LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1705 14.12.2012 Datum des Originals: 12.12.2012/Ausgegeben: 19.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 641 vom 2. November 2012 des Abgeordneten Rainer Deppe CDU Drucksache 16/1367 Gefährliche Rauschmittel in sogenannten „Legal Highs“ Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 641 mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bei den sogenannten „Legal Highs“ handelt es sich um kleine Päckchen, die als Räucherwerk , Kräutermischung oder Pflanzendünger angeboten werden. Tatsächlich beinhalten diese Produkte aber gefährliche Rauschmittel. Diese werden von vielen Jugendlichen geschluckt , geschnieft oder geraucht. In einigen dieser Produkte wurden synthetische Cannabinoide festgestellt, die bisher wenig erforscht sind und damit unkalkulierbare Wirkungen haben. Dem Bundeskriminalamt sind Fälle bekannt, bei denen es nach Konsum zu lebensgefährlichen Vergiftungen kam. Aufgrund fehlender Kennzeichnung über die genaue Zusammensetzung des Produktes und Änderung der Wirkstoffe bei gleichbleibenden Namen, ist es schwer nachzuvollziehen, welche Wirkstoffe welche Wirkung hervorrufen. Cannabinoide unterliegen nicht dem Betäubungsmittelgesetz, jedoch dem Arzneimittelgesetz . Der Handel ist strafbar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1705 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung nimmt zu den Ausführungen des Fragestellers zu den Gefahren der sogenannten "Legal Highs" wie folgt Stellung: Seit einigen Jahren werden insbesondere über das Internet sowie spezielle Geschäfte ("Smart-Shops" oder "Head-Shops") zunehmend mit synthetischen Cannabinoiden versetzte Kräutermischungen vertrieben, die auch als "Legal Highs" bezeichnet werden, da die darin enthaltenen neuen psychoaktiven Substanzen den betäubungsrechtlichen Bestimmungen nicht oder noch nicht unterliegen. Oftmals werden diese Produkte, die auch als Raumlufterfrischer , pflanzliche Räuchermittel oder Badesalze angeboten werden, mit dem Hinweis "nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt" gekennzeichnet, obwohl sie dem missbräuchlichen Konsum als Rauschmittel dienen sollen. Damit sollen die gesetzlichen Verbote und Kontrollen durch die Hersteller und Anbieter dieser Produkte gezielt umgangen werden. Es handelt sich um ein europaweites Problem. Nach dem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission haben die Mitgliedstaaten seit 2005 über das europäische Frühwarnsystem 164 neue psychoaktive Substanzen gemeldet, davon 49 allein in 2011 (2010 - 41; 2009 - 24). Dieser deutliche Anstieg der Zahl der gemeldeten Substanzen erfolgt vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Problematik der "Legal Highs" und spiegelt nach Einschätzung der Europäischen Kommission sowohl die Zahl der auf den europäischen Drogenmarkt gebrachten Substanzen als auch die verbesserten Meldekapazitäten der nationalen Frühwarnsysteme wider. Empirisch gesicherte Daten über die Verbreitung und den Konsum von "Legal Highs" in Deutschland liegen weiterhin nicht vor. Die Vielfalt der Produkte und Konsumformen (z.B. durch Rauchen, Schnupfen oder Inhalieren) erschweren die Gewinnung valider Daten. Allerdings hat eine im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in der Zeit von Juni bis September 2011 durchgeführte (nicht repräsentative) Online-Befragung der Universität Frankfurt ergeben, dass im Jahr 2010 in der Altersgruppe der 15-18-Jährigen ca. 9% Räuchermischungen konsumiert haben. Die Ergebnisse dieser Befragung sprechen zugleich dafür, dass durch die neuen Substanzen regelmäßig keine neue Konsumentengruppe angesprochen wird, da der Konsumentenkreis von neuen synthetischen Drogen mit dem Konsumentenkreis anderer illegaler Drogen nahezu identisch gewesen ist. Ein Verbot des Vertriebs dieser neuen synthetischen Drogen bzw. ihrer Inhaltsstoffe kann nur auf Bundesebene durch Änderung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften geregelt werden. Mit In-Kraft-Treten der 26. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung am 26. Juli 2012 wurden nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit zusätzlich zu den 7 bereits vorher dem Betäubungsmittelgesetz unterstellten synthetischen Cannabinoiden weitere 12 synthetische Cannabinoide in die Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen. 1. Ist der Landesregierung das dargestellte Problem bekannt? Ja. Es wird auf die Vorbemerkung zu dieser Antwort sowie die schriftlichen Berichte des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit , Soziales und Integration des Landtags Nordrhein-Westfalen über "Produktion und Konsum von synthetischen Drogen - Einschätzung der Situation in Nordrhein-Westfalen" vom 15. April 2011 (Vorlage 15/570) und die "Entwicklung im Bereich Kräutermischungen" vom 07. November 2011 (Vorlage 15/936) verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1705 3 2. Hält die Landesregierung Cannabinoide für gesundheits-schädlich? Die mit dem Konsum dieser Drogen verbundenen Gesundheitsrisiken sind erheblich und unkalkulierbar, da die Substanzen oftmals verunreinigt sowie die Inhaltsstoffe und ihre Zusammensetzung , die sich häufig ändern, in der Regel nicht bekannt sind. Außerdem nehmen die gesundheitlichen Risiken durch den weit verbreiteten gleichzeitigen Konsum anderer Stoffe, wie z. B. Alkohol, zu. 3. Wie hoch ist die Anzahl der bekannten Fälle in NRW, in denen es nach dem Kon- sum von "Legal High"-Produkten zu Vergiftungen gekommen ist? Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. Klinikaufenthalte aufgrund von Vergiftungen durch derartige Rauschmittel werden in der Krankenhausdiagnosestatistik in den jeweiligen Substanzgruppen Halluzinogene und Stimulantien einschließlich Koffein zusammengefasst und nicht ausdifferenziert erfasst. 4. Wie ist die Öffentlichkeit in NRW durch die Landesregierung gewarnt worden? Die Aufklärung über die Risiken des Konsums synthetischer Drogen ist fester Bestandteil der Maßnahmen des Landes zur Sucht- und Drogenprävention. Die Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung NRW - GINKO - hat z. B. bereits im Jahre 2009 einen Info-Flyer zu den auf dem Markt befindlichen Kräutermischungen herausgegeben und auf die gesundheitlichen Gefahren des Konsums sogenannter legaler Räuchermischungen hingewiesen. Die Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung NRW hat die SuchtProphylaxefachkräfte der Sucht- und Drogenberatungsstellen auch in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt des Landes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) umfassend informiert und geschult. Bei Präventionsveranstaltungen und bei Gesprächen mit Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bereich wird zielgruppengerecht auch auf die Gefahren der synthetischen Drogen hingewiesen. Die Internetseite www.polizei-beratung.de des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes informiert Eltern, Lehrerinnen und Lehrer gezielt über so genannte "Legal Highs" und weist auf zusätzliche Informationsangebote hin. 2011 hat das Landeskriminalamt (LKA NRW) ein Merkblatt "Designerdrogen" entwickelt und allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zur Verfügung gestellt. Im gleichen Jahr wurde die "Landesarbeitsgemeinschaft Suchtvorbeugung NRW" über die Herstellung und Wirkungsweisen von sogenannten "Designerdrogen" durch das Kriminalwissenschaftliche und -technische Institut des LKA NRW informiert. Ferner wird durch das LKA NRW bei Anfragen zu diesem Thema regelmäßig auf die Gefahren durch den Konsum von "Legal Highs" hingewiesen. 5. Was gedenkt die Landesregierung in Bezug auf das Thema Cannabinoide zu un- ternehmen? Die strafrechtliche Bekämpfung des Umgangs mit synthetischen Cannabinoiden durch die Aufnahme entsprechender Substanzen in die Anlagen I, II oder III zum Betäubungsmittelge- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1705 4 setz (BtMG) obliegt gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 BtMG der Bundesregierung. Der Bundesrat hat mit Unterstützung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens mit Entschließung vom 06.07.2012 (Drs. 317/12 (B)) die Bundesregierung zur Prüfung aufgefordert, wie eine Gruppenunterstellung dieser psychoaktiven Substanzen unter das BtMG durchzusetzen ist. Darüber hinaus werden die bisherigen Präventionsmaßnahmen der Polizei sowie der Suchtund Drogenberatungsstellen fortgesetzt. Auf die Antwort zu Frage 4 wird Bezug genommen.