LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15030 09.05.2017 Datum des Originals: 08.05.2017/Ausgegeben: 12.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5832 vom 6. April 2017 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/14808 Organisationschaos im Asylaufnahmesystem in Nordrhein-Westfalen - Gefährdet die verfehlte Einrichtungsplanung für Landesasylunterkünfte den Erfolg des Dublin-Pilot- Projekts? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das für Dublin-Verfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Innenministerium NRW haben ein Pilotverfahren zum Umgang mit sog. Dublin-Fällen entwickelt . Ziel ist eine beschleunigte Durchführung des Asylverfahrens, um damit zur Entlastung der nordrhein-westfälischen Kommunen eine Zuweisung dieser Personen nicht mehr notwendig zu machen. Während der Unterbringung in den Zentralen Landeseinrichtungen soll das Verfahren sowie ggf. die Zurückweisung aus der Einrichtung erfolgen. Drei Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen sollen für die Unterbringung von unter das Dublin- Pilotverfahren fallende Personen genutzt werden. Das Land stellt dafür rund 900 Plätze bereit. Das Pilotprojekt ist in der Landeseinrichtung in Bottrop gestartet. Hier werden seit dem 01.12.2016 von insgesamt zurzeit 350 Plätzen bis zu 230 für das Dublin-Pilotverfahren genutzt . Laut Antwort des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2017 auf eine Kleine Anfragen – Drs. 16/13968 – heißt es, dass ab Februar 2017 die Einrichtung am Standort Ratingen (von insgesamt 450 Plätzen bis zu 300 für das Dublin-Pilotverfahren) und die Einrichtung am Standort Sankt Augustin (von insgesamt 550 Plätzen bis zu 370 für das Dublin-Pilotverfahren) ebenfalls für das Dublin-Pilot-Projekt genutzt werden sollen. Anscheinend ist aber bis Anfang April keine Umsetzung des Dublin-Projekts in der ZUE Ratingen erfolgt. Denn die Bezirksregierung Düsseldorf erklärt per Pressemitteilung vom 31. März 2017, dass die Bauarbeiten in der ZUE Ratingen noch nicht beendet seien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15030 2 Daher solle die Zentrale Unterbringungseinrichtung im Wuppertaler Arthotel vorübergehend ab Anfang April auch Flüchtlinge unterbringen, deren Asylgesuch nach dem sogenannten Dublin -Projekt bearbeitet wird. Diese Aufgabe soll die ZUE Wuppertal übernehmen, bis die Bauarbeiten in Ratingen abgeschlossen sind. Die Bezirksregierung Düsseldorf geht laut Pressemitteilung davon aus, dass bis Ostern geklärt werde, wann die ZUE Ratingen belegt werden kann. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5832 mit Schreiben vom 8. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung werden durch das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verantwortlich geführt. In den letzten Jahren ist es nicht gelungen , die Rücküberstellungsquote von Asylsuchenden, deren Asylverfahren in einem anderen EU-Staat durchzuführen ist, deutlich zu steigern. Im Jahr 2015 gab es bundesweit 44.892 Übernahmeersuchen aus Deutschland an andere Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III") und 29.699 Zustimmungen der Mitgliedstaaten. Dem standen nur 3.597 erfolgte Überstellungen in andere Mitgliedstaaten gegenüber. Dies entspricht rd. 12 % der Zustimmungen. Im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.10.2016 gab es 44.809 Übernahmeersuchen an andere Mitgliedstaaten und 23.218 Zustimmungen der Mitgliedstaaten. Dem standen 3.226 Überstellungen in die anderen Mitgliedstaaten gegenüber. Dies entspricht rd. 14 % der Zustimmungen. Vor diesem Hintergrund hat sich das BAMF mit dem Land Nordrhein-Westfalen auf die Durchführung eines zunächst auf 6 Monate angelegten Pilotverfahrens zur Effizienzsteigerung verständigt . Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Verfahrensoptimierung und Verfahrensbeschleunigung. Das Projekt führt zu einer Entlastung der Kommunen in NRW, da eine Rücküberstellung bereits aus den Landeseinrichtungen erfolgen soll. 1. Gefährdet die Einrichtungsplanung des Landes für Landesasylunterkünfte - durch die fehlenden 300 Plätze für das Dublin-Verfahren in Ratingen - den Erfolg des Dublin-Pilot-Projekts? 2. Wie kommt es dazu, dass die Landesregierung im Januar noch von einer Nutzung der ZUE in Ratingen ab Februar ausging, nun aber offensichtlich nicht feststeht, wann überhaupt die Bauarbeiten in der ZUE Ratingen abgeschlossen sind? 3. Wie wurden in der Zwischenzeit - bis zur vorübergehenden Unterbringung von Asylbewerbern, deren Asylgesuch im Rahmen des Dublin-Pilotverfahren bearbeitet werden, in der ZUE Wuppertal - die fehlenden 300 möglichen Plätze für das Dublin-Pilotprojekt kompensiert? 4. Inwieweit fand eine Abstimmung über die Nutzung der ZUE Wuppertal für das Dublin -Pilot-Verfahren mit der Bezirksregierung, der Stadt, den Betreibern und der Stadtgesellschaft statt? Die Fragen 1 - 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15030 3 Das Pilotverfahren betrifft neu einreisende Erstantragsteller, die zuvor bereits einen Asylantrag in Italien oder Polen gestellt haben, und zwar unabhängig vom Herkunftsland. Auf der Grundlage dessen wurde für das Pilotprojekt ein landesweiter Bedarf von 900 Unterbringungsplätzen ermittelt. Zur Steuerung des Projekts wurden die Plätze auf wenige Einrichtungen verteilt. Unter Berücksichtigung der regionalen Ausgewogenheit sind für das Dublin-Pilotprojekt in Abstimmung mit allen Bezirksregierungen die Landeseinrichtungen in Bottrop, Ratingen und Sankt Augustin festgelegt worden. Der Start war jeweils zeitversetzt um einen Monat geplant. Ergänzend wurde die Landeseinrichtung in Möhnesee für den Fall, dass sich die Belegbarkeit anderer Einrichtungen verzögert, als sog. Überlaufeinrichtung vorgesehen. Die genannten Einrichtungen werden nicht ausschließlich für die Unterbringung von unter das Dublin-Pilotverfahren fallenden Personen genutzt. Vielmehr werden dort auch sonstige Asylsuchende im Rahmen der Aufnahmeverpflichtung des Landes untergebracht und versorgt. Die Landeseinrichtungen in Bottrop und Sankt Augustin sind wie vorgesehen als Einrichtungen für das Dublin-Pilotverfahren gestartet. Die Landeseinrichtung in Ratingen war ursprünglich ab dem 01.01.2017 vorgesehen. Aufgrund noch andauernder brandschutztechnischer Prüfungen ist die Einrichtung in Ratingen für das Dublin-Pilotverfahren noch nicht nutzbar. Vor diesem Hintergrund wurde von Anfang Januar bis Februar 2017 wie im Planungskonzept vorgesehen die Landeseinrichtung in Möhnesee genutzt. Da die Kapazitäten in den aktiven Dublin-Piloteinrichtungen nahezu erreicht sind, ist es bis zur Fertigstellung der Landeseinrichtung in Ratingen vorübergehend erforderlich, eine weitere Landeseinrichtung in das Projekt einzubeziehen. In Absprache zwischen dem Ministerium für Inneres und Kommunales und der Bezirksregierung Düsseldorf ist der Standort Wuppertal als Zwischenlösung abgestimmt worden. Die Bezirksregierung hat die fachlich und politisch Beteiligten vor Ort (Stadt, Betreuungsverband usw.) vor dem Starttermin informiert. Durch die dargestellten Maßnahmen hat das Land die mit dem BAMF für das Pilotprojekt vereinbarte Bereitstellung von Unterbringungskapazitäten in Höhe von 900 Plätzen sichergestellt. Erste Überstellungen haben Mitte Februar stattgefunden. Die bisherige Umsetzung des Pilot- Verfahrens zeigt, dass alle erreichten Verbesserungen auf der Verfahrensseite nicht den gewünschten Erfolg von effektiven Rücküberstellungen erzielen können, wenn hierfür restriktive Rahmenbedingungen bestehen. Insbesondere müssen Überstellungen in größerer Zahl möglichst im Rahmen von Charterflügen und unter vernünftigem Ressourceneinsatz erfolgen können . Die aktuellen Rahmenbedingungen sind bislang dafür nicht geeignet. Derzeit sind Rücküberstellungen von Deutschland aus nach Italien nur mittels Linienflügen mit einer Kapazität von lediglich 2 bis maximal 5 Personen im Zeitraum von Montag bis Donnerstag und maximal bis 14.00 Uhr zu bestimmten Flughäfen möglich. Auch akzeptiert Italien keine Ersatzpersonen, wenn die zuvor gebuchte Person beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht rücküberstellt werden kann. Hier muss der für das Dublin-Verfahren zuständige Bund dafür Sorge tragen, die derzeitigen Rahmenbedingungen zu verbessern, damit eine Zielerreichung des Projektes möglich wird. 5. Wie sind die weiteren Planungen in Bezug auf das Dublin-Pilotverfahren an den drei Standorten sowie am Interims-Standort Wuppertal? Das Pilotprojekt läuft seit dem 01.12.2016 und ist zeitlich befristet bis zum 31. Mai 2017. Das BAMF sowie das Ministerium für Inneres und Kommunales begleiten das Pilotprojekt sehr eng. Nach Beendigung des Projekts wird das Verfahren mit Blick auf die Erreichung der Projektziele LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15030 4 einer Verfahrensbeschleunigung und einer Steigerung der Überstellungsquote zu evaluieren sein. Hierbei werden auch differenziert Aspekte wie Ressourceneinsatz, Auswirkungen auf den Regelprozess der Steuerung des Asylsystems in Nordrhein-Westfalen, Änderungen in der Einrichtungsstruktur, Anforderungen an das Einrichtungsmanagement u.a. in den Blick zu nehmen sein.