LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15016 04.05.2017 Datum des Originals: 04.05.2017/Ausgegeben: 09.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5792 vom 24. März 2017 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/14701 Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - Abschiebung von Gefährdern auch in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag, 21. März 2017 eine Anordnung des niedersächsischen Innenministeriums gegen die der radikal-islamistischen Szene zugerechneten Männer bestätigt. Zwei in Göttingen festgenommene islamistische Gefährder können abgeschoben werden. Die Betroffenen, ein Algerier und ein Nigerianer, wurden Anfang Februar 2017 im Rahmen einer Razzia verhaftet. Mitte Februar 2017 ordnete das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ihre Abschiebung gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) an. Das Innenministerium hat seine Anordnungen damit begründet, dass die beiden Ausländer als „Gefährder“ der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen seien. Sie sympathisierten mit der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) und hätten mehrfach Gewalttaten unter Einsatz von Waffen angekündigt. Das gegen den Vollzug ihrer Abschiebung gerichtete Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jetzt per Beschluss zurückgewiesen. Damit können die Betroffenen schon vor der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache abgeschoben werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf der Grundlage der vorgelegten Erkenntnismittel die Prognose des Ministeriums als gerechtfertigt angesehen, dass von den Ausländern eine terroristische Gefahr ausgeht. Dafür reicht in den Fällen des § 58a AufenthG ein beachtliches Risiko aus.Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte damit die bundesweit erste Abschiebungsanordnung, die nach §58a Aufenthaltsgesetz verfügt wurde. Die aus dem Jahr 2004 stammende Vorschrift erlaubt Abschiebungen "zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik". Sie war von den Behörden so gut wie nie angewandt worden, weil die juristischen Hürden angeblich zu hoch seien. Auf die jahrelange Zurückhaltung von Innenpolitikern in Bund und Ländern hat das Gericht nun mit Unverständnis geantwortet: Die gesetzlichen Hürden seien keineswegs hoch. Man müsse LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15016 2 nicht, wie sonst bei Straftaten, erst abwarten, bis ein Staatsanwalt ein Verfahren eingeleitet hat. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr müsse auch nicht "die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten". Sondern es genüge schon jedes "beachtliche Risiko" von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft. In Sicherheitskreisen hieß es nach dem Beschluss, dass nun die Möglichkeiten für Abschiebungen von Gefährdern weit offen stehen. Man erwarte, dass viele Bundesländer zügig von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden. Unter den mehr als 600 islamistischen Gefährdern, welche die deutschen Sicherheitsbehörden derzeit im Blick haben, sind etwa 250, die keine EU-Pässe besitzen. Sie können nun leicht aus Deutschland abgeschoben werden, auch ohne dass erst strafrechtliche Ermittlungen abgewartet werden müssen. Das Land Niedersachsen zieht Konsequenzen aus dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu islamistischen Gefährdern und prüft die Abschiebung weiterer Terrorgefährder. Es würden alle den Sicherheitsbehörden vorliegenden Fälle überprüft. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5792 mit Schreiben vom 4. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendung des §58a Aufenthaltsgesetz zur Abschiebung von Gefährdern? Die in den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen von Abschiebungsanordnungen gemäß § 58a AufenthG getroffenen Aussagen werden von der Landesregierung im Interesse der inneren Sicherheit begrüßt. 2. In wie vielen Fällen hat das Innenministerium in den vergangenen Jahren seit 2004 eine Abschiebung gemäß § 58a AufenthG angeordnet? In den vergangenen Jahren sind in Nordrhein-Westfalen keine Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG verfügt worden. Auch der Bundesminister des Inneren hat von seiner Ermächtigung nach § 58 a Abs. 2 AufenthG bisher keinen Gebrauch gemacht. Im Ergebnis lief die Regelung in der Praxis bundesweit leer. Bereits in seinem Bericht zur Evaluierung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) aus Juni 2006 kommt das Bundesministerium des Innern im Zusammenhang mit der Frage, warum bisher von den obersten Landesbehörden keine Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG erlassen wurden, zu folgendem Ergebnis: . „Der Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG ist sehr schwierig. Erforderlich sind konkrete auf die Person des Ausländers bezogene gerichtsverwertbare Tatsachen als Anknüpfungspunkt für die aufzustellende Prognose; allgemeine Erkenntnisse oder Vermutungen reichen nicht aus.“ Vor diesem Hintergrund kam man im Evaluierungsbericht zu dem Schluss, der Bericht belege, dass die Regelung des § 58 a AufenthG keinerlei praktische Relevanz entfalte. In keinem einzigen Fall sei von der Regelung Gebrauch gemacht worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15016 3 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.03.2017? Die Landesregierung überprüft aktuell auf der Grundlage der durch das Bundesverwaltungsgericht gebildeten Maßstäbe, in welchen Fällen eine Abschiebungsanordnung erfolgen kann. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeiten für Abschiebungen von Gefährdern in Nordrhein-Westfalen nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts? Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinen Beschlüssen allein zu den Erfolgsaussichten einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG in den betreffenden Einzelfällen verhalten. Wenn eine Abschiebungsanordnung nicht unmittelbar vollzogen werden kann, besteht zwar ein gesetzlicher Haftgrund für die Anordnung von Abschiebungshaft (§ 62 Abs. 3 Nr. 1a AufenthG). Das ist aber nur die erste Voraussetzung für eine Inhaftnahme eines Gefährders in Abschiebungshaft. Die Haft bleibt aber auch in diesen Fällen unzulässig, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG). Letztlich wird es auch hier auf die Kooperation der jeweiligen Herkunftsstaaten ankommen. Als Konsequenz aus dem Fall Amri soll künftig nach dem Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht abweichend von Satz 3 die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig sein, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. 5. In welcher Form prüft die Landesregierung aktuell die Abschiebung von Terrorgefährder, indem alle den Sicherheitsbehörden vorliegende Fälle überprüft werden? Auf die Antwort auf Frage 3 wird verwiesen.