufskollegs Teilnehmerzahl 15.782 Weiterbildungskolleg Weiterbildungskollegs Lerngruppen 14 Weiterbildungskollegs erteilte Stunden 41 Weiterbildungskollegs Teilnehmerzahl 181 2. Gibt es Kooperationen zwischen Schulen und Freien Musikschulen, um begabte Schülerinnen und Schüler durch Instrumental-Einzel- bzw. Kleingruppen- und Partnerunterricht beispielsweise als Ganztagsangebot besonders zu fördern? Ob es solche Kooperationen gibt, wird vom Land nicht erhoben. Es ist jedoch davon auszugehen , dass es sie gibt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15003 5 3. Welche organisatorischen und finanziellen Anstrengungen wird die Landesregierung unternehmen, um derzeit brachliegende Bildungsreserven zu mobilisieren und auch hochwertigen Instrumental-Einzel- bzw. Kleingruppen- und Partnerunterricht für Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen und einkommensschwachen Schichten zu ermöglichen? Für die laufende Legislaturperiode wird die Landesregierung in diesem Zusammenhang keine zusätzlichen organisatorischen bzw. finanziellen Anstrengungen mehr unternehmen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 4. Weil die immer stärker um sich greifende Förderung durch Projekte nicht dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler nachhaltig musikalisch gebildet werden, frage ich, wie die Landesregierung neben den vielen Projekten (und den damit verknüpften zeitraubenden Projektanträgen) verstärkt grundständigen und regelmäßigen Instrumental-Einzel- bzw. Kleingruppen- und Partnerunterricht als ergänzendes Angebote zum schulischen Musikunterricht in Kooperation mit Schulen z. B. im Ganztag ermöglichen wird? Die Ausgangshypothese zu dieser Frage wird durch die Landesregierung nicht geteilt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Weil qualifizierter, hochwertiger Instrumental-Einzel- bzw. Kleingruppen- und Partnerunterricht nur durch qualifizierte und zertifizierte Personen geleistet werden kann, frage ich die Landesregierung, ob sie ein entsprechendes Zertifikat-System (Beispiel: Bayern) einführen wird? Für die laufende Legislaturperiode gibt es keine diesbezüglichen Planungen.