LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1723 18.12.2012 Datum des Originals: 17.12.2012/Ausgegeben: 21.12.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 659 vom 9. November 2012 der Abgeordneten Henning Höne, Dr. Gerhard Papke und Karlheinz Busen FDP Drucksache 16/1411 Gegen unkontrollierte niederländische Gülletransporte in NRW – Was unternimmt die Landesregierung gegen ausufernde Gülletransporte? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 659 mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie , Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zwischen den Kontrollbehörden für das Düngerecht in den Niederlanden, NordrheinWestfalen und Niedersachsen wurde kürzlich eine Vereinbarung getroffen, die den Behörden auf deutscher Seite die Nutzung der Daten des niederländischen sogenannten „Digitalen Dossiers“ erlauben soll. Darin sind alle Daten wie Güllemenge, Abgeber, Aufnehmer sowie Zeit und Ort des Grenzübertritts für jeden einzelnen Gülletransport erfasst. Der Bonner Generalanzeiger berichtete Anfang November über offenbar illegale Gülleentsorgungen in Königswinter im Rhein-Sieg-Kreis durch Tanklastwagen aus den Niederlanden. Infolge der Berichterstattung wurden weitere mögliche Unregelmäßigkeiten bei den Behörden gemeldet und Bußgeldverfahren eingeleitet. Verschiedene Medienberichte, die mögliche größere Verstöße melden, lassen den Anschein entstehen, dass die getroffene Vereinbarung zwischen den Niederlanden, NordrheinWestfalen und Niedersachsen zukünftige Rechtsverstöße dieser Art nicht wirksam begrenzen kann. Die Möglichkeit einer lediglich nachträglichen Einsichtnahme bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Gülleausbringung auf den entsprechenden Flächen keine effektive Überwachung gewährleistet ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1723 2 Vorbemerkung der Landesregierung Wirtschaftsdünger sind grundsätzlich wertvolle Düngemittel, die im Rahmen von geschlossenen Nährstoffkreisläufen sinnvoll an Stelle von Mineraldüngern eingesetzt werden können. Gleichzeitig birgt eine nicht ordnungsgemäße Anwendung ein hohes Risiko für Umweltbelastungen durch Nährstoffausträge in die Luft, den Boden oder Grund- und Oberflächenwasser. Diese Risiken resultieren aus Fehlern bei der Anwendung und haben nichts mit der Herkunft der Düngemittel zu tun. Die Düngeverordnung, die bundesweit auch die Anforderungen der EG-Nitratrichtlinie umsetzt, soll eine ordnungsgemäße Anwendung sicherstellen. Ihre Anforderungen gelten gleichermaßen für importierte wie für heimische Wirtschaftsdünger. Die Düngeverordnung muss unabhängig von der Herkunft der Wirtschaftsdünger überwacht und Verstöße konsequent geahndet werden. Derzeit fallen in Nordrhein-Westfalen zwischen 28 und 29 Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger an, dies entspricht einer Stickstoffmenge von etwa 126.000 Tonnen (t) und deckt damit etwas mehr als ein Drittel des Düngebedarfs. Dem standen in den letzten Jahren importierte Wirtschaftsdüngermengen von bis zu 725.000 t (2010) gegenüber, die somit maximal 2,5 % der in NRW anfallenden Menge ausmachen. Deutlich geringer lag die Menge in 2011 (ca. 260.000 t bis Ende August aufgrund der geforderten Behandlung durch Drucksterilisation). Der Wirtschaftsdüngeranfall ist jedoch regional sehr unterschiedlich verteilt und liegt zwischen 120 bis 170 kg Stickstoff pro Hektar in viehstarken Kreisen wie Borken, Coesfeld oder Kleve und zwischen 10 und 25 kg in den Ackerbauregionen der Köln-Aachener Bucht. Die importierten Mengen konzentrieren sich vor allem auf die grenznahen Kreise (Rhein-Kreis Neuss, Kreis Düren, Rhein-Erft-Kreis, Kreis Heinsberg). Von November 2010 bis Mitte 2011 galt die Anforderung, dass grenzüberschreitend nach NRW verbrachte Wirtschaftsdünger einem tierseuchenrechtlichen Genehmigungsvorbehalt unterlagen und Gülle mit dem Verfahren der Drucksterilisation behandelt werden musste (siehe hierzu auch Antwort auf die Kleine Anfrage 960 vom 8.9.2011, Ds 15/2791 und Bericht der Landesregierung an den Landtag vom 17.03.2011 (Vorlage 15/460)). Die Bundesregierung hat trotz nachdrücklicher Appelle aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen nicht verhindert, dass die EU die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 142/2011 geändert hat. Danach gilt hygienisierte Gülle als verarbeitetes Produkt und bedarf keiner tierseuchenrechtlichen Genehmigung mehr. Somit ist nur noch unverarbeitete Gülle (Hühnertrockenkot) genehmigungspflichtig . Der überwiegende Teil der grenzüberschreitend verbrachten Wirtschaftsdünger ist somit ohne Genehmigung oder sonstige Auflagen frei handelbar. 1. Wie viele laufende Verfahren zu möglichen Verstößen gegen die Gülleverord- nung sind der Landesregierung bekannt (Bitte nach Kreisen differenzieren)? Bis zum Stichtag 15.11. sind in 2012 bisher in der systematischen Fachrechtskontrolle und aufgrund von Anzeigen 273 Verfahren mit Verstößen gegen die Düngeverordnung abgeschlossen worden; 230 davon mit Bußgeld, der Rest ausschließlich mit Sanktionen im Rahmen von Cross Compliance bzw. Einstellung des Verfahrens. Zusätzlich sind noch 35 Verfahren offen. Die folgende Tabelle zeigt die zum Stichtag 15.11.2012 bei den Kreisstellen der Landwirtschaftskammer laufenden Verfahren aufgrund von Anzeigen wegen Verstößen im Zusammenhang mit Herbstdüngung oder Wirtschaftsdüngerimporten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1723 3 Kreisstelle 1) Anzeigen insgesamt (Stand: 15.11.2012) 2) Anzeigen zu Nährstoffimporten aus: a) Niederlande b) anderen Bundesländern Aachen, Düren, Euskirchen 8 0 0 Borken 3 0 0 Coesfeld, Recklinghausen 2 0 0 Gütersloh, Münster, Warendorf 19 0 0 Heinsberg, Viersen 3 0 0 Hochsauerland, Olpe, Siegen-Wittgenstein 0 0 0 Höxter, Lippe, Paderborn 9 0 0 Kleve, Wesel 7 2 1 0 Märkischer Kreis, Ennepe -Ruhr, Ruhr-Lippe 5 0 0 Minden-Lübbecke, Herford-Bielefeld 2 0 1 Oberbergischer Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis, Mettmann 2 0 0 Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Kreis Neuss, Rhein-Sieg-Kreis 14 5 0 Soest 2 0 0 Steinfurt 4 0 1 2. Wie gedenkt die Landesregierung, Verstöße gegen die Gülleverordnung in Zu- kunft konsequenter einzudämmen? Die Landesregierung hat durch folgende Instrumente den Vollzug der Düngeverordnung bei überbetrieblicher Wirtschaftsdüngeranwendung deutlich verbessert: 1. Umsetzung der bundesweit geltenden Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger (Verbringungsverordnung); Aufbau der Datenbank zur Registrierung der Inverkehrbringer und Meldungen bei Aufnahme aus anderen Ländern beim Direktor der Landwirtschaftskammer; entsprechende Quervergleiche zwischen Abgebern und Aufnehmern von Wirtschaftsdünger. 2. Landesverordnung über den Nachweis des Verbleibs von Wirtschaftsdünger (Wirtschaftsdüngernachweisverordnung - WDüngNachwV), die am 07.05.2012 im Gesetz - und Verordnungsblatt NRW veröffentlicht wurde (Ausgabe 2012 Nr. 11 vom 07.05.2012 Seite 177 bis 194; siehe Anlage). Damit werden Meldepflichten für alle Abgeber von Wirtschaftsdüngern eingeführt. Mit diesen Daten wird die Kontrolle der Nährstoffvergleiche wesentlich effektiver. Entsprechende Umsetzungsinstrumente (Datenbanksystem) werden zurzeit in enger Kooperation mit Niedersachsen aufgebaut . 3. Erlass zur Herbstdüngung vom 19.03.2012; damit werden die Einschränkungen der Düngeverordnung für die Anwendung von Wirtschaftsdünger im Herbst konkretisiert und somit der Vollzug verbessert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1723 4 4. Personalaufstockung bei der für die Kontrolle der Düngeverordnung zuständigen Stelle beim Direktor der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragtem um 4 zusätzliche Stellen. 3. Welche Weiterentwicklungspotenziale sieht die Landesregierung bezüglich der Vereinbarung mit den Niederlanden und Niedersachsen, um die rechtswidrige Ausbringung von Wirtschaftsdünger effektiver zu kontrollieren? Die niederländischen Kontrolldaten stehen den nordrhein-westfälischen Behörden ab jetzt zur Verfügung und werden im Rahmen der Kontrolle der Düngeverordnung genutzt. Die regelmäßigen Treffen der länderübergreifenden Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Niederlanden und Niedersachsen werden fortgesetzt. Als nächster Schritt wird u.a. die Nutzung der im Digitalen Dossier vorliegenden Geodaten (GPS-Koordinaten der Transporte) angestrebt. Hierfür müssen ggf. noch entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen werden. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, rechtlich verbindlich und kor- respondierend mit den Niederlanden, die Gülleausbringung ab dem 1. Oktober eines Jahres zu untersagen? Nordrhein-Westfalen hat sich im Rahmen der Diskussionen zur anstehenden Novellierung der Düngeverordnung stets für eine deutliche Verschärfung der Sperrfristregelung ausgesprochen . Der Vorschlag der bundesweiten Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Düngeverordnung , nachdem eine Ausbringung von Wirtschaftsdünger bis auf wenige Ausnahmen nach Ernte der letzten Hauptfrucht vor dem Winter verboten wird und die generelle Sperrfrist für Ackerland ohne Ausnahme ab dem 1.10. beginnt, wird unterstützt. Mit dem Herbstdüngungserlass vom 19.03.2012 werden die schon geltenden Einschränkungen der Düngeverordnung zur Herbstdüngung konsequent umgesetzt.