LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1801 07.01.2013 Datum des Originals: 07.01.2013/Ausgegeben: 10.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 720 vom 28. November 2012 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/1580 Atomaufsicht und Zuständigkeiten Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 720 mit Schreiben vom 7. Januar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz , der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bei der Landesregierung sind zahlreiche Ministerien mit Fragen der Atomaufsicht, des Atomrechts , der Genehmigung und Beaufsichtigung von Atomtransporten, den gesundheitlichen Folgen radioaktiver Unfälle und möglicher Verstrahlungen, der Nuklearforschung, der Lagerung und dem Transport von Atommüll sowie der Sicherung von Atomanlagen und Atomtransporten beschäftigt. Demgemäß wurden Kleine Anfragen von Landtagsabgeordneten unter der Federführung von ständig wechselnden Landesministerien beantwortet. Eine einheitliche Atomaufsicht oder eine zentrale Lenkungsstelle, um den Atomausstieg in NRW in allen Facetten umzusetzen, ist nicht erkennbar. Vorbemerkung der Landesregierung Verschiedene Tätigkeiten im Sinne des § 2 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bedürfen der Genehmigung nach dem Atomgesetz (AtG) und der darauf beruhenden StrlSchV und Röntgenverordnung (RöV). Die staatliche Aufsicht über genehmigte Tätigkeiten ist in § 19 AtG geregelt. Für die Erteilung atomrechtlicher Genehmigungen und/oder die staatliche Aufsicht darüber sind in Nordrhein-Westfalen drei Ministerien zuständig: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1801 2  das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (MWEIMH) führt seine Aufgaben im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung als oberste Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde des Landes NRW aus;  das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) führt die Fachaufsicht über die Zweck- und Rechtmäßigkeit der Ausführung atomrechtlicher Aufgaben durch die Bezirksregierungen aus;  das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) ist oberste Aufsichtsbehörde sowohl über die für die Überwachung der Beförderung radioaktiver Stoffe auf der Straße zuständigen Polizeibehörden als auch über die für den Notfallschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen zuständigen Katastrophenschutzbehörden. Neben diesen atomrechtlichen Zuständigkeiten gibt es innerhalb der Landesregierung weitere Zuständigkeiten zu den in der Anfrage genannten Themenkomplexen:  das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) ist für den Vollzug des Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) zuständig ;  das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) ist als eine für die Gesundheit zuständige Behörde bei der Überschreitung von Grenzwerten, z.B. als Folge von nuklearen Unfällen, für die weitere Bewertung der gesundheitlichen Risiken dieser Expositionen zuständig;  das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) ist unter anderem für die Rechtsaufsicht über die Hochschulen, die z.B. in der Nuklearforschung tätig sind, zuständig. Vor diesem Hintergrund wird auf die Tabelle in Anlage 1 verwiesen. 1. Welche Landesministerien und Bezirksregierungen sind konkret für den oben an- gerissenen Themenkomplex zuständig? ( u. a. Atomaufsicht, atomrechtliche Genehmigungen , Nuklearforschung, Sicherung und Sicherheit von Atomanlagen und Atomtransporten, Gesundheit, Lagerung von Atommüll und Atomtransporte. Bitte aufschlüsseln nach Ministerium und jeweiligem Zuständigkeitsbereich) Innerhalb der Landesregierung sind für die genannten Themenkomplexe das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (MWEIMH), das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK), das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS), das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV), das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) und das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) zuständig. Die Zuständigkeiten ergeben sich aus der Zuständigkeitsverordnung Arbeits- und technischer Gefahrenschutz (ZustVO ArbtG) und der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU). Zur Aufschlüsselung nach Ministerium und jeweiligem Zuständigkeitsbereich wird auf die Tabelle in Anlage 1 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1801 3 2. Wie viele Mitarbeiter beschäftigen sich in den zu Frage 1 aufgeführten Ministerien und Bezirksregierungen ganz oder überwiegend mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen? Im MWEIMH sind 15,5 Personen/Jahr mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigt. Im MIK sowie bei den Bezirksregierungen beschäftigen sich mehrere Mitarbeiter im Rahmen ihrer Aufgaben mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen, jedoch nicht ganz oder überwiegend. Im MAIS sind 0,5 Personen/Jahr mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigt . Die entsprechenden Zahlen für die in den Bezirksregierungen (BezReg) mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nachfolgend aufgelistet:  BezReg Detmold: 0,5 Personen/Jahr.  BezReg Düsseldorf: 1,5 Personen/Jahr.  BezReg Köln: 1,2 Personen/Jahr.  BezReg Münster: 0,7 Personen/Jahr. Im MKULNV sind 1,0 Personen/Jahr mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigt. Im MIWF ist keine Mitarbeiterin bzw. kein Mitarbeiter ganz oder überwiegend mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigt. Im MGEPA ist keine Mitarbeiterin bzw. kein Mitarbeiter ganz oder überwiegend mit den unter Frage 1 skizzierten nuklearen Themen beschäftigt. Der Personalaufwand bemisst sich dem Anlass entsprechend im Einzelfall. 3. Welches Ministerium der Landesregierung besitzt beim Thema Atomener- gie/Atomausstieg eine allgemeine Federführung? Eine allgemeine Federführung im Sinne der Fragestellung kennt die Geschäftsordnung der Landesregierung nicht. Die Federführung richtet sich vielmehr im Einzelfall nach der Sachnähe zum jeweiligen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums und wird im Zweifelsfall von der Ministerpräsidentin festgelegt. 4. Plant die Landesregierung für die Umsetzung des Atomausstiegs und den ange- strebten Stopp von Atomtransporten durch NRW einen interministeriellen Lenkungsstab „Atomausstieg“ einzurichten? Nein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1801 4 5. Arbeitet die Landesregierung konkret an einem „Atom-Ausstiegsfahrplan“ für NRW, der die Stilllegung sämtlicher Atomanlagen in NRW, den Stopp aller Atomtransporte in und durch NRW sowie die sichere Entsorgung des angefallenen Atommülls regeln würde? Nein. Die Zielstellung der Landesregierung orientiert sich an dem Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien. 5 Anlage 1 Zuständigkeiten Ministerium Zuständigkeiten Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittel- stand und Handwerk (MWEIMH) Innerhalb der Landesregierung ist das MWEIMH zuständig für  Genehmigungen nach §§ 7 und 9 Atomgesetz (AtG), Aufsicht nach § 19 AtG über folgende kerntechnische Anlagen: o Kernkraftwerk Würgassen (KWW) o Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) und AVR-Behälterlager in Jülich o Forschungsreaktor Jülich-2 (FRJ-2) o Thoriumhochtemperaturreaktor Hamm (THTR 300) o Siemensunterrichtsreaktor der RWTH Aachen (SUR 100) o Transportbehälterlager Ahaus (TBL-A) o Urananreicherungsanlage Gronau (UAG) o Betriebsstätten des Forschungszentrums Jülich (FZJ)  die Strahlenschutz-Rufbereitschaft im Rahmen der Aufsicht nach § 19 AtG mittels der radiologischen Fern- überwachung (RFÜ)  Emissions- und Immissionsüberwachung (E/I) nach § 48 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) für die nach §§ 6,7 und 9 AtG genehmigungsbedürftigen Anlagen bzw. Betriebsstätten  Amtshilfe im Katastrophenschutz bei kerntechnischen Anlagen bzw. in Fällen des illegalen Umgangs mit radi- oaktiven Stoffen  Übergreifende Fragen der Sicherheit und Sicherung kerntechnischer Anlagen bzw. der Endlagerung 6 Ministerium Zuständigkeiten Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) Im Rahmen eines Verfahrens nach § 4 AtG wird das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein- Westfalen über die "Kommission Sicherung und Schutz kerntechnischer Einrichtungen und Anlagen (KoSikern)" vom BfS grundsätzlich beteiligt und vor Genehmigungserteilung um Stellungnahme gebeten. Zum Erreichen der Schutzziele bei kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen sind anlagentypische Sicherungs- maßnahmen notwendig, die in SEWD Richtlinien festgelegt sind. Inhaltlich werden Änderungen bestehender Richtli- nien oder neue Vorgaben von Bund-Länder Arbeitsgruppen unter Leitung des Bundesumweltministeriums erarbeitet. Ein unmittelbar beteiligtes Bund-Länder Gremium im Bereich der Sicherung ist unter anderem auch die KoSiKern. Von daher ist das MIK auch im Rahmen der Sicherung und des Schutzes kerntechnischer Einrichtungen und Anlagen über die KoSikern beteiligt. Die atom- und gefahrgutrechtliche Aufsicht über Transporte radioaktiver Stoffe obliegt den Landesbehörden mit Aus- nahme der Transporte im Eisenbahnverkehr, für deren Aufsicht das Eisenbahnbundesamt (EBA) verantwortlich ist. Zuständig für die Aufsicht über die Beförderung im Straßenverkehr sind gemäß ZustVO ArbtG die Kreispolizeibehör- den. Zuständig für die Gefahrenabwehr im Bereich der Bahnanlagen des Bundes ist die Bundespolizei. Das MIK ist die oberste Landesbehörde für den Katastrophenschutz insgesamt. Ein Unfall in einem Kernkraftwerk stellt insoweit nur eines von vielen denkbaren Szenarien dar. Die Planungen für den Notfallschutz in der Umgebung kerntechnischer Einrichtungen sind erfolgt. Unbeschadet der speziellen Vorkehrungen finden im Ereignisfall die all- gemeinen Schutzkonzepte (z.B. ABC-Schutzkonzept etwa zur Dekontamination von Verletzten) und Strukturen (z.B. Krisenmanagement durch Krisenstäbe) des Landes auch im kerntechnischen Notfallschutz Anwendung. 7 Ministerium Zuständigkeiten Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) In NRW gibt es im atomrechtlichen Geschäftsbereich des MAIS acht Betriebe, in denen genehmigte Tätigkeiten nach der StrlSchV stattfinden, die jene Sachgebiete betreffen, die der Fragesteller beschreibt. Für diese Betriebe sind je- weils die Bezirksregierungen Detmold (ein Betrieb), Düsseldorf (zwei Betriebe), Köln (drei Betriebe) und Münster (zwei Betriebe) als atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden zuständig. Diese von den Bezirksregierun- gen beaufsichtigten Betriebe sind keine Atomanlagen und auch keine kerntechnischen Anlagen, selbst dann nicht, wenn in ihnen mit Reststoffen aus Kernkraftwerken umgegangen wird. Es handelt sich um Einrichtungen, in denen auf der Basis erteilter Genehmigungen nach der StrlSchV mit sonstigen radioaktiven Stoffen (Reststoffe, Abfälle) umge- gangen wird. Eine Bearbeitung, Verarbeitung oder sonstige Verwendung relevanter Kernbrennstoffmengen, für die die Genehmigungsvorschriften des AtG anzuwenden wären, findet in diesen Betrieben nicht statt. Ministerium für Klima- schutz, Umwelt, Landwirt- schaft, Natur- und Ver- braucherschutz (MKULNV) Das MKULNV ist die oberste Landesbehörde für den Vollzug des Strahlenschutzvorsorgegesetzes (StrVG) in Bun- desauftragsverwaltung. Dieses dient dazu, die Radioaktivität in der Umwelt zu überwachen und die Strahlenexposition der Menschen nach schweren radiologischen Ereignissen (z.B. Unfall in einem Kernkraftwerk) so gering wie möglich zu halten. Über den Aufsichtsratssitz des Staatssekretärs hat das MKULNV entsprechende Einflussmöglichkeiten auch auf die im Sinne der Fragestellung relevanten Tätigkeiten des Forschungszentrums Jülich. Ministerium für Innovation, Wissenschaft und For- schung (MIWF) Innerhalb der Landesregierung ist das MIWF zuständig  für die Thematik Nuklearforschung an Hochschulen im Rahmen der Rechtsaufsicht über die Hochschulen,  für die Nuklearforschung, die Sicherung und Sicherheit der Atomanlagen, mögliche Atomtransporte, Lagerung von nuklearem Abfall und den Rückbau des Reaktors "DIDO" über den 10%igen Gesellschafteranteil des Lan- des NRW an der Forschungszentrum Jülich GmbH und seine daraus folgende Beteiligung im Aufsichtsrat und 8 Ministerium Zuständigkeiten  für die Förderung von Nuklearforschung im Rahmen seiner Projektförderung. (Diese bezieht sich nur noch auf ein Projekt am Forschungszentrum Jülich im Institut „Nukleare Entsorgung und Reaktorsicherheit“ im Bereich der Verbesserung der Entsorgungsproblematik hochradioaktiver Abfälle. Dies ist noch ein Projekt der CDU- FDP-Landesregierung, das Ende 2012 ausläuft.) Neue Projekte werden von der Landesregierung nicht bewilligt. Auf Basis der Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund zum Rückbau des AVR-Reaktors vom 13.3.2003 ist das MIWF über einen Vertreter im Aufsichtsrat der AVR-GmbH beteiligt und begleitet den Rückbau des AVR-Reaktors. Das MIWF organisiert die entsprechenden regelmäßigen Statusgespräche zum Rückbauprojekt. Ministerium für Gesund- heit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) Bei der Überschreitung von Grenzwerten, z.B. als Folge von nuklearen Unfällen, bedarf es der weiteren Bewertung der gesundheitlichen Risiken dieser Expositionen durch die für die Gesundheit zuständigen Behörden. Im MGEPA ergibt sich eine fachliche Zuständigkeit mehrerer Referate (Rettungsdienst, medizinische Versorgung, Arzneimittel).