LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15025 05.05.2017 Datum des Originals: 05.05.2017/Ausgegeben: 10.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5848 vom 10. April 2017 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/14831 Was unternimmt die Landesregierung gegen unter dem Bundesdurchschnitt liegende Vergütungen für niedergelassene Haus- und Fachärzte in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen vereinbaren gemäß § 87a Absatz 2 SGB V jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres einen Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. Dabei können Zuschläge oder Abschläge zum bundesweiten Orientierungswert vereinbart werden, um regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Vertragsparteien vereinbaren zudem gemäß § 87a Absatz 3 SGB V eine von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zu zahlende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung auf der Grundlage eines vereinbarten Behandlungsbedarfs. Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarte Gesamtvergütung gemäß § 87b Absatz 1 SGB V getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Dabei ist ein Verteilungsmaßstab anzuwenden , der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen festgesetzt worden ist. Aus diesem Verteilungsmaßstab werden neben einzelvergüteten Leistungen insbesondere die Pauschalen je Behandlungsfall abgeleitet. Die Systematik der Vergütung und die unterschiedlichen regionalen Vereinbarungen haben dazu geführt, dass ärztliche Vergütungen in Nordrhein-Westfalen unter denen anderer Bundesländer liegen. So lag nach dem Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung der Honorarumsatz je Behandlungsfall im IV. Quartal 2015 für Allgemeinmediziner im Bezirk der KV Nordrhein bei 60,85 Euro und im Bezirk der KV Westfalen-Lippe nur bei 57,79 Euro. Hingegen lag der Schnitt aller Bundesländer bei 62,24 Euro und der Wert im benachbarten Niedersachsen sogar bei 64,16 Euro. Bei Fachärzten zeigt sich eine vergleichbare Entwicklung . So lag der Honorarumsatz je Behandlungsfall im IV. Quartal 2015 in der Kinder- und Jugendmedizin im Bezirk der KV Nordrhein bei 53,48 Euro und im Bezirk der KV Westfalen- Lippe bei 54,95 Euro, im Bundesschnitt hingegen bei 58,26 Euro und in Niedersachsen bei 61,30 Euro. In der Gynäkologie lag der Wert im Bezirk der KV Nordrhein bei 42,70 Euro und im Bezirk der KV Westfalen-Lippe bei 45,99 Euro, im Bundesschnitt hingegen bei 46,16 Euro LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15025 2 und in Niedersachsen bei 49,82 Euro. In der Inneren Medizin lag der Wert im Bezirk der KV Nordrhein bei 131,26 Euro und im Bezirk der KV Westfalen-Lippe bei 130,72 Euro, im Bundesschnitt hingegen bei 134,59 Euro und in Niedersachsen bei 147,76 Euro. In der Neurologie lag der Wert im Bezirk der KV Nordrhein bei 46,98 Euro und im Bezirk der KV Westfalen-Lippe bei 56,26 Euro, im Bundesschnitt hingegen bei 62,04 Euro und in Niedersachsen bei 74,75 Euro. In der Psychiatrie lag der Wert im Bezirk der KV Nordrhein bei 81,21 Euro und im Bezirk der KV Westfalen-Lippe bei 77,82 Euro, im Bundesschnitt hingegen bei 84,09 Euro und in Niedersachsen bei 108,04 Euro. Die Attraktivität der Niederlassung als Haus- oder Facharzt in Nordrhein-Westfalen leidet unter diesen unterdurchschnittlichen Vergütungen und gefährdet somit die Sicherstellung der Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen, die an Bundesländer mit höheren Vergütungen wie zum Beispiel Niedersachsen grenzen. Deshalb sollte eine Konvergenz der Vergütungen in Nordrhein-Westfalen an den Bundesdurchschnitt bzw. an benachbarte Bundesländer angestrebt werden. Neben den Vertragsparteien ist hier auch die Landesregierung gefragt. Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5848 mit Schreiben vom 5. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Seit der bundesgesetzlich normierten Honorarreform 2009 ergeben sich hinsichtlich der je Versicherten gezahlten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) zwischen den einzelnen Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen erhebliche Unterschiede, die nicht durch Unterschiede im Versorgungsbedarf der Versicherten begründet sind. Negativ betroffen sind auch beide Landesteile Nordrhein-Westfalens. Seit 2009 hat sich jede Landesregierung in Nordrhein -Westfalen stets gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Ärzteschaft durch Bundesratsaktivitäten , Schreiben, Termine und Pressemaßnahmen für eine Gleichstellung der Ärzteschaft in Nordrhein-Westfalen bei der Ärztevergütung aus dem GKV-System eingesetzt. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür liegt jedoch beim Bund, was die Handlungsmöglichkeiten des Landes deutlich einschränkt. Durch die vorgenannten Aktivitäten konnte zunächst lediglich durch eine „asymmetrische Honorarangleichung“ im Jahr 2011 ein erster kleiner Angleichungsschritt erreicht werden. Die gleichzeitig eingeführte bundesgesetzliche Vorgabe an die gemeinsame Selbstverwaltung auf Bundesebene, einen gemeinsamen Vorschlag zur Konvergenz der Vergütungen vorzulegen, wurde von der damaligen Bundesregierung mit einem FDP-geführten Bundesgesundheitsministerium 2011 leider wieder aus dem SGB V gestrichen, statt die Selbstverwaltung aufzufordern, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Aussagen des damaligen Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr, dass den regionalen Vertragspartnern wieder größerer Spielraum für regionale Honorarverteilungsregelungen gegeben worden sei und dadurch die noch bestehenden Unterschiede bei der Vergütung im Verhandlungswege ausgeglichen werden könnten, haben sich als unzutreffend erwiesen. Vielmehr hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deutlich gemacht, dass eine Angleichung der Vergütungsniveaus nur durch eine gesetzliche Regelung möglich war. Eine solche bundesgesetzliche Regelung mit der grundsätzlichen Möglichkeit einer Angleichung ist 2015 im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz geschaffen worden. Damit wird einmalig für das Jahr 2017 der Verhandlungsspielraum auf der Ebene der jeweiligen Region einer Kassenärztlichen Vereinigung mit einem unterdurchschnittlichen Vergütungsniveau erweitert, um eine Anpassung an das Durchschnittsniveau der Vergütung zu ermöglichen, soweit der bishe- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15025 3 rige Wert nachweislich unbegründet zu niedrig ist. Für die Angleichung hat der Bundesgesetzgeber u.a. mit der Beweislast auf Seiten der jeweiligen Ärzteschaft für den Nachweis der Unbegründetheit hohe Hürden gesetzt. Einem von Nordrhein-Westfalen initiierten Bundesratsbeschluss aus dem Jahr 2015, mit dem die Angleichung auf 2016 vorgezogen und die Hürden gesenkt werden sollten, wurde leider nicht entsprochen. Damit besteht nur im laufenden Jahr 2017 die einmalige Möglichkeit einer Angleichung des Honorarniveaus im Rahmen der Honorarverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe bzw. Nordrhein und den Krankenkassen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die unterdurchschnittlichen Vergütungen je Behandlungsfall für niedergelassene Hausärzte in Nordrhein-Westfalen? 2. Wie bewertet die Landesregierung die unterdurchschnittlichen Vergütungen je Behandlungsfall für niedergelassene Fachärzte in Nordrhein-Westfalen? Die Fragen 1 und 2 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Die Landesregierung sieht den in den beiden Fragen herangezogenen Maßstab als wenig geeignet für einen sachgerechten Vergleich mit Regionen außerhalb Nordrhein-Westfalens an, da die Vergütung je Behandlungsfall von verschiedenen Faktoren wie z.B. dem jeweiligen regionalen Honorarverteilungsmaßstab beeinflusst wird. Besser geeignet ist die auch im SGB V für die Konvergenz im Jahr 2017 herangezogene Höhe der an die Kassenärztliche Vereinigung entrichteten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung je Versicherten mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (§ 87a Abs. 4a SGB V). Daraus lässt sich auch aus Sicht der Landesregierung eindeutig eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in Nordrhein-Westfalen ableiten . Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen dieser Vergütungsstruktur auf die Bereitschaft zur Niederlassung insbesondere in ländlichen Regionen an der Grenze zu anderen Bundesländern mit höheren Vergütungen? Die Landesregierung sieht das niedrigere Vergütungsniveau als Standortnachteil und möglicherweise auch als Niederlassungshindernis an und hat deshalb immer wieder eine bundesgesetzliche Regelung eingefordert. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Allerdings spielen für eine Niederlassungsentscheidung neben der Vergütung auch viele andere Faktoren eine Rolle. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Hausarztaktionsprogramm des Landes verwiesen, aus dem u.a. Niederlassungen von Hausärztinnen und Hausärzten in kleineren und mittleren Gemeinden, in denen die hausärztliche Versorgung gefährdet erscheint, mit bis zu 50.000 € gefördert werden. 4. Wie wirkt die Landesregierung auf die Vertragsparteien und insbesondere auf die der Landesaufsicht unterliegenden Krankenkassen ein, um eine Umsetzung nach Paragraph 87a Absatz 4a SGB V zur Angleichung der Vergütungen in Nordrhein- Westfalen an den Bundesdurchschnitt zu erreichen? Die Landesregierung hat keinerlei rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die Honorarverhandlungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen im Rahmen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15025 4 der gemeinsamen Selbstverwaltung. Im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ist bundesgesetzlich ein Schiedsverfahren vorgesehen. 5. Welche Initiativen ergreift die Landesregierung, um zum Beispiel über eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen im SGB V eine Konvergenz der Vergütungen in Nordrhein-Westfalen an den Bundesdurchschnitt zu erreichen? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Es bleibt zunächst das Ergebnis der Honorarverhandlungen in diesem Jahr abzuwarten.