LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1635 05.12.2012 Datum des Originals: 04.12.2012/Ausgegeben: 10.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 660 vom 12. November 2012 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/1413 Wie steht die Landesregierung zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 660 mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bundesrat hat in seiner 901. Sitzung vom 16.10.2012 unter Tagesordnungspunkt 6 die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz (BR-Drs. 503/12 (B)) beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf soll für alle Gerichtsbarkeiten stufenweise und flächendeckend der elektronische Rechtsverkehr eingeführt werden. Alle professionellen Einreicher sollen verpflichtet werden, spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes mit den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu kommunizieren. Ausweislich Ziffer 1 des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt I.9 der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom13./14.06.2012 in Wiesbaden wurde die Initiative von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein erarbeitet. Mitantragstellende Länder des im Bundesrat beratenen Gesetzesantrags (BR-Drs. 503/12) waren neben Hessen die Länder BadenWürttemberg , Sachsen, Niedersachsen und Berlin. Nach den im Bundesrat geltenden Abstimmungsregeln erfolgt – soweit nicht ausnahmsweise durch Aufruf der Länder abgestimmt wird – bei der Abstimmung ausschließlich die Feststellung , ob eine Mehrheit für die jeweilige Abstimmungsfrage erreicht ist (Handaufheben = dafür ). In den Plenarprotokollen des Bundesrats wird dann lediglich festgehalten, ob bei einer Abstimmung die Mehrheit der Stimmen erreicht worden ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1635 2 1. Aus welchen Gründen gehörte Nordrhein-Westfalen nicht zu den mitantragstellenden Ländern des Gesetzesantrags (BR-Drs. 503/12), obwohl es den Gesetzesantrag mit erarbeitet hat? Eine (Mit-)Antragstellung war zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Diese sollte aus nordrheinwestfälischer Sicht den in der Arbeitsgruppe federführenden Ländern (Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen) vorbehalten bleiben. 2. Wie hat Nordrhein-Westfalen in der 901. Sitzung des Bundesrats vom 16.10.2012 bei den drei Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 6 (zu Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen , zu den restlichen Ausschussempfehlungen, zur Einbringung in der zuvor festgelegten Fassung) jeweils abgestimmt (dafür oder nicht dafür)? Nordrhein-Westfalen hat sich in der 901. Sitzung des Bundesrats vom12.10.2012 bei der Abstimmung über den Gesetzesantrag und die Empfehlungen der Ausschüsse in der Drucksache 503/1/12 der Stimme enthalten. 3. Aus jeweils welchen Gründen erfolgte die Abstimmung Nordrhein-Westfalens in der jeweils vorgenommenen Weise? Nordrhein-Westfalen begrüßt grundsätzlich den Gesetzentwurf und dessen Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz zu fördern. Durch die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sollen Effizienz, Schnelligkeit und Bürgerfreundlichkeit der Justiz gestärkt werden. Da in einzelnen, aus nordrhein-westfälischer Sicht entscheidenden Details (insbesondere gesetzliche Festschreibung eines fixen Endtermins für die Einführung des obligatorischen elektronischen Rechtsverkehrs) kein Konsens erzielt werden konnte, hat NordrheinWestfalen dem Gesetzentwurf in der dem Bundesrat vorgelegten Fassung nicht zugestimmt. 4. Welche technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen in Nord- rhein-Westfalen geschaffen werden, um einen flächendeckenden elektronischen Rechtsverkehr zu ermöglichen? Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs wird sowohl die IT als auch die Organisation in der Justiz Nordrhein-Westfalens vor große Herausforderungen stellen. Technisch wird eine Umstellung der Softwarearchitektur erforderlich sein. Es ist eine integrierte , aber gleichwohl modulare IT-Landschaft zu entwickeln, die mit allen Bestandteilen für den elektronischen Rechtsverkehr (Postein- und -ausgang, Dokumentenarchiv usw.) ausgestattet sein muss. Aus Sicht Nordrhein-Westfalens ist die Einführung des obligatorischen elektronischen Rechtsverkehrs untrennbar mit einer ausschließlich elektronischen Aktenhaltung verbunden, weil nur so Mehraufwand verursachende Medienbrüche vermieden werden können. Die elektronische Akte wird eine einheitliche ergonomische und barrierefreie Bedienungsoberfläche auf allen Geräten (PC, Tablet, Smartphone) bieten müssen. Da die Einführung der elektronischen Akte die Bearbeitung der auf Papier ausgerichteten Arbeitsabläufe grundlegend verändern und letztlich einen Wechsel der Bearbeitungskultur in der Justiz zur Folge haben wird, bedarf es neben der Schaffung der rechtlichen und techni- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1635 3 schen Voraussetzungen einer grundlegenden Reorganisation der Geschäftsprozesse und einer permanenten Begleitung des Veränderungsprozesses in gesamtorganisatorischer Hinsicht . 5. Inwieweit bedarf es in Nordrhein-Westfalen vor weiteren Maßnahmen zur Förde- rung des elektronischen Rechtsverkehrs einer weitergehenden Zentralisierung der Informationstechnik der Gerichte? Auf die Antwort zu Frage 4 wird Bezug genommen. Die Umstellung der Softwarearchitektur hin zu serviceorientierten Architekturen wird im derzeitigen dezentralen IT-Betrieb wirtschaftlich sinnvoll nicht möglich sein. Mit der IT-Zentralisierung wird daher das Ziel verfolgt, die Zukunftsfähigkeit der Justiz-IT zu erhalten.