LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1701 13.12.2012 Datum des Originals: 13.12.2012/Ausgegeben: 18.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 654 vom 8. November 2012 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/1388 Plant Innenminister Jäger für die bevorstehenden Wintermonate erneut einen Abschiebestopp für abgelehnte, ausreisepflichtige Asylbewerber? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 654 mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie sich aus der Vorlage 16/330 des Ministeriums für Inneres und Kommunales hervorgeht, registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im September 2012 insgesamt 6.691 Asylerstantragsteller. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Antragsteller damit um 61,9 % gestiegen. Die vom BAMF noch im August bekanntgegebene Zugangsschätzung von monatlich ca. 4.500 Erstantragstellern habe daraufhin auf 9.000 verdoppelt werden müssen. Nordrhein-Westfalen habe auf dieser Grundlage mit monatlich 1.900 aufzunehmenden Menschen zu rechnen. Zu den beiden zugangsstärksten Herkunftsländern haben sich nach den Angaben des BAMF Serbien und Mazedonien entwickelt. So sei die Zahl der Erstantragsteller aus Serbien von bundesweit 324 im Juli auf 1.395 im September angestiegen ; die der Erstantragsteller aus Mazedonien im gleichen Zeitraum von 215 auf 1.040. In der Presse wird der Anstieg von Asylbewerbern aus den genannten Ländern u.a. auf den Wegfall der Visumspflicht für Serben und Mazedonier zurückgeführt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vermutet einen direkten Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz: „Die Asylanträge werden nur gestellt, um an das Geld zu kommen. (…) Es gibt in Serbien und Mazedonien eindeutig keine asylrelevante Verfolgung“ (FAZ vom 16.10.2012). Laut Focus.de vom 12.10.2012 sollen in der Vergangenheit „weit über 90 Prozent“ der Anträge aus diesen Ländern abgelehnt worden seien. Die in Nordrhein-Westfalen zuständigen Stel- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1701 2 len werden durch den massiven Zustrom von Asylbewerbern vor erhebliche Probleme bei der Unterbringung gestellt. An der Frage der Abschiebung in die Balkanstaaten hatte sich bereits im vergangenen Jahr ein handfester Streit zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen entzündet. Innenminister Ralf Jäger (SPD) war noch Anfang Dezember 2011 fest entschlossen, abgelehnte Asylbewerber aus dem Kosovo auch im Winter in ihre Heimat zurückzuschicken. Der Minister begründete seine damalige Ansicht mit dem Argument, dass weder humanitäre noch klimatische Umstände einen Abschiebestopp in das Kosovo rechtfertigen könnten (vgl. PlProt 15/49, S. 5009). Nach Kritik des Grünen-Koalitionspartners knickte Innenminister Jäger kurz darauf schließlich doch ein und gab den sogenannten „Wintererlass“ heraus. Danach durften Roma-Angehörige aus dem Kosovo während des Winters vorübergehend nicht abgeschoben werden. Angesichts der eben beschriebenen Entwicklung der Asylantragszahlen wird in den Medien bereits die Befürchtung geäußert, dass ein erneuter „Wintererlass“ des Innenministeriums einen weiteren Anreiz für Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien darstellen könnte, um nach Nordrhein-Westfalen zu kommen (s. dazu WDR.de vom 19.10.2012: „Abschiebungen auch im Winter?“). Vorbemerkung der Landesregierung Im Plenum vom 9. Dezember 2011 wurde der gemeinsame Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN "NRW schützt Menschen vor Verfolgung und in Not" (Drs. 15/3499) mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen. Er sah vor, dass bei der Rückführung besonders schutzbedürftiger Angehöriger der Roma, Ashkali und Ägypter in den Kosovo jedes Risiko ausgeschlossen werden muss. Für Familien mit minderjährigen Kindern, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, allein reisende Frauen, alte Menschen über 65 Jahre sowie Kranke und Pflegebedürftige sollte deshalb sichergestellt werden, dass sie nicht vor dem 1. April 2012 zurückgeführt werden. Im Übrigen sollten die Mitarbeiter des URA II Projekts über die Rückführung anderer Personen frühzeitig unterrichtet werden. Die Ausländerbehörden wurden entsprechend der angenommenen Entschließung durch Erlass u.a. gebeten, nach den vereinbarten Grundsätzen einer schonenden und schrittweisen Rückführung die Abschiebung besonders schutzbedürftiger Minderheitenangehöriger nicht zu priorisieren. Hiervon ausgenommen wurden Straftäter. Die Behauptung des Fragestellers , dass Roma-Angehörige aus dem Kosovo während des Winters vorübergehend nicht abgeschoben werden durften, gibt den Inhalt der Regelung daher nicht zutreffend wieder. Der ebenfalls in der Plenarsitzung am 9. Dezember 2011 behandelte Eilantrag der Fraktion DIE LINKE "Keine Abschiebung ins Elend - Wintererlass für Roma II" (Drs. 15/3460) zielte darauf, in den Wintermonaten von Rückführungen der Roma in die ehemaligen jugoslawischen Republiken Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo abzusehen. Er wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1701 3 1. Hält der Innenminister es für erforderlich, für den Winter 2012/2013 ebenfalls einen "Wintererlass" zur Vermeidung von Abschiebungen für abgelehnte, ausreisepflichtige Asylbewerber zu verfügen? Einen Erlass mit der genannten Zielsetzung bzw. für die genannte Zielgruppe gab es bislang in Nordrhein-Westfalen nicht. Eine solche Regelung ist auch nicht beabsichtigt. Der sogenannte Wintererlass vom 12. Dezember 2011 erfasste ausschließlich die besonders schutzbedürftigen Personen unter den Angehörigen der Minderheiten der Roma, Ashkali und Ägypter aus dem Kosovo. Insofern wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen . Die Ausländerbehörden sind im Übrigen seit dem Jahr 2010 mit einer Reihe von Erlassen auf die prekäre Lage der Angehörigen der ethnischen Minderheit der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo hingewiesen und zu einer umfassenden Einzelfallprüfung angehalten worden. Durch die Vorgabe einzelner Prüfkriterien hat das Ministerium für Inneres und Kommunales darauf hingewirkt, dass insbesondere die Belange besonders schutzbedürftiger Personen im Rahmen anstehender Rückführungsentscheidungen angemessen Berücksichtigung finden. Die zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich diese Maßnahmen bewährt haben. Die Ausländerbehörden sind hinreichend sensibilisiert und wenden die Vorgaben mit der gebotenen Sorgfalt an, so dass die Vermeidung unzumutbarer humanitärer Härten gewährleistet ist. 2. Bei wie vielen der momentan in Nordrhein-Westfalen aufhältigen Asylantragstel- ler aus Serbien und Mazedonien wurde das Asylverfahren inzwischen ausreisepflichtig abgeschlossen? Nach aktuellen Informationen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Verfahrensdauer bei Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien bundesweit auf ca. 1,3 bis 1,6 Monate verkürzt. Wie viele dieser Verfahren bereits unanfechtbar abgeschlossen wurden, ist der Landesregierung nicht bekannt. 3. Wie viele Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien sind seit August 2012 aus Nordrhein-Westfalen abgeschoben worden? In der Zeit von August bis Mitte November 2012 sind aus Nordrhein-Westfalen insgesamt 152 Personen nach Serbien und Mazedonien abgeschoben worden. Wie viele dieser Personen aufgrund des negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens zurückgeführt worden sind, kann ohne Überprüfung der Einzelfälle nicht festgestellt werden. Der Aufwand zur Beantwortung der Frage würde hier das für eine Kleine Anfrage vertretbare Maß übersteigen. 4. Wie viel Zeit vergeht durchschnittlich zwischen dem Abschluss des Asylverfah- rens von Flüchtlingen aus Serbien und Mazedonien und deren Abschiebung aus Nordrhein-Westfalen? (Bitte auch im Vergleich zum Vorjahr angeben!) Diese Angaben werden statistisch nicht erfasst.