LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15057 24.05.2017 Datum des Originals: 24.05.2017/Ausgegeben: 30.05.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5894 vom 21. April 2017 des Abgeordneten Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/14957 Sexualstraftäter in Leverkusen nicht in Abschiebungshaft genommen Vorbemerkungd er Kleinen Anfrage Anfang April wurde laut Rheinischer Post vom 21. April 2017 ein ausreisepflichtiger Sexualstraftäter nicht in Abschiebungshaft genommen, weil es keinen freien Abschiebungshaftplatz in Nordrhein-Westfalen gab und ein Transport in die 330 km entfernte Abschiebehaftanstalt in Pforzheim, Baden-Württemberg, nicht sichergestellt werden konnte. Es handelt sich um einen Mehrfachstraftäter, der bereits einmal nach dem Absitzen einer fünfjährigen Haftstrafe aus Deutschland abgeschoben worden war, nach einer illegalen Einreise in Gotha sich einer erneuten Abschiebung entzog und dann in Leverkusen aufgegriffen wurde. Der Sexualstraftäter ist mittlerweile untergetaucht. Seit Anfang des Jahres wird von FDP, CDU und der Gewerkschaft der Polizei ein Ausbau der Abschiebehaftplätze in Nordrhein-Westfalen dringend angemahnt. Wie notwendig dieser Ausbau ist, zeigt dieser Fall eindringlich. Erneut stellt sich auch die Frage nach der Prioritätensetzung der Landesregierung, wenn es misslingt, einen ausreisepflichtigen Mehrfachstraftäter, der eindeutig eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, in Abschiebungshaft zu nehmen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5894 mit Schreiben vom 24. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15057 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die UfA Büren ist die bundesweit größte Abschiebungshaftanstalt. Von 16 Bundesländern unterhalten derzeit nur fünf eine belegbare Einrichtung. Diese müssen die in den anderen Bundesländern nicht vorgehaltenen Kapazitäten auffangen und eigene Plätze in Amtshilfe teilweise mit Personen aus diesen Bundesländern belegen. Der Anteil der Personen aus anderen Bundesländern an der Belegung der UfA Büren lag in 2016 im Durchschnitt bei rund 20 Prozent . Zur Abdeckung des Bedarfs aus NRW sind die Möglichkeiten zur Unterbringung im Wege der Amtshilfe gegenwärtig eingeschränkt worden. 1. Warum konnte ein Transport nach Pforzheim nicht sichergestellt werden? Die ausländerrechtliche Zuständigkeit lag in diesem Fall bei der Ausländerbehörde (ABH) der Stadt Gotha. Die ABH Leverkusen wurde durch die ABH Gotha gebeten festzustellen, ob ein Abschiebungshaftplatz für die Person in NRW oder einem benachbarten Bundesland zur Verfügung steht. Das Bundesland Thüringen unterhält selbst keine Abschiebungshaftplätze. Plätze in den Einrichtungen Büren (Nordrhein-Westfalen) und Ingelheim (Rheinland-Pfalz) standen zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung. Ein Transport in die 330 km entfernte Abschiebungshaftanstalt Pforzheim (Baden-Württemberg) konnte als Amtshilfemaßnahme am selben Tag nicht mehr durch die ABH Leverkusen oder die Zentrale Ausländerbehörde in Köln gewährleistet werden. Über diesen Sachstand wurde die ABH Gotha unterrichtet, die daraufhin die Entscheidung traf, die betreffende Person aus dem Polizeigewahrsam zu entlassen. Ein offizielles Amtshilfeersuchen der zuständigen ABH Gotha an die ABH Leverkusen zur Vorführung des Betroffenen bei einem Haftrichter beim Amtsgericht Leverkusen wurde nicht gestellt. Zu einem weiteren Festhalten der Person waren die Behörden in NRW nicht befugt. 2. Warum war in einem so sicherheitsrelevanten Fall keine Überbelegung in der Abschiebungshaftanstalt Büren möglich? Die Unterbringung von Personen in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren (UfA) bestimmt sich nach dem Abschiebungshaftvollzugsgesetz NRW vom 17. Dezember 2015. Wegen der gesetzlichen Vorgaben und der diese umsetzenden hohen Anforderungen an den Vollzug in der UfA ist es nicht möglich, über die Kapazitätsgrenze hinaus Ausreisepflichtige unterzubringen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Welche rechtlichen Möglichkeiten gab es, den Mehrfachstraftäter vorübergehend anderweitig unterzubringen, z. B. in Polizeigewahrsam? Hierzu wird auf die Antwort auf Frage 1 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15057 3 4. An wie vielen Tagen war die Abschiebungshaftanstalt Büren in diesem und im vergangenen Jahr vollständig belegt bzw. überbelegt (mit Datumsangabe der Tage, an denen niemand in Abschiebungshaft genommen werden konnte)? Im Jahr 2016 wurden keine Anfragen der Ausländerbehörden auf Unterbringung von Ausreisepflichtigen aus Kapazitätsgründen abgelehnt. An folgenden Tagen mussten – ausschließlich im Jahr 2017 – Anfragen der Ausländerbehörden auf Unterbringung von Ausreisepflichtigen abgelehnt werden: 17.01.2017, 31.01.2017, 27.03.2017, 31.03.2017, 01.04.2017-05.04.2017, 10.04.2017, 11.04.2017 und 13.04.2017. 5. Wann plant die Landesregierung die Inbetriebnahme von wie vielen neuen Abschiebungshaft - bzw. Ausreisegewahrsamsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Im Jahr 2016 lag die durchschnittliche Belegung in der UfA Büren noch bei ca. 58 Untergebrachten pro Tag. Auf den sprunghaften Anstieg im Januar 2017 auf 88 belegte Plätze hat die Landesregierung schnellstmöglich reagiert und zusätzliche Plätze geschaffen. Noch im Februar 2017 wurden 20 weitere Haftplätze zur Verfügung gestellt. Im Mai 2017 sollen weitere 20 Plätze folgen, so dass eine Kapazität von insgesamt 140 Abschiebungshaftplätzen zur Verfügung stehen wird. Der Ausbau auf 175 Haftplätze ist in Vorbereitung.