LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15036 19.05.2017 Datum des Originals: 19.05.2017/Ausgegeben: 24.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5843 vom 7. April 2017 des Abgeordneten Rainer Deppe CDU Drucksache 16/14819 Wie bewertet die Landesregierung die Ausbreitung des Bibers in unserem Bundesland? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Biber war über hundert Jahre lang von der Bildfläche in Nordrhein-Westfalen verschwunden . 1877 war an der Möhne der letzte Biber in Westfalen erlegt worden, der letzte rheinische Nager kurz zuvor im Duisburger Hafen. Der Mensch hat mittlerweile in dem Maße Hand angelegt, dass man sagen kann und muss: Wiederansiedlung des Bibers in NRW geglückt — ob man dabei von einer glücklichen Situation sprechen mag oder nicht. Zunächst begann man ab Oktober 1981 mit der Auswilderung von zwölf Tieren in der Eifel und führte im Jahre 2002 mit weiteren Tieren im zweistelligen Bereich auf beiden Niederrheinseiten in der Nähe von Wesel das Vorhaben weiter. Zum Tag der Artenvielfalt im Jahr 2015 meldete das Landesumweltamt (LANUV), dass man wieder ca. 630 Biber verteilt auf 190 Reviere an den Gewässern Nordrhein- Westfalens zählen konnte. Die Entwicklung in anderen Bundesländern zeigt auf, dass zukünftig mit einem weiteren extremen Anstieg des Biberbestandes in Nordrhein-Westfalen zu rechnen ist. Dass der Biber den Menschen und der Umwelt des Landes Nordrhein-Westfalens einige Probleme bereiten kann, steht wohl außer Frage. Da wären beispielsweise über-staute Wiesen und Felder durch Biberdämme, gefällte Bäume in Uferbereichen - hier macht der Biber auch vor hochwertigen Neuanpflanzungen oder Streuobstwiesen nicht Stopp - und instabile Straßen und Untergründe durch unterirdische Biberbauten. Dies sind nur einige Schwierigkeiten, mit denen man sich bei einer so rasant wachsenden Biberpopulation konfrontiert sehen muss. Gerade die Gefahr, dass Hochwasser-schutzanlagen, wie unsere Deiche, durch Untergrabungen erheblich geschädigt werden können und damit ihre Schutzfunktion verlieren, ist offenkundig. Nicht zuletzt wird Umweltminister Remmel in der LZ vom 30. März 2017, wo er über die Probleme der Rückkehr des Wolfes gefragt wurde, mit den Worten zitiert: „Das Thema Wolf wird von vielen überbewertet. Viel größere Probleme ergeben sich für uns durch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15036 2 den Biber." Dieses macht deutlich, dass der Landesregierung das große Gefahrenpotential durch den Biber durchaus bewusst ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße die vom Menschen und nicht von der Natur initiierte Wiederansiedlung des Bibers richtig und sinnvoll war. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5843 mit Schreiben vom 19. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Der Biber ist eine seit Jahrmillionen in Europa heimische Art. Im 19. Jahrhundert wurde er in Nordrhein-Westfalen, wie auch fast im gesamten deutschen Raum (Restpopulationen überlebten nur an der Mittel-elbe) und in angrenzenden Ländern ausgerottet. Hauptgrund war die schonungslose Bejagung, regional spielte auch Verlust von Lebensraum eine Rolle. Diese Gefährdungsfaktoren sind heute so nicht mehr gegeben. Daher fanden ab 1966 in Deutschland zahlreiche Wiederansiedlungen statt. In den benachbarten Niederlanden und in Belgien wurden ebenfalls Biber wieder angesiedelt. Auch ohne die durchgeführten Wiederansiedlungen in NRW wären heute in unserem Bundesland Biber wieder heimisch. So stammen die Vorkommen in den Kreisen Kleve und Viersen nahezu ausschließlich von in den Niederlanden wiederangesiedelten Bibern, die sich seit 1995 zunehmend auch über die Grenze nach NRW ausbreiten. 1. Wie hat sich die Population des Bibers in NRW seit der Wiederansiedlung bis heute entwickelt (bitte um detaillierte Auflistung der Bestandszahlen über die jeweiligen Jahre)? Ausgangspunkt der aktuellen Biberpopulation in NRW war ein Wiederansiedlungsprojekt in der Eifel (Hürtgenwald, Kreis Düren) in den Jahren 1981 bis 1989: - Aussetzung von insgesamt 12 Bibern zwischen 1981 und 1989. - seit 1988 kontinuierlicher Anstieg der Population. - heute Besiedlung des gesamten Einzugsgebiets der Rur von der Rurquelle in Belgien bis in die Niederlande. - 2015 wurden im Rur-System insgesamt 160 Biber-Reviere gezählt, das entspricht etwa 530 Tieren. In den Jahren 2002 bis 2004 erfolgte eine zweite Wiederansiedlung im nördlichen Rheinland (Diersfordter Waldsee und NSG Bislicher Insel, Kreis Wesel): - von 2002 bis 2004 Aussetzung von insgesamt 26 Elbe-Bibern (vier Familien und zwei einzelne Jungbiber, d.h. Bildung von sechs Revieren). - bis etwa 2010 nur geringfügige Zunahme der Population (neun Reviere). - 2012 etwa 13-16 Reviere, nun Festigung der Ansiedlungen und frühere Einzelreviere jetzt meist Familien. - 2015 ca. 14-16 Reviere. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15036 3 Seit 2010 hat sich der Gesamtbiberbestand in NRW wie folgt entwickelt: Jahr Anzahl Reviere Anzahl Tiere 2010 120 > 370 2012 > 150 ca. 500 2013 ca. 160 ca. 530 2015 ca. 240 ca. 750 Insgesamt hat sich der Biberbestand in NRW von 2010 bis 2015 verdoppelt. Im Kreis Düren mit der höchsten Biberdichte ist der Biberbestand von 2004 bis 2012 kontinuierlich um 6 % jährlich angestiegen; in den Jahren 2013 bis 2015 erfolgte dort ein Anstieg von 10 % jährlich. 2. Welche weitere Bestandsentwicklung des Bibers erwartet die Landesregierung? Die Landesregierung geht davon aus, dass sich der Biber in NRW weiter ausbreiten wird. Konkrete Aussagen zur zukünftigen Ausbreitung sind nicht möglich. Alle drei Jahre wird gemäß den bundesweiten Vorgaben des Bundesamtes für Naturschutz eine landesweite Kartierung auf Basis der FFH-Richtlinie durchgeführt. Die nächste Erfassung erfolgt im kommenden Winter 2017/2018. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Biber-Bestand seit 2015 weiter angestiegen ist. 3. In welcher Höhe wurden Ausgleichszahlungen für durch den Biber verursachte Schäden geleistet (bitte um detaillierte Auflistung der Kosten, Art der Schäden, Jahresangabe und Ort)? Das Land hat bisher keinerlei Ausgleichszahlungen geleistet, da es keine entsprechenden Anträge gab. 4. Gibt es ein Managementkonzept der Landesregierung, wie basierend auf den Erfahrungen aus anderen betroffenen Bundesländern und angesichts der zu erwartenden wachsenden Population und damit steigenden Schäden zukünftig mit den Problemen umzugehen ist? 5. Was hat die Landesregierung bisher getan, um das Biberproblem, welches sie nach eigenen Erkenntnissen beschreibt, in den Griff zu bekommen? Frage 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung begleitet die Ausbreitung des Bibers durch eine seit 2009 beim LANUV bestehende Kern-AG „Bibermanagement in NRW“, in der alle in NRW mit dem Biber befassten Institutionen vertreten sind. Diese Kern-AG trifft sich regelmäßig, um sich über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Biberverbreitung, aufgetretene Konflikte und Lösungsmöglichkeiten, akute Gefährdungsfaktoren des Bibers, den Themenkomplex „Biber und Wasserrahmen-Richtlinie“, neue Erkenntnisse zum Bibermanagement in anderen Bundesländern etc. auszutauschen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15036 4 Darüber hinaus gibt es mehrere regionale Biberarbeitsgruppen, die sich aus Vertretern betroffener Behörden, Wasserverbänden und Biologischen Stationen zusammensetzen. Die erste regionale AG wurde bereits 2004 im Kreis Düren gegründet. Weitere AG folgten, z. B. im Kreis Viersen (Schwalm-Bereich) und im Kreis Soest. Ihre Aufgabe ist es vor allem, bei auftretenden konkreten Problemen mit dem Biber schnell und unbürokratisch Hilfestellung zu leisten. Zusätzlich steht auch ein regionales Netz von lokalen ehrenamtlichen Biberberatern als Ansprechpartner für die Bevölkerung zur Verfügung. Für die Biber-berater bietet das LANUV in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station Düren regelmäßig Schulungsseminare an. Um der weiteren Ausbreitung des Bibers Rechnung zu tragen, ist das LANUV beauftragt, bis 2018 - unter Einbeziehung der Wasserwirtschaft und der Landwirtschaft – einen Bibermanagementplan für das Land NRW zu erarbeiten. Die Erarbeitung des Managementplans wird durch die Kern-AG „Bibermanagement“ begleitet.