LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1688 13.12.2012 Datum des Originals: 12.12.2012/Ausgegeben: 18.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 639 vom 6. November 2012 des Abgeordneten Klaus Kaiser CDU Drucksache 16/1365 Was versteht die Wissenschaftsministerin unter einem Kulturwandel in Wissenschaft und Forschung? Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 639 mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem von ihr persönlich verfassten Artikel in der Sonderbeilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30.10.2012 fordert die Wissenschaftsministerin des Landes NordrheinWestfalen , Frau Svenja Schulze, mit Vehemenz „einen Kulturwandel in Wissenschaft und Forschung“. Obwohl sie davon spricht, dass der Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen mit seinen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen „auf europäischem Spitzenniveau “ wissenschaftliche Exzellenz bietet, ist sie unzufrieden mit den wissenschaftlichen Leistungen, die diese gewachsene Wissenschafts- und Forschungslandschaft hervorbringt. Denn Frau Schulze behauptet, Wissenschaft und Forschung, wie sie derzeit in NordrheinWestfalen betrieben werden, zeichneten sich durch das „stereotype Anwenden sogenannter ‚klassischer‘ Instrumentarien“ aus. Die Wissenschaften folgten dem „Mainstream einer Forschungsphilosophie “. Frau Schulze „erwartet anderes von den Wissenschaften“ und fordert einen Kulturwandel. Durch einen solchen tiefgreifenden Wandel - denn anders kann man den Begriff Kultur in diesem Zusammenhang nicht verstehen - sollen dann offensichtlich Forschungsergebnisse möglich sein, die „andere Disziplinen und auch die Gesellschaft wesentlich öfter und stärker einbeziehen“. Entsprechend diesem kulturell gewandelten Verständnis von Wissenschaft LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1688 2 und Forschung, das der breiten Öffentlichkeit ein Mitspracherecht zugesteht, will die Wissenschaftsministerin dann auch zukünftig ihre finanzielle Förderung ausrichten. 1. Was versteht die Wissenschaftsministerin unter dem "Mainstream einer For- schungsphilosophie"? 2. Mit welchen Forschungsergebnissen der nordrhein-westfälischen Wissen- schaftslandschaft ist die Wissenschaftsministerin unzufrieden? 3. Welche klassischen Instrumentarien sind von Frau Schulze gemeint, die zu nicht zufriedenstellenden Forschungsergebnissen führen? Wissenschaftliche Forschung gerät immer dann in Gefahr, einem Mainstream zu unterliegen, wenn sie in ihren Annahmen und methodischen Verfahren einigen wenigen Denkschulen folgt und dazu neigt, andere Betrachtungsweisen, Annahmen und Methoden a priori als nicht zielführend zu bewerten. Zuletzt hatte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (vgl. "Wissenschaft & Wirtschaft: Ökonomie neu denken! aber wie?"; Heft 02/2012) sich intensiv mit Tendenzen dieser Art in den Wirtschaftswissenschaften auseinandergesetzt. 4. Welche forschungsrelevanten Impulse kann die Gesellschaft beispielsweise auf den Forschungsgebieten "Mathematische Methoden der Physik" oder "Elementarteilchenphysik " geben? Es muss künftig besser gelingen, die nicht immer plausible Relevanz von Grundlagenforschung dem Steuerzahler nachvollziehbar zu vermitteln. Eine gemeinsame Aufgabe der Wissenschaft und Wissenschaftspolitik ist: Den Sinn der Arbeiten in den verschiedenen Forschungsgebieten für die Bürgerinnen und Bürger verständlich zu vermitteln. So erhöhen sich auch die Legitimität und gesellschaftliche Akzeptanz der Wissenschaftsausgaben als notwendige Investitionen in die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. 5. Wird die Wissenschaftsministerin demnächst Sonderforschungsbereiche wie z.B. "Modell gestützte experimentelle Analyse kinetischer Phänomene in mehrphasigen fluiden Reaktionssystemen" nicht mehr fördern, weil die breite Öffentlichkeit auf einem solchen hochkomplexen und nur Fachleuten verständlichen Gebiet nicht mitreden kann? Nein. Förderentscheidungen etwa in Sonderforschungsbereichen basieren auf einem breiten Kriterienkatalog. Unabhängig davon ist wünschenswert, dass auch Sonderforschungsbereiche in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, aus denen Produkte und Verfahren entstehen können, verständlich und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sind, erst recht, wenn sie etwa dazu dienen, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.