LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15050 22.05.2017 Datum des Originals: 22.05.2017/Ausgegeben: 26.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5847 vom 10. April 2017 des Abgeordneten Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/14830 Sexualdelikt in der Siegaue Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den Nachtstunden zum 02.04.2017 kam es laut Bonner Generalanzeiger vom selben Tage zu einer Vergewaltigung in der Siegaue in Höhe Bonn-Geislar. Ein dort zeltendes Pärchen wurde um 00.30 Uhr massiv mit einem großen messerähnlichen Gegenstand bedroht und die Frau vor den Augen ihres Freundes vergewaltigt. Die DNA des Täters konnte am Tatort sichergestellt werden. Laut Bonner Generalanzeiger wurde am 06.04.2017 die vermutliche Tatwaffe, eine 50 cm lange Astsäge, unweit des Tatortes gefunden. Die Astsäge war zusammen mit einem Rucksack und einem Seesack in der Tatnacht bei einer Grillparty unweit des Tatortes gestohlen worden. Bereits seit dem 03.04.2017 war nach dem Täter mit einem Phantombild gefahndet worden, das auch in der überregionalen Presse, etwa Spiegel, BILD, SWR und RTL, zum Einsatz kam. Am 08.04.2017 wurde ein 31-jähriger Tatverdächtiger am Beueler Rheinufer festgenommen, nachdem Fußgängern Ähnlichkeiten mit dem veröffentlichten Phantombild aufgefallen waren. Er führte einen Rucksack des Modells mit sich, das in der Tatnacht gestohlen worden war. Nachdem eine Übereinstimmung der gesicherten DNA-Spuren mit der DNA des Beschuldigten festgestellt worden war, wurde schließlich ein Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen erlassen. Laut Bonner Generalanzeiger vom 09.04.2017 handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen 31-jährigen abgelehnten Asylbewerber aus Ghana, der seit Februar in Siegburg lebt. Nach WDR-Informationen vom 08.04.2017 wohnte er in einer Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin. Der Fall hat bundesweit für Entsetzen gesorgt. Neben unwürdiger Hetze gegen Flüchtlinge, Fremde und Muslime wurde in den sozialen Medien auch die Handlungen des Freundes des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15050 2 Vergewaltigungsopfers in einer Art und Weise diskutiert, die geeignet ist, das Trauma der beiden Geschädigten zu vertiefen. Ghana ist nach Anlage II des Asylgesetzes sicherer Herkunftsstaat. Nach § 47 Absatz 1a Asylgesetz müssen seit dem 24.10.2015 Bewerber aus einem sicheren Herkunftsstaat bis zum Abschluss ihres Verfahrens und bei Ablehnung bis zu ihrer Ausreise in einer Landesaufnahmeeinrichtung wohnen. Zudem kann nach § 30a Asylgesetz seit dem 17.03.2016 für Antragsteller aus sicheren Herkunftsländern ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden, in dem die Entscheidung des BAMFs innerhalb einer Woche erfolgt. Laut dem Erlass „Steuerung des Asylsystems in Nordrhein-Westfalen“ vom 29.03.2017 werden beschleunigte Verfahren in NRW seit Ende 2015 praktiziert. Die Aufenthaltszeit dieser Asylsuchenden in den Landeseinrichtungen (inkl. ihrer Aufenthaltszeit in einer EAE) kann länger als sechs Monate betragen, sofern die Voraussetzungen gemäß Asylgesetz vorliegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob von diesen Möglichkeiten gegen den Tatverdächtigen Gebrauch gemacht wurde und warum er sich noch in Deutschland befand. Des Weiteren ist zu klären, wer für die Betreuung des Tatverdächtigen verantwortlich war und ob diese Mitarbeiter hätten Hinweise geben können, die zu einer noch schnelleren Ergreifung des Beschuldigten hätten führen können. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5847 mit Schreiben vom 22. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wohnte der Tatverdächtige vor bzw. während der Fahndungsmaßnahmen in einer Landeseinrichtung (etwa ZUE Sankt Augustin), in einer kommunalen Sammelunterkunft für Flüchtlinge oder in einer eigenen Wohnung? 2. Warum war der Tatverdächtige zur Tatzeit noch nicht abgeschoben (Daten der Einreise , des Asylverfahrens und der eingeleiteten Maßnahme zur Abschiebung)? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet. Die Ankunft des Tatverdächtigen in Nordrhein-Westfalen ist im Februar 2017 erfolgt. Er war ab März 2017 in der Zentralen Unterbringungseinrichtung Sankt Augustin untergebracht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Bescheid festgestellt, dass es sich um einen Fall des Dublin-Verfahrens handelt, d.h. ein anderer europäischer Staat ist für das Asylverfahren zuständig. Von daher wird in der Fragestellung mit dem Hinweis auf § 47 Abs. 1 a und § 30 a AsylG von nicht zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Da die Möglichkeit des Rechtsschutzes durch den Betroffenen in Anspruch genommen wurde, ist für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens die Überstellung in den originär zuständigen Staat nicht durchgeführt worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15050 3 3. Welcher anderer Straftaten wurde der Tatverdächtige vor der Tatnacht ggf. noch verdächtigt? Der Beschuldigte ist vor der Tatnacht einmal wegen Begehung eines einfachen Körperverletzungsdeliktes zulasten eines anderen Bewohners in der ZUE Sankt Augustin kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Das Körperverletzungsdelikt wurde gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt. Weitere Erkenntnisse sind nicht bekannt. 4. Wie viele Betreuer und sonstige Mitarbeiter der Flüchtlingsunterbringung hatten nachweislich Kontakt zum Tatverdächtigen oder waren für ihn zuständig? Im Nachhinein kann nicht mehr festgestellt werden, welcher Betreuer und welche sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Unterbringungseinrichtung Kontakt zu dem Tatverdächtigen gehabt haben. Besondere Nachweise werden hierzu nicht geführt. 5. Warum ist trotz fünftägiger extensiver, bundesweiter Fahndung mit Phantombild, das dem Tatverdächtigen so sehr ähnelte, dass er von zufällig vorbeikommenden Fußgängern identifiziert werden konnte, kein Hinweis auf den Tatverdächtigen von den für ihn zuständigen Betreuern oder Mitarbeitern gekommen, der ggf. eine frühere Festnahme hätte ermöglichen können? Eine Fahndung - in diesem Fall mit Phantombild - richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit. Es ist nicht näher zu bestimmen, wen eine entsprechende Aktion erreicht. Polizeiliche Ermittlungen erfolgten in der ZUE Sankt Augustin erstmalig nach der Festnahme des Tatverdächtigen. Die örtlich zuständige Polizeibehörde hat die Ermittlungen mit höchster Priorität vorangetrieben und sich hierzu zunächst auf sechs kommunale Unterkünfte, die in relativer Tatortnähe liegen, konzentriert. Das Ermittlungsverfahren läuft noch, so dass die Auskunftshoheit bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Bonn liegt. Die Bezirksregierung Köln hat keine eigenen Ermittlungen durchgeführt. In einem laufenden Ermittlungsverfahren besitzt die Bezirksregierung Köln keine Ermittlungskompetenz.