LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/15090 31.05.2017 Datum des Originals: 31.05.2017/Ausgegeben: 06.06.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5899 vom 2. Mai 2017 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/14987 Kurzfristige Absage von Schulungen für Honorarkräfte zur Pflegebegutachtung – warum wurden die Betroffenen ohne Angabe von Gründen im Regen stehen gelassen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) wurde eine Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs eingeführt. Pflegebedürftig sind demnach Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb auf Dauer der Hilfe durch andere bedürfen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie von körperlichen, kognitiven oder psychischen Einschränkungen betroffen sind. Maßstab für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit ist im Sinne eines ressourcenorientierten Ansatzes der Grad der Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten oder der Gestaltung von insgesamt sechs zu betrachtenden Lebensbereichen wie z. B. Selbstversorgung, Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, aber auch Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. Es wird in der neuen Systematik also nicht mehr die Abhängigkeit von personeller Hilfe bei Verrichtungen der Grundpflege zeitorientiert nach Minuten bewertet, sondern der vom Grad der Selbstständigkeit abhängige Hilfebedarf in allen relevanten Bereichen der elementaren Lebensführung. Aus diesem Ansatz wurde ein neues Begutachtungsinstrument entwickelt, mit dem der Grad der Selbstständigkeit für die einzelnen Bereiche beschrieben und gewichtet wird. Das Jahr 2016 diente der Vorbereitung des neuen Begutachtungsverfahrens und der Umstellung der bisherigen Pflegestufen auf die neuen fünf Pflegegrade, die zum 1. Januar 2017 wirksam wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch ein erhöhtes Aufkommen an neuen Begutachtungen insbesondere in den Jahren 2017 und 2018 erwartet und somit auch ein zusätzlicher Personalbedarf bei der Pflegebegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Dazu haben bereits im zweiten Halbjahr 2016 Schulungen von Pflegegutachtern und Pflegegutachterinnen stattgefunden. Für eine Tätigkeit als Pflegegutachter kommen in der Regel nur Pflegefachkräfte mit mehrjähriger Berufserfahrung in Frage. Dabei ist grundsätzlich sowohl eine Tätigkeit in Festanstellung bei dem jeweiligen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15090 2 MDK wie als selbstständige Honorarkraft möglich. Aktuell sind sowohl beim MDK Nordrhein wie auch beim MDK Westfalen-Lippe Stellen zur Pflegebegutachtung in Festanstellung ausgeschrieben. Der MDK Westfalen-Lippe hatte zudem Schulungen für die Tätigkeit als selbstständige Pflegegutachter auf Honorarbasis vorgesehen. Eine für den 7. und 8. April 2017 vorgesehene Schulung wurde allerdings kurzfristig mit nur wenigen Tagen Vorlauf und ohne Angabe von Gründen abgesagt. Hintergrund könnten u. a. falsche Annahmen über den Bedarf an Honorarkräften oder veränderte Planungen hinsichtlich eines verstärkten Einsatzes von festangestellten Pflegegutachtern sein. Die sehr kurzfristige Absage lässt sich so aber nicht erklären. Diese ist insbesondere für Betroffene problematisch, die bereits aufgrund von Vorgesprächen Schritte zum Übergang in die Selbstständigkeit unternommen haben wie z. B. eine Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses oder einen Wechsel der Krankenversicherung. Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5899 mit Schreiben vom 31. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Mit der Pflegereform wurde zum 1. Januar 2017 der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, der die Selbstständigkeit der bzw. des Versicherten zum Maßstab hat. Diese oft als Paradigmenwechsel bezeichnete Reform der Pflegeversicherung sorgt dafür, dass die besondere Situation von Menschen mit psychischen und geistigen Beeinträchtigungen, z.B. Demenzerkrankungen, nun umfassender berücksichtigt werden kann. Voraussetzung hierfür war eine Veränderung des Begutachtungsverfahrens, durch die alle für die Pflege und Betreuung relevanten Fähigkeiten und Beeinträchtigungen differenzierter erfasst werden. Die Durchführung der Begutachtungen obliegt den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung (MDK), die als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ihre gesetzlichen Aufgaben grundsätzlich eigenverantwortlich wahrnehmen. Dazu gehört auch die Entscheidung, in welchem Umfang zusätzlich zum eigenen Personal externe Gutachterinnen und Gutachter erforderlich sind und eingesetzt werden, z.B. um Auftragsspitzen oder ergänzende fachliche Kompetenzen abzudecken. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang jedoch anzumerken, dass der Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht über die Mehrarbeit von Gutachtern des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 25.02.2015 u.a. ausgeführt hat, dass er die unabhängige sozialmedizinische Begutachtung als Kernaufgabe des MDK ansieht, welche nur in geringem Umfang externen Gutachterinnen und Gutachtern übertragen werden kann. 1. Wie bewertet die Landesregierung die kurzfristige Absage der Schulung des MDK Westfalen-Lippe für selbstständige Pflegegutachter auf Honorarbasis und deren gegenüber den Betroffenen nicht genannten Gründe? Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, fallen die Bemessung der Personalausstattung sowie Personalentscheidungen in den autonomen Verantwortungsbereich des jeweiligen MDK. Nach Auskunft des MDK Westfalen-Lippe fand am 23.02.2017 eine Informationsveranstaltung für interessierte Pflegefachkräfte statt, die sich als externe (selbstständige) Honorarkräfte für die Erstellung von Pflegegutachten gemäß SGB XI im Auftrag des MDK Westfalen-Lippe beworben hatten. Im Rahmen dieser Informationsveranstaltung wurde folgendes geplante LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15090 3 Vorgehen vorgestellt: Sofern nach der Veranstaltung noch Interesse an einer möglichen Mitarbeit als externe Honorarkräfte bestehe, werde eine Schulungsveranstaltung folgen. Sodann folge eine Einarbeitung und bei fortbestehendem Interesse sowie Eignung eine mögliche eigenständige Erstellung von Pflegegutachten. Verträge über eine externe Honorartätigkeit wurden im Rahmen dieser Informationsveranstaltung ebenso wenig geschlossen wie feste Zusagen über die Aufnahme der Honorartätigkeit oder gar eine Zusicherung des Umfangs einer möglichen Honorartätigkeit gegeben. Im Weiteren erfolgte dann eine Einladung zu einer geplanten Schulung am 07./08.04.2017. Mit Schreiben vom 03.04.2017 wurde diese Schulung abgesagt. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der MDK Westfalen-Lippe im Einvernehmen mit seinem Verwaltungsrat angesichts der hohen Pflegeantragszahlen zur verlässlichen Kapazitätsplanung der Einstellung zusätzlicher festangestellter Pflegefachkräfte in der aktuellen Situation gegenüber der Schulung von externen Honorarkräften den Vorzug gegeben hat. Aus Schulungs- und Einarbeitungskapazitätsgründen ist der MDK Westfalen- Lippe derzeit nicht in der Lage, beide Personengruppen fachlich zu integrieren. Da nach dem Kenntnisstand der Landesregierung während der am 23.02.2017 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe durchgeführten Informationsveranstaltung weder Verträge über eine externe Honorartätigkeit geschlossen noch verbindliche Zusagen über die Aufnahme der Honorartätigkeit oder gar Zusicherungen des Umfangs einer möglichen Honorartätigkeit gegeben wurden, beruhen Vermögensdispositionen interessierter potenzieller Gutachterinnen und Gutachter letztlich auf eigenverantwortlichen Entscheidungen. Die kurzfristige Absage einer Schulung ist insoweit zwar bedauerlich, letztlich aber rechtlich nicht zu beanstanden. 2. Wie viele Neueinstellungen (in Festanstellung) zur Pflegebegutachtung erfolgten jeweils beim MDK Nordrhein und beim MDK Westfalen-Lippe seit dem 01. Januar 2016 (bitte quartalsweise angeben)? MDK Nordrhein: Der MDK Nordrhein hat in der Zeit vom 01.01.2016 bis 31.03.2017 insgesamt 48 Pflegegutachterinnen und -gutachter eingestellt. Dabei handelt es sich vorrangig um neue Stellen. Allerdings sind auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen von sogenannten Ersatzeinstellungen eingestellt worden. 1.Quartal 2016 2.Quartal 2016 3.Quartal 2016 4.Quartal 2016 1.Quartal 2017 Eintritte 6 32 5 - 5 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15090 4 MDK Westfalen-Lippe: Seit dem 01.01.2016 erfolgten im MDK Westfalen-Lippe folgende Neueinstellungen (in Festanstellung) zur Pflegebegutachtung: 1.Quartal 2016 2.Quartal 2016 3.Quartal 2016 4.Quartal 2016 1.Quartal 2017 Eintritte 12 21 12 8 13 Allerdings sind im Jahre 2016 auch 14 Pflegefachkräfte sowie im 1. Quartal 2017 drei Pflegefachkräfte ausgeschieden. 3. Wie viele Personen haben jeweils beim MDK Nordrhein und beim MDK Westfalen- Lippe seit dem 01. Januar 2016 eine Schulung als selbstständige Pflegegutachter auf Honorarbasis absolviert (bitte quartalsweise angeben)? MDK Nordrhein: Der MDK Nordrhein arbeitet mit freiberuflichen Pflegegutachterinnen und –gutachtern zusammen, die nicht beim MDK Nordrhein beschäftigt sind und auch für andere Einrichtungen tätig werden können. Die Zusammenarbeit zwischen der selbstständigen Pflegegutachterin bzw. dem selbstständigen Pflegegutachter und dem MDK Nordrhein ist durch einen Honorarvertrag geregelt. Den Honorargutachterinnen und -gutachtern hat der MDK eine Weiterbildung zum veränderten Pflegebedürftigkeitsbegriff angeboten. In der Zeit von August bis November 2016 erfolgte eine entsprechende Qualifizierung dieser Personen. Dies stellt sich auf die jeweiligen Quartale wie folgt dar: - 3. Quartal: 10 Gutachterinnen und Gutachter - 4. Quartal: 8 Gutachterinnen und Gutachter Die Inhalte und der Umfang dieser Qualifizierungsmaßnahme entsprachen denen der internen Gutachterinnen und Gutachter. MDK Westfalen-Lippe: Im Jahr 2016 wurden durch den MDK Westfalen-Lippe keine Schulungen als selbstständige Pflegegutachterinnen bzw. -gutachter auf Honorarbasis durchgeführt. Im 1. Quartal 2017 erfolgte bei insgesamt 37 Personen (selbstständige Pflegegutachterinnen bzw. -gutachtern auf Honorarbasis) eine Schulung für das Neue Begutachtungsverfahren, darunter waren 34 Personen „Altgutachter“ und 3 neue Honorarkräfte. 4. Wie viele Personen sind derzeit jeweils beim MDK Nordrhein und beim MDK Westfalen-Lippe als selbstständige Pflegegutachter auf Honorarbasis tätig? MDK Nordrhein: Für den MDK Nordrhein arbeiten derzeit 18 Gutachterinnen und Gutachter auf Honorarbasis, die auch hinsichtlich des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs geschult sind. Drei Gutachterinnen bzw. Gutachter, die in der Vergangenheit Gutachtenaufträge für den MDK ausgeübt haben, übernehmen derzeit aus verschiedenen Gründen keine weiteren Gutachtenaufträge. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Wiederaufnahme dieser LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/15090 5 Gutachtertätigkeit gewünscht sein, wird der MDK bei Bedarf diese Gutachterinnen und Gutachter entsprechend dem neuen Begutachtungsinstrument qualifizieren. MDK Westfalen-Lippe: Im MDK Westfalen-Lippe sind derzeit 37 selbstständige Pflegegutachterinnen und -gutachter auf Honorarbasis tätig, die gemäß Neuem Begutachtungsverfahren geschult sind. 5. Wie bewertet die Landesregierung insgesamt den Bedarf an selbstständigen Honorarkräften zur Pflegebegutachtung? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt obliegt die Ermittlung und Bewertung des Bedarfs an selbstständigen Honorarkräften zur Pflegebegutachtung allein dem MDK. Hinweise auf eine unzureichende Aufgabenerfüllung, die eine eigene Bewertung durch die Landesregierung oder ein Eingreifen der Landesregierung im Wege der Rechtsaufsicht erforderlich machen würde, liegen der Landesregierung nicht vor.