LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1699 13.12.2012 Datum des Originals: 13.12.2012/Ausgegeben: 18.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 597 vom 29. Oktober 2012 des Abgeordneten Olaf Wegner CDU Drucksache 16/1247 Altersarmut in NRW Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 597 mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut aktuellen Medienberichten droht Arbeitnehmern in Deutschland, die durchschnittlich 2.500 Euro brutto im Monat verdient und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, nur eine Rente in Höhe der Grundsicherung oder darunter. Laut Statistischem Bundesamt haben 2010 mehr als ein Drittel aller Vollzeitbeschäftigten weniger als 2500 Euro im Monat verdient. Der sogenannte Rentenreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) [http://nrw.dgb.de/presse/++co++54ec57ec-f696-11e1-aa0b-00188b4dc422] kommt zu einem ähnlichen Ergebnis für Nordrhein-Westfalen (NRW): Laut dieser Studie sei jeder dritte Rentenversicherte in Nordrhein-Westfalen (NRW) akut von Altersarmut bedroht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1699 2 1. Für wie realistisch schätzt die Landesregierung den besagten Rentenreport des DGB ein? Die Landesregierung teilt die Einschätzung des Rentenreports, wonach das Risiko hoch ist, dass ohne gegensteuernde Maßnahmen die Altersarmut in den nächsten zwei Jahrzehnten zunehmen wird. Das konkrete Ausmaß wird davon abhängen, wie schnell es gelingt, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 2. Welche Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant, um der drohen- den Altersarmut der Menschen, deren Bruttoeinkommen durchschnittlich weniger oder gleich 2.500 Euro beträgt und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben werden , in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu begegnen? Zukünftige Altersarmut lässt sich insbesondere über die Herstellung gerechter und fairer Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt vermeiden. Ein wichtiger Baustein zur Vermeidung von Altersarmut wäre es, wenn die Bundesregierung die Forderungen der Landesregierung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von mindestens 8,50 € umsetzen und der Bundesgesetzgeber ein entsprechendes Gesetz beschließen würde. Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales wird im Rahmen des Aktionsplans „Faire Arbeit - Fairer Wettbewerb“ weitere Verbesserungen der Arbeitsmarktbedingungen anstoßen und forcieren. Die Landesregierung hat mit dem am 1. Mai 2012 in Kraft getretenen Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen (TVgG-NRW) eine Voraussetzung für faire Bezahlung geschaffen . Öffentliche Aufträge dürfen nur an die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer vergeben werden, die ihren Beschäftigten bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge einen Mindestlohn von 8,62 € oder mehr zahlen. Darüber hinaus entwickelt die Landesregierung derzeit ein Handlungskonzept „Gegen Armut und soziale Ausgrenzung“, um durch weitere präventive Maßnahmen rechtzeitig der Gefahr u.a. von Altersarmut zu begegnen. Die Landesregierung hat sich in der Vergangenheit wiederholt für Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut eingesetzt, z.B. für die Erstreckung der sogenannten Rente nach Mindesteinkommen für Versicherte mit 35 Versicherungsjahren auf Zeiten nach 1991. Die gesetzliche Rentenversicherung unterliegt aber der Regelungskompetenz des Bundes. Die Landesregierung hat deshalb die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, die Länder frühzeitig an den Überlegungen zur Reform der Alterssicherung zu beteiligen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist dieser Bitte bislang nicht gefolgt, was zur nunmehr eingetretenen Verzögerung bei der Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut geführt hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1699 3 3. Welche Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant, um der drohenden Altersarmut der Menschen, die nicht 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben werden , weil sie z.B. Bezüge nach dem SGB II erhalten und/oder ihren Pflichten als Eltern nachkommen, zu begegnen? Erklärtes Ziel der Landesregierung ist in erster Linie, zukünftige Altersarmut durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Nordrhein-Westfalen, auch für Kindererziehende, zu vermeiden . Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Altersarmut ist häufig auch ein Problem von Frauen, die wegen geringer Vergütung, Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung und familienbedingten Berufsunterbrechungen häufig nur geringe Rentenansprüche erwerben können. Mit den Kompetenzzentren Frau und Beruf hat die Landesregierung eine Infrastruktur geschaffen, um diese Nachteile im Erwerbsverlauf von Frauen zu reduzieren und so auch deren Alterssicherung zu verbessern. Die Landesregierung sieht auch dringenden Handlungsbedarf bei den „prekären Beschäftigungsverhältnissen “ und hat z.B. im November 2011 einen Gesetzentwurf zur Reform der geringfügigen Beschäftigung in den Bundesrat eingebracht (BR-Drucksache 768/11). Dieser sah eine Begrenzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit auf zwölf Stunden vor, um eine Benachteiligung der geringfügig Beschäftigten durch exzessive Ausdehnung der Arbeitszeit bei gleichbleibender Lohnhöhe zu verhindern. Im Bundesrat fand diese Initiative keine Mehrheit . Die Landesregierung wird sich jedoch weiter für gute und faire Arbeitsbedingungen, insbesondere bei prekären Beschäftigungsverhältnissen einsetzen. Soweit nach den rentenrechtlichen Regelungen gefragt wird, sollte nach Auffassung der Landesregierung die Rente nach Mindesteinkommen auch für Menschen greifen, die wegen Kindererziehung nicht oder nur eingeschränkt einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen konnten. Hinsichtlich der Bezieherinnen und Bezieher von ALG II muss geprüft werden, inwieweit die Absicherung dieser Menschen durch Pflichtbei-träge verbessert werden kann. Diese Maßnahmen und, soweit dies noch nicht ausreicht, die Aufstockung auf die Solidarrente von mindestens 850 €, können sicherstellen, dass auch für diese Personenkreise Altersarmut vermieden wird. 4. Für wie realistisch schätzt es die Landesregierung ein, dass Geringverdiener (Bruttoeinkommen kleiner oder gleich 2500 Euro) in NRW durch private Zusatzrenten mit ihren gesamten Rentenansprüchen (staatliche plus private) über den Betrag der Grundsicherung hinaus kommen können? Bei Personen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.500 € handelt es sich nicht um Geringverdiener. Ein Einkommen in dieser Höhe entspricht in etwa dem Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung. Grundsätzlich gilt aber, dass je geringer die Verdienste und Haushaltseinkommen sind, desto eingeschränkter sind die Möglichkeiten, eine Altersvorsorge oberhalb der Grundsicherung aufzubauen. Beispielhaft sei auf den Sozialbericht NRW 2012 – Armuts- und Reichtumsbericht (Vorlage 16/136) verwiesen. Danach müssen Haushalte aus dem unteren Einkommensfünftel mehr als 70 % des verfügbaren Einkommens von gut 1.000 € für lebensnotwendige Bedürfnisse wie Miete, Nahrung und Kleidung ausgeben. Vom Rest müssen noch die Ausgaben für Ver- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1699 4 kehr, Telefon, Freizeit und Bildung bestritten werden. Eine private Altersvorsorge ist für diesen Personenkreis nicht möglich. Deshalb setzt sich die Landesregierung für eine bessere Absicherung dieses Personenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung und Verbesserungen am Arbeitsmarkt ein. 5. Wie viel Rentner gibt es derzeit in Nordrhein-Westfalen (NRW), die neben ihren Rentenbezügen Sozialleistungen wie Grundsicherung, Wohngeld e.t.c. beziehen ? Laut vorliegender amtlicher Statistik der Sozialhilfe (Quelle: IT.NRW) haben am 31. Dezember 2011 insgesamt 81.611 Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezogen, bei denen eine Altersrente als Einkommen angerechnet wurde. Im Vorjahr (2011) haben in Nordrhein-Westfalen 73.283 Rentnerinnen und Rentner Wohngeld bezogen.