LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1762 28.12.2012 Datum des Originals: 27.12.2012/Ausgegeben: 03.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 672 vom 14. November 2012 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/1447 Bürokratiekosten der Kommunen in NRW – wie hilft die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 672 mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eigentlich sind sich alle einig – wir haben in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen zu viel an kostspieliger Bürokratie. Besonders betroffen sind hiervon auch die Kommunen, gibt es doch neben Gesetzen des Bundes und europäischen Rechtssetzungen, die es vor Ort umzusetzen gilt, zahlreiche Gesetze und Verordnungen auf dem Gebiete des Landes Nordrhein -Westfalen, die im Hinblick auf ihre Umsetzung bei den Kommunen Kosten auslösen. Angesichts der erschreckenden Entwicklung bei den Kommunalfinanzen in NRW ist eine Entlastung der kommunalen Ebene von Bürokratiekosten zwingend geboten. Neben der dringend notwendigen finanziellen Entlastung der kommunalen Familie durch den Bund, muss es Aufgabe des Landes sein, die Kommunen bei der Senkung ihrer Personal- und Sachkosten zumindest dadurch zu unterstützen, dass durch die Reduzierung von Aufgaben und die Vereinfachung von Verfahrensabläufen Bürokratiekosten minimiert werden. Offensichtlich kommt aber die Diskussion um die Absenkung von Standards nicht richtig voran . Stattdessen klagen viele Akteure in Rat und Verwaltung darüber, dass die Kosten der Verwaltung der Verwaltung keine Senkung erfahren. Deshalb kommt aus Sicht der Kommunen den Gesichtspunkten der Deregulierung, Rechtsvereinfachung und Rechtsfolgenabschätzung eine besondere Bedeutung zu. Dieses gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die bereits getroffenen oder beabsichtigten neuen Rechtssetzungen durch die rot-grüne Landesregierung in der 15. und 16. Wahlperiode. Zu nennen sind hier beispielsweise der Windenergieerlass , die Landesentwicklungsplanung, das Nichtraucherschutzgesetz, das Tariftreue- und Vergabegesetz sowie die Gesetze zur Schulrechtsänderung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1762 2 Vorbemerkung der Landesregierung Für die Landesregierung sind die Kreise, Städte und Gemeinden das Fundament unserer Demokratie. Deshalb stützt und unterstützt sie die kommunale Selbstverwaltung, wo immer sie kann. Mit den Mitteln des Stärkungspaktgesetzes sowie der Aufstockung des kommunalen Finanzausgleichs geht sie an die Grenze der finanziellen Möglichkeiten des Landes. Durch diesen breit angelegten Aktionsplan mit einem Finanzvolumen von bisher schon weit mehr als 1 Mrd. € hilft sie allen finanzschwächeren Kommunen, ihre Haushalte zu konsolidieren . Vor diesem Hintergrund achtet die Landesregierung auch auf einen angemessenen Umgang mit Standards. Vorgaben für den Verwaltungsvollzug werden aber zunehmend durch EUund Bundesrecht gemacht, so dass das Land in diesem Bereich nur eingeschränkten Handlungsspielraum hat. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Problem überbordender bürokratischer Verpflichtungen und Standards für NRW-Kommunen durch landesseitige Regelungen ? Im Interesse der Kommunen und ihrer Selbstverwaltung sollte möglichst von der Aufstellung von Standards abgesehen werden; zumindest aber muss eine Abwägung erfolgen, ob die beabsichtigten Standards erforderlich sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass gänzlich auf Standards verzichtet werden könnte. Davon geht aber wohl auch die FDP-Landtagsfraktion nicht aus, wenn mit der Kleinen Anfrage 573 - Drucksache 16/1428 - die Überführung verbindlicher Qualitätsstandards zum Ganztag in das SchulG gefordert wird. 2. Welche Rechtsakte (Gesetze, Verordnungen, Erlasse etc.) mit Auswirkungen auf die Bürokratie in den NRW-Kommunen wurden seit Regierungsübernahme der rot-grünen Landesregierung im Jahr 2010 verabschiedet (bitte tabellarische Auflistung mit Beschreibung der jeweiligen Auswirkungen)? 3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die kommunalen Büro-kratiekosten ein, welche durch landesseitige Rechtsakte (Gesetze, Verordnungen, Erlasse etc.) seit der Regierungsübernahme durch Rot-Grün im Jahr 2010 verabschiedet wurden (bitte nach Rechtsakten differenzierte tabellarische Auflistung)? Da eine Beantwortung der Fragen mit vertretbarem Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist, wird ausschließlich auf die in der Kleinen Anfrage explizit angesprochenen Themenbereiche (Windenergieerlass, Landesentwicklungsplanung, Nichtraucherschutzgesetz, Tariftreue- und Vergabegesetz sowie die Gesetze zur Schulrechtsänderung ) eingegangen. Windenergieerlass: Der Windenergieerlass schafft keine Bürokratie, sondern erleichtert den Kommunen den für die Energiewende erforderlichen Ausbau der Windenergie. Dazu gibt der Erlass den Kommunen als Trägerinnen der Planungshoheit Empfehlungen und Hilfe zur Abwägung. Der maßgebliche Rechtsrahmen für kommunale Planungen ist ganz überwiegend durch Bundesrecht vorgegeben, insbesondere durch Vorschriften des Baugesetzbuchs. Im Übrigen hat der Windenergieerlass einen schon bestehenden Windkrafterlass ersetzt und schon deswegen keine zusätzlichen Bürokratiekosten begründet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1762 3 Landesentwicklungsplanung: Der neue Landesentwicklungsplan (LEP) wird derzeit erarbeitet; er ist noch nicht beschlossen . Die Ziele und Grundsätze des LEP setzen mit hohem Abstraktionsgrad den Rahmen für räumliche Festlegungen in nachgeordneten Regional-, Bauleit- und Fachplänen. Deren Festlegungen ermöglichen räumliche Nutzungen, erzwingen aber keine entsprechenden Maßnahmen bzw. Investitionsentscheidungen. Verfahrensregelungen für die Raumplanung erfolgen nicht im LEP, sondern im Raumordnungsgesetz und Landesplanungsgesetz. Insofern präjudiziert der LEP weder Kosten für andere Planverfahren noch hat er unmittelbare Auswirkungen auf Kosten der Umsetzungsmaßnahmen. Letztere werden erst durch spätere Zulassungs - und Genehmigungsverfahren bestimmt. Nichtraucherschutzgesetz: Die im novellierten Nichtraucherschutzgesetz Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Änderungen werden nur sehr geringe Auswirkungen auf die Verwaltungskosten der Kommunen haben . Durch Streichung von Ausnahmen wird den Behörden die Kontrolle erleichtert. Als neue Aufgabe wird den örtlichen Ordnungsbehörden lediglich die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs übertragen. Die damit einhergehende Belastung ist angesichts der bisher bekannt gewordenen Fälle allerdings äußerst gering. Im Übrigen werden hierfür Bußgelder vereinnahmt. Tariftreue- und Vergabegesetz: Durch die Anwendung des am 1. Mai 2012 in Kraft getretenen TVgG - NRW werden im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlichsten Angebots bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gleichzeitig die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsbelangen, sowohl von sozialen Aspekten als auch des Umweltschutzes und der Energieeffizienz, erforderlich. Dazu müssen in der Regel von den Auftrag nehmenden Unternehmen Verpflichtungserklärungen abgegeben werden. Nur in Einzelfällen sind Nachweise erforderlich. Darüber hinaus muss die Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts von den Auftrag nehmenden Unternehmen für die im Rahmen des Auftrages Beschäftigten über Eigenerklärungen bestätigt werden. Die Höhe der tatsächlich zusätzlich durch das TVgG - NRW verursachten Verwaltungskosten sind zurzeit noch nicht absehbar, da einige Vorgaben auch schon vor Inkrafttreten des TVgG - NRW aufgrund anderer Rechtsquellen zu beachten waren. Im Rahmen des sog. Belastungsausgleichs werden die zusätzlichen Belastungen der Kommunen ermittelt und etwaige Ausgleichszahlungen vorgenommen. Vorbereitungen für die dafür erforderliche Rechtsverordnung werden derzeit ergriffen. Schulrecht: Im Bereich des Schulrechts hat der Landtag seit 2010 fünf Änderungsgesetze zum Schulgesetz beschlossen. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch kommunale Bürokratiekosten insgesamt gestiegen sind. Viel spricht dafür, dass eine aufgrund des Vierten, Sechsten und Achten Schulrechtsänderungsgesetzes verbesserte Planung und Organisation örtlicher Schulangebote sogar zu weniger Bürokratiekosten geführt hat oder führen wird. Mit dem Vierten Schulrechtsänderungsgesetz wurde die Aufhebung der gesetzlichen Vorschriften über die Bildung von Schulbezirken durch das Zweite Schulrechtsänderungsgesetz rückgängig gemacht. Die Entscheidung, ob für räumlich abgegrenzte Gebiete Schuleinzugsbereiche gebildet werden, bleibt nunmehr den Schulträgern überlassen. Hierdurch wird die kommunale Handlungsfähigkeit gestärkt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1762 4 Die mit dem Sechsten Schulrechtsänderungsgesetz erfolgte Einführung der Sekundarschule als weitere Schulform der Sekundarstufe I und die Verpflichtung der Schulträger zu einer mit benachbarten Schulträgern abgestimmten Schulentwicklungsplanung dürften einen kommunalen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen. Die Pflicht zu einer abgestimmten Schulentwicklungsplanung bestand aber auch schon vor dem Sechsten Schulrechtsänderungsgesetz aufgrund des § 80 SchulG in der damals geltenden Fassung. Die Neufassung folgte dem Vorschlag des Städte- und Gemeindebunds. Im Übrigen werden dadurch teure Fehlplanungen vermieden. Mit dem Achten Schulrechtsänderungsgesetz wurde in § 46 Absatz 3 SchulG eine Regelung aufgenommen, die es den Schulträgern erlaubt, unter Beachtung der Höchstgrenze für die zu bildenden Eingangsklassen an Grundschulen die Zahl und die Verteilung der Eingangsklassen auf die Schulen und Teilstandorte festzulegen. Ferner wurde ein Spielraum zur Begrenzung der Zahl der in die Eingangsklassen aufzunehmenden Schüler eröffnet. Inwieweit Kommunen hiervon Gebrauch machen werden und ob durch die Wahrnehmung dieses Spielraums Bürokratieaufwand entstehen wird, lässt sich ebenso wenig beziffern wie der Umfang eines verringerten Verwaltungsaufwands durch die angemessene Organisation der örtlichen Schullandschaft. 4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Absenkung landesseitig ver- ursachter kommunaler Bürokratiekosten? In der 14. Wahlperiode (Oktober 2006) wurde das Gesetz zur Befreiung von kommunalbelastenden Standards für das Land Nordrhein-Westfalen verabschiedet. Da die Kommunen nur in einem äußerst geringen Umfang von den Möglichkeiten dieses Gesetzes Gebrauch gemacht haben, trat das Gesetz mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft. Im Hinblick auf die Erfahrungen u.a. des o.g. Gesetzes setzt die Landesregierung auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Beibehaltung und Aufstellung von Standards. Im Übrigen werden die kommunalen Spitzenverbände bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften , die die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände wesentlich berühren, möglichst frühzeitig eingebunden. 5. Wie will die Landesregierung eine übermäßige Befrachtung der Kommunen mit bürokratischen Regelungen und Standards bei zukünftigen Rechtsakten vermeiden ? Siehe Antwort zur Frage 4.