LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1932 18.01.2013 Datum des Originals: 18.01.2013/Ausgegeben: 23.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 697 vom 22. November 2012 des Abgeordneten Robert Stein PIRATEN Drucksache 16/1523 Förderung Hochbegabter Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 697 mit Schreiben vom 18. Januar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 11.10. berichtete die WAZ von einem hochbegabten 16-jährigen Studenten der Fernuniversität Hagen, der aufgrund bürokratischer Hindernisse trotz aller erfüllten Anforderungen seinen Abschluss im Fach Informatik (Bachelor) nicht erreichen kann. Hier steht im konkreten Fall ein wenig flexibles bürokratisches System der Lebensplanung eines jungen Menschen behindernd und nachteilverursachend im Wege. In der Anhörung des Unterausschusses Personal vom 2.10. machten die Vertreter der Lehrerverbände gemäß ihrer Aussage deutlich, dass das Wort Hochbegabtenförderung von der Landesregierung weitgehend ignoriert werde. Dabei können gerade Hochbegabte einen überdurchschnittlichen Beitrag zum kulturellen und volkswirtschaftlichen Erfolg NRWs und Deutschlands beitragen. Werden sie nicht rechtzeitig erkannt, bleiben die Potentiale für Individuum und Gesellschaft nicht nur ungenutzt, sondern verursachen ausgerechnet im Bereich der unentdeckten Hochbegabten (beispielsweise bei ausgeprägten „Underachievern“) negative Lebensentwicklungen bis hin zu Schulversagen mit allen denkbaren Konsequenzen. 1. Welche Konflikte sieht die Landesregierung zwischen aktueller Gesetzeslage und individueller Förderung Hochbegabter, auch hinblicklich des konkret erwähnten Falls des 16 jährigen Studenten? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1932 2 2. Welche Gesetzesinitiativen plant die Landesregierung in dieser Legislaturperiode , um bürokratische und gesetzliche Hindernisse bei der Förderung Hochbegabter abzubauen? Aufgrund § 48 Abs. 6 HG können besonders begabte Schülerinnen und Schüler "zu Lehrveranstaltungen und Prüfungen zugelassen werden. Ihre Studien- und Prüfungsleistungen werden auf Antrag bei einem späteren Studium angerechnet". Diese Regelung korrespondiert mit der in § 1 Abs. 11 des Schulgesetzes ausdrücklich verankerten Förderung hochbegabter Schülerinnen und Schüler. Gemäß § 49 Abs. 10 HG können die Prüfungsordnungen bestimmen, dass von den üblichen (gesetzlich geregelten) Zugangsvoraussetzungen (z.B. Abitur) ganz oder teilweise abgesehen werden kann, wenn Studienbewerberinnen oder Studienbewerber "eine studiengangsbezogene besondere fachliche Eignung oder besondere künstlerisch-gestalterische Begabung und eine den Anforderungen der Hochschule entsprechende Allgemeinbildung nachweisen ". Insofern sind keine bürokratischen und gesetzlichen Hindernisse bei der Förderung Hochbegabter festzustellen und abzubauen. Diese können selbst ohne formale Hochschulzugangsberechtigung ein Hochschulstudium aufnehmen und einen Hochschulabschluss erwerben. Für den in der Anfrage genannten Fall an der Fernuniversität Hagen sind keine Probleme durch einschränkende landesrechtliche Regelungen bekannt. 3. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung zur Identifizierung und Förderung Hochbegabter? Bitte unterscheiden Sie nach Kindergärten, Grundschulen , weiterführenden Schulen und Universitäten. Die Ausgestaltung schulischer Praxis individueller Förderung gehört zum Aufgabenbereich der „eigenverantwortlichen Schulen“ in Nordrhein-Westfalen. Wie insbesondere die Erfahrungen im Netzwerk „Hochbegabungsförderung NRW“ zeigen, nehmen unsere Schulen diese Aufgabe mit großem Engagement wahr und suchen in diesem Bemühen auch die enge Zusammenarbeit mit den Eltern. Das Land unterstützt die Schulen in der Wahrnehmung dieser Aufgabe durch Angebote der regionalen Lehrerfortbildung und durch Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Fachstellen der Hochbegabtenförderung, z. B. dem Internationalen Forschungszentrum für Begabtenförderung der Universität Münster (ICBF), dem Hochbegabtenzentrum Rheinland (HBZ) oder den Competence Centren Begabtenförderung in Düsseldorf und Solingen (CCB). Darüber hinaus gibt es regional verortete weitere Fortbildungs- und Beratungsangebote der schulfachlichen Aufsicht. Ebenso erfahren Schulen Unterstützung durch die Bereitstellung von Beispielen gelingender schulischer Praxis der Begabungsförderung und einer Plattform für einen professionellen kollegialen Austausch. z. B. im Netzwerk Hochbegabungsförderung NRW. Die konkrete schulische Praxis wird weiterhin durch landesweite Angebote wie z. B. Akademien, Wettbewerbe , LernFerien NRW, etc. ergänzt. Ein flächendeckendes Beratungsangebot zu Fragen der individuellen Förderung und Begabungsförderung , das von der jeweils zuständigen Schulaufsicht sicher gestellt wird, kann von Schulen, Eltern aber auch von Schülerinnen und Schülern genutzt werden kann (vgl. hierzu www.chancen-nrw.de /Beratungsangebote in NRW). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1932 3 Die Qualität der frühkindlichen Bildung ist für die Landesregierung ein Thema mit höchster Priorität. So wurde im Rahmen des 1. KiBiz-Änderungsgesetzes u.a. der Personalschlüssel im U3-Bereich verbessert. Dies ist ein wichtiger Beitrag für die individuelle Bildungsförderung im Elementarbereich, der eine immer wichtigere Bedeutung zukommt. Denn: Das Wissen über die Stärken, Interessen und Bedürfnisse eines Kindes sowie seine Perspektive sind Ausgangspunkt für gelingende Bildungsprozesse. Die individuelle Betrachtung und Förderung eines jeden Kindes ist damit die Grundlage pädagogischen Handelns im Elementarbereich und umfasst in einer ganzheitlichen Betrachtung die Förderung der unterschiedlichen Begabungen von Kindern. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen zu, die sich z.B. im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahme zum ECHA-Zertifikat (European Council for High Ability) vertieft mit der Frage beschäftigen, wie man hochbegabten Kindern und ihren Bedürfnissen im Elementarbereich gerecht werden kann. 4. Wie sorgt die Landesregierung dafür, dass in der Lehrerausbildung und Lehrer- weiterbildung auf das Thema Hochbegabung hinreichend aufmerksam gemacht wird? Im Rahmen der Lehrerausbildung an Universitäten und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung ist der Bereich „Diagnose und Förderung“ für alle angehenden Lehrkräfte als obligatorischer Studieninhalt festgelegt worden. In diesem Rahmen wird auf den professionellen Umgang mit dem gesamten Begabungsspektrum vorbereitet. Darauf wird im Vorbereitungsdienst im Rahmen des obligatorischen Handlungsfeldes 5 des Kerncurriculums „Vielfalt als Herausforderung annehmen und Chancen nutzen“ aufgebaut. (Zur Weiterbildung vgl. auch Antwort zur Frage 3.) 5. Welchen Nutzen sieht die Landesregierung in der Förderung Hochbegabter? Die Förderung aller Talente ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen, das in der Koalitionsvereinbarung fest verankert ist: „Unser Schulsystem muss dem Ziel der Chancengleichheit für alle Kinder besser gerecht werden. Wir müssen alle Talente fördern und alle Potenziale entfalten. Die Teilhabe an Bildung stellt die Weichen für die Lebensplanung, sie ist der Schlüssel für Bildungskarrieren und eine gelingende Berufslaufbahn." (Koalitionsvertrag 2012 – 2017, Verantwortung für ein starkes NRW – Miteinander die Zukunft gestalten, S.11)