LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1770 03.01.2013 Datum des Originals: 27.12.2012/Ausgegeben: 08.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 705 vom 22. November 2012 des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk CDU Drucksache 16/1533 Belastbarkeit der Berechnungen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer und Rücknahme der Kompensationsleistungen bei Wiedereinführung der Vermögensteuer Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 705 mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Vermögensteuer wird seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben. Die Länder haben zur Kompensation den Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer von 2 % auf 3 % und die Erbschaftsteuer erhöht. Am 8. August 2012 hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans einen Vorschlag zur Wiedereinführung der Vermögensteuer veröffentlicht. Zur Abschätzung der Aufkommens- und Verteilungswirkungen haben die Länder Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz , Baden-Württemberg und Hamburg beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Gutachten in Auftrag gegeben. Für die Analyse der Aufkommens- und Verteilungswirkungen hat das DIW auf Daten aus der Vermögensbefragung im Rahmen der Erhebungswelle 2007 des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP), in dem nach eigener Aussage des DIW die sehr wohlhabenden Haushalte nicht erfasst sind, sowie aus der Liste der 300 reichsten Deutschen laut manager-magazin 2007 zurückgegriffen. Bei dieser Liste handelt es sich um eine unwissenschaftlich zusammengestellte Vermögensdarstellung, die teilweise keine Rückschlüsse auf die steuerpflichtige Person, die unbeschränkte Steuerpflicht und die Zuordnung des Vermögens erkennen lässt. Das DIW kommt zu dem Ergebnis, dass eine wiederbelebte Vermögensteuer bei einem Steuersatz von 1 Prozent ein zusätzliches Steueraufkommen von 16,5 Mrd. Euro pro Jahr LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1770 2 erbringen könnte. Dabei sind mögliche Anpassungsreaktionen der Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt. Die Erhebungskosten der Vermögensteuer, also die Befolgungskosten der Steuerpflichtigen und die Verwaltungskosten der Finanzbehörden einschließlich des Minderaufkommens für korrigierte Fehler bei der Immobilienbewertung, schätzt das DIW auf insgesamt 1,8 Prozent des Aufkommens. Um belastbare Ergebnisse für die Aufkommens- und die Verteilungswirkungen einer Vermögensteuer einschließlich Erhebungskosten zu erzielen, kommt es auf die zu Grunde gelegten Daten an. Je schlechter die Datengrundlage, umso weniger können die Ergebnisse des Gutachtens für Entscheidungen der Politik herangezogen werden. Nicht belastbare Ergebnisse bergen die Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen, die dem Standort Deutschland und damit der deutschen Volkswirtschaft schaden. 1. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus der Aussage in dem DIW- Gutachten, dass das Sozio-Ökonomische Panel 2007 die wohlhabenden Haushalte nicht hinreichend erfasst und deshalb zusätzlich unwissenschaftlich erhobene Daten aus dem manager-magazin 2007 zugrunde gelegt werden, um die Aufkommens - und Verteilungswirkungen einer wiederbelebten Vermögensteuer darzustellen ? Aktuelle steuerstatistische Daten zum Vermögensbestand in Deutschland sind aufgrund der nur bis 1996 erhobenen Vermögensteuer nicht vorhanden. Auch andere amtliche Statistiken zur Vermögensverteilung auf einzelne Steuerpflichtige existieren derzeit nicht. Diese Lücke schließt das DIW für sein Gutachten durch die Heranziehung empirischer Daten. Daraus hat es ein Mikrosimulationsmodell zur Vermögensverteilung in Deutschland entwickelt. Die Überprüfung der Ergebnisse anhand volkswirtschaftlicher Größen und eigener Berechnungen lassen auf die Stimmigkeit der Ergebnisse schließen. Die verbleibende Unsicherheit wird durch großzügige Sicherheitsabschläge hinsichtlich des zu erwartenden Aufkommens berücksichtigt. 2. Ist die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass einerseits die Vermögen- steuer das Vermögen einzelner natürlicher, im Inland lebender Personen erfasst, andererseits im manager-magazin häufig nur die Familien ohne Hinweise auf Wohnsitz, Anteil und Struktur des Vermögens aufgeführt werden, der Auffassung , dass das manager-magazin eine hinreichende Datengrundlage zur Prognose von Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer revitalisierten Vermögensteuer ist? (Wenn ja, bitte begründen.) Soweit in dem zur Schätzung der Aufkommenswirkungen verwendeten Datenmaterial Auslandsfälle enthalten waren, sind diese im Rahmen des Gutachtens herausgerechnet worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1770 3 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Schätzung des Befolgungsund Verwaltungsaufwandes für den Steuerpflichtigen in hochkomplexen Fällen, insbesondere in Fällen mit umfangreichen Betriebsvermögen und schwierigen Bewertungsverfahren, mit 25 Stunden für den Steuerpflichtigen und vereinfachend mit 12,5 Stunden für die Finanzverwaltung angemessen ist? (Wenn ja, bitte erläutern, warum aktuelle Bewertungsfragen bei Unternehmen zur Bestimmung des erforderlichen Verkehrs- und/oder Substanzwertes in der Praxis sowohl auf Seiten des Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzverwaltung ein Vielfaches des prognostizierten Befolgungs- und Verwaltungsaufwands betragen.) Die Einschätzung des mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer erwarteten Verwaltungsaufwands ist angemessen. Nach eigenen Berechnungen des derzeit diskutierten Vermögensteuerkonzepts beträgt der Verwaltungsaufwand für die Finanzverwaltung weniger als 1 % des Steueraufkommens von 11,5 Mrd. € (Anteil NRW rd. 2,5 Mrd.). Die getroffenen Annahmen für die Festsetzung der Vermögensteuer, die Bedarfsbewertung nach § 151 BewG und die Unterstützungsprozesse beziehen sich auf Bearbeitungs-Durchschnittswerte. Die Einschätzung der Landesregierung deckt sich mit den im DIW-Gutachten genannten Kosten. Die Erhebungs- und Verwaltungskosten werden im DIW-Gutachten mit insgesamt 1,8 % des Steueraufkommens geschätzt. 4. Welche eigenen Berechnungen und Datengrundlagen zieht die Landesregierung für die Wiederbelebung der Vermögensteuer mit welchen Ergebnissen heran? Eigene Berechnungen zur Vermögensteuer haben zu vergleichbaren Ergebnissen wie das DIW-Gutachten geführt. Im Übrigen ist im Rahmen der Erstellung der Studie ein Informationsaustausch zwischen den Fachebenen der Finanzministerien der kooperierenden Ländern , Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und dem DIW erfolgt. Insoweit stellen die Ergebnisse des DIW-Modells die derzeitige Schätzgrundlage der Landesregierung zur Vermögensteuer dar. 5. Wird die Landesregierung bei einer Wiederbelebung der Vermögensteuer die Grunderwerbsteuererhöhung zurücknehmen bzw. sich für eine Rücknahme der Erbschaftsteuererhöhung aussprechen? (Wenn nein, bitte begründen.) Das aktuell geltende Steuerrecht ist seit der Nichterhebung der Vermögensteuer ab dem 01.01.1997 durch teilweise erhebliche Änderungen geprägt worden. So beruht die Reform des seit dem 01.01.2009 geltenden Erbschaftsteuerrechts auf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 07.11.2006 (1 BvL 10/02; BVerf-GE 117, S. 1). Die Landesregierung steht zu Ihrer Auffassung, dass die Gewährleistung von Bildung, Betreuung , leistungsfähiger Infrastruktur, von öffentlicher Sicherheit und sozialem Zusammenhalt einerseits und der notwendigen Haushaltskonsolidierung andererseits eine stärkere Beteiligung von großen Einkommen und großen Vermögen an der Finanzierung der staatlichen Aufgaben erfordert. Die Wiederbelebung der Vermögensteuer wird zusammen mit anderen steuerlichen Initiativen Teil eines steuerpolitischen Gesamtkonzepts zur Erreichung der genannten Ziele sein.