LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1763 02.01.2013 Datum des Originals: 20.12.2012/Ausgegeben: 07.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 689 vom 20. November 2012 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/1512 Juristische Auseinandersetzungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung – Welche Kosten entstehen dem Steuerzahler für Gerichtsprozesse sowie externe Rechtsberatung und Vertretung? Die Ministerpräsidentin hat die Kleine Anfrage 689 mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 für die Landesregierung im Einvernehmen mit den übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unter der Überschrift „Gericht stoppt rot-grüne Prozessierlust“ hat am 9. September 2012 die Welt am Sonntag über die Klage des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit , Integration und Soziales gegen den Christlich Alevitischen Freundeskreis (CAF) berichtet. Laut Medienberichterstattung sei zwischenzeitlich eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Köln erfolgt, der zufolge nur die Privatperson Zülfiye Kaykin und nicht die Landesregierung hätte prozessieren dürfen. Dadurch seien dem Land Nordrhein-Westfalen, das stellvertretend für die Staatssekretärin Zülfiye Kaykin geklagt hat, hier „mehrere zehntausend Euro“ Kosten im Zusammenhang mit der gerichtlichen Auseinandersetzung entstanden. Über den konkreten Fall der Staatssekretärin Zülfiye Kaykin hinaus geben auch nachstehende Zitate aus selbigem Medienbericht der Welt am Sonntag Anlass zu Nachfragen: „Folglich hätte das Ministerium nicht klagen dürfen, sondern nur Frau Kaykin. Und dieser Unterschied ist gewichtig, schüchtert ein ministerieller Apparat mit finanziellen Ressourcen, Rechtsprivilegien, Know-how und dem Gewicht seines Namens doch stärker ein als eine Privatperson.“ (…) „Aber auch der Landesregierung als ganzer wurden ein paar Zähne gezogen. Durch ihr Schwingen der Prozesskeule werden Kritiker sich künftig erst recht nicht mehr einschüchtern lassen.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1763 2 Diese Aussagen erwecken beim Leser den Eindruck, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung bislang häufig und dabei wohl nicht immer nur in nachvollziehbaren Fällen vor Gericht gezogen sein dürfte, sondern möglicherweise unter Nutzung des „ministeriellen Apparats “ Gerichtsverfahren und außergerichtliche rechtliche Schritte bestritten hat, welche als Abschreckung oder Druckmittel insbesondere gegenüber Bürgern und Medienvertretern gewirkt haben könnten. Der Fragesteller macht sich diese Spekulationen nicht zu eigen, legt aber auf die Klärung dieser öffentlichen Vermutungen wert. Wissend, dass das Land selbst von der Zahlung der Gerichtskosten befreit ist, ist ein Gerichtsverfahren dennoch auch für die Landesregierung gegebenenfalls mit einem Kostenrisiko verbunden. Auch die Inanspruchnahme externen juristischen Sachverstands führt regelmäßig zu vom Land zu tragenden Kosten. Selbst sofern allein der interne „ministerielle Apparat “ für die Prüfung oder Einleitung der Verfolgung rechtlicher Interessen eines Mitglieds der Landesregierung oder von Bediensteten eines Landesministeriums in leitender Stellung genutzt worden sein sollte, diese Interessen aber als Privatperson zu verfolgen gewesen wären , könnten dem Land dadurch unnötige oder gegebenenfalls sogar unzulässige Kosten entstanden sein. Ebenfalls vor dem Hintergrund der katastrophalen Haushaltslage des Landes NordrheinWestfalen ist es für das Parlament von besonderem Interesse, auch losgelöst von dem zuvor dargestellten Sachverhalt zu erfahren, in jeweils welcher Höhe und vor allem aus welchen genauen Gründen für den Steuerzahler Kosten entstanden sind für Gerichtsverfahren, außergerichtliche rechtliche Beratungen, Vertretungen und Tätigkeiten bzw. sonstige juristische Beratungsleistungen Externer oder die Inanspruchnahme ministeriumsinterner Strukturen für tatsächlich als Privatperson zu verfolgende Interessen. Nachfolgend soll der einfachheitshalber verwendete Begriff des ‚Beschäftigten‘ eines Ministeriums jedwede rechtliche Form des Dienst-, Anstellungs- oder Beauftragungsverhältnisses (Beamte, öffentliche Angestellte, Werkvertragsnehmer) umfassen. Die Fragen beziehen sich alle auf die Amtszeit der rot/grünen Landesregierung der 15. und 16. Wahlperiode ab deren Amtsantritt im Juli 2010 bis heute. Vorbemerkung der Landesregierung Da es dem Fragesteller nach seinen Darlegungen darauf ankommt, eine unberechtigte Inanspruchnahme des ministeriellen Apparates zur Verfolgung eigener rechtlicher Interessen eines Mitglieds der Landesregierung oder eines Beschäftigten eines Ministeriums in leitender Stellung aufzudecken, sind im Rahmen der Antwort keine gewöhnlichen Vertretungsfälle aufgeführt worden. Letztere liegen vor, wenn Mitglieder der Landesregierung in einem Prozess /Verfahren lediglich in Vertretung des Landes beteiligt sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1763 3 1. Welche einzelnen Gerichtsverfahren und außergerichtlichen rechtlichen Beratungen bzw. Vertretungen unter zur Hilfenahme eines externen Rechtsberaters bzw. - beistands sind seit Juli 2010 bestritten bzw. beauftragt worden, um rechtliche Interessen eines Mitglieds der Landesregierung oder eines Beschäftigten eines Ministeriums in leitender Stellung wahrzunehmen bzw. zu vertreten? (Angaben bitte jeweils differenziert nach Ressort unter Nennung des jeweiligen Gegenstands des Verfahrens) Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales Im Juni 2011 beantragte Frau Staatssekretärin Kaykin vor dem Landgericht Köln (Az. 28 O 456/11) den Erlass einer Einstweiligen Verfügung, um einen Anspruch auf Gegendarstellung geltend zu machen. Hierfür fielen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.445,02 € an, darüber hinaus Gerichtskosten in Höhe von 363,00 € im Rahmen einer Zweitschuldnerschaft, da der Antragsgegner als Kostenschuldner die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. In dem Zeitraum Juni 2011 bis Juli 2012 fanden das Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Köln (Az. 28 O 703/11) zu vorangegangenen Anträgen des Landes auf Erlass von zwei Einstweiligen Verfügungen wegen des Unterlassens von Äußerungen (Az. 28 O 506/11 und 28 O 462/11) sowie das anschließende Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (Az. 15 U 13/12) statt. Frau Staatssekretärin Kaykin war in den genannten Verfahren als Zeugin benannt, Kosten für ihre Rechtsberatung fielen nicht an. Für die Vertretung des Landes entstanden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 23.783,48 €, zudem Anwaltskosten der Gegenseite in Höhe von insgesamt 15.788,98 €. Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport Im Mai 2012 beantragte Frau Ministerin Schäfer – ebenso wie das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport – den Erlass einer Einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Köln auf Unterlassung einer Berichterstattung. Dem Antrag wurde stattgegeben. Hierdurch entstanden Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 22.138,44 €. Da die Abrechnung noch nicht beendet ist, kann der Erstattungsbetrag der Gegenseite nicht abschließend beziffert werden. Im Juni 2012 beantragte Frau Ministerin Schäfer – ebenso wie das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport – den Erlass einer Einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Hamburg auf Unterlassung einer Berichterstattung. Dem Antrag wurde stattgegeben . Es fielen – nach einer Erstattung durch die Gegenseite in Höhe von 1.644,97 € – Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.625,32 € an. Auf Aufforderung von Frau Ministerin Schäfer verpflichtete sich ein Nachrichtenmagazin zudem außergerichtlich, bestimmte Äußerungen zu unterlassen. Damit die genannte Erklärung erwirkt werden konnte, fielen – nach einer Erstattung in Höhe von 1.062,19 € durch die Gegenseite – Rechtsanwaltskosten in Höhe von 812,06 € an. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter In dem Zeitraum Mai bis Juni 2011 wurde von Seiten einer Abteilungsleitung anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Im Raum stand eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Internet, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit bei der Landesregierung stand. Hierdurch fielen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 178,50 € an. In den anderen Ressorts fanden in dem Zeitraum seit Juli 2010 keine Gerichtsverfahren oder außergerichtlichen rechtlichen Beratungen im rechtlichen Interesse eines Mitglieds der Landesregierung oder eines Beschäftigten eines Ministeriums in leitender Stellung auf Kosten des Landes statt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1763 4 2. Welche einzelnen Gerichts- oder Ermittlungsverfahren sowie außergerichtlichen rechtlichen Schritte haben seit Juli 2010 stattgefunden, in denen ein Mitglied der Landesregierung oder ein Beschäftigter eines Landesministeriums in leitender Stellung als Partei, Antragsteller, Tatverdächtiger, Beschuldigter, Zeuge, Betroffener, Verfahrensbeteiligter oder in ähnlicher Funktion involviert bzw. beteiligt gewesen ist? (Angaben bitte jeweils differenziert nach Ressort und der jeweiligen Rolle im Verfahren) Siehe die Antwort zu Frage 1. 3. Inwieweit ist externe juristische Beratung von Seiten bzw. auf Kosten des Landes, differenziert nach den unterschiedlichen Ressorts der Landesregierung, jeweils im Zusammenhang mit den einzelnen Gerichtsverfahren, außergerichtlichen Sachverhalten und Ermittlungsverfahren bzw. –maßnahmen in Anspruch genommen worden ? (Angaben bitte jeweils differenziert nach Ressort unter Nennung des jeweiligen Gegenstands des Verfahrens sowie Art und Umfang der Inanspruchnahme) Siehe die Antwort zu Frage 1. 4. Welche konkreten Kosten sind dabei jeweils einzeln für jedes Gerichtsverfahren, jede außergerichtliche Vertretung sowie Fälle von externer juristischer Beratung für das Land entstanden? (bitte tabellarische Übersicht) Siehe die Antwort zu Frage 1. 5. Welches sind die zehn Anwaltskanzleien, Sozietäten oder Rechtsberater, auf die in der Summe aller von ihnen betreuten Verfahren für die Landesregierung seit Juli 2010 die insgesamt höchsten Honorarzahlungen entfallen sind? (bitte unter Angabe der Anzahl betreuter Verfahren sowie der kumulierten Gesamtvergütungshöhe) Die Kanzlei Redeker-Sellner-Dahs in Bonn hat für ihre Tätigkeit in den o.g. Sachverhalten Gebühren in Höhe von insgesamt 27.461,48 € – nicht nur von Seiten des Landes, sondern bei einer Erstattung auch von der Gegenseite – erhalten, ferner die Kanzlei SchulteFranzheim , Seibert, Bürglen in Köln in Höhe von 25.228,50 € – ebenfalls nicht nur von Seiten des Landes, sondern bei einer Erstattung auch von der Gegenseite.