LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1973 24.01.2013 Datum des Originals: 24.01.2013/Ausgegeben: 29.01.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 767 vom 12. Dezember 2012 des Abgeordneten Thomas Kufen CDU Drucksache 16/1725 Inklusion gestalten geht nur gemeinsam Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 767 mit Schreiben vom 24. Januar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Deutschland gehört zu den Unterzeichnern der UN-Behindertenrechtskonvention. Dort behandelt Art. 24 das Thema Bildung, was als Basis für die unbestritten notwendige Inklusion im Schulbereich dient. In Essen sind zahlreiche Förderschulen (FS) erfolgreich tätig. Einzelne Integrative Gruppen in Kindergärten haben bisher bereits eine hohe Sensibilisierung und Akzeptanz für gemeinsames Lernen in der Schule wachsen lassen. Die in der Presse kommunizierten Inklusionspläne der Landesregierung und der dabei genannte Umsetzungsstichtag 1. August 2013 haben zu großer Verunsicherung, aber auch zu einer hohen Erwartungshaltung bei Eltern, Lehrern und Kommunen geführt. Sorgen und Ängste bestehen meist wegen der bis dato nicht erfolgten breiten gesellschaftlichen Aufklärung bezüglich der Umsetzung inklusiver Bildung und der sich abzeichnenden radikalen Änderungen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Wahlfreiheit der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler würde bei Auflösung der FS nicht erhöht, sondern reduziert, da Schulen wegfielen, obwohl nicht alle Eltern ihre Kinder auf Regelschulen schicken möchten, sondern auch weiterhin deren spezielle Beschulung an FS wünschen. Entscheidend ist, dass die Landesregierung sicherstellt, dass betroffene Kinder, Eltern, Lehrer und Kommunen zeitlich und inhaltlich nicht überrumpelt werden, sondern sorgsam Schritt für Schritt in ihre jeweiligen neuen Situationen und Verantwortungen hineinwachsen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1973 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Ministerium für Schule und Weiterbildung hat mit Schreiben vom 19. September 2012 den Verbänden und Organisationen des Schullebens (§ 77 Absatz 3 Schulgesetz NRW) und den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände (§ 94 Absatz 1 Landesbeamtengesetz) den Referentenentwurf des Ersten Gesetzes zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) einschließlich einer Begründung und synoptischen Übersicht und den Entwurf einer Verordnung über die Schulgrößen der Förderschulen und der Schulen für Kranke einschließlich einer Begründung übermittelt. Die Verbände konnten sich dazu bis zum 2. November 2012 äußern. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung wertet die Stellungnahmen derzeit aus und prüft, ob und in welchen Punkten die Entwürfe zu ändern sind. Danach wird das Kabinett über die Einbringung eines Gesetzentwurfs der Landesregierung beim Landtag entscheiden. Die Verordnung wird gemäß § 82 Absatz 10 Schulgesetz NRW erlassen werden. 1. Mit welchen Schwierigkeiten rechnet die Landesregierung am Anfang des Weges zur inklusiven Gesellschaft in der nächsten Halbdekade insbesondere in der Stadt Essen? Das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf hat in Nordrhein-Westfalen eine bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreichende Tradition. Insbesondere in den vergangenen Jahren ist der Anteil dieses gemeinsamen Lernens kontinuierlich gestiegen. Die Stadt Essen hat sich mit einem Teil ihres Stadtgebiets am Schulversuch „Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung“ beteiligt. Dabei hat sie Erfahrungen gewonnen, die für die Weiterentwicklung des örtlichen inklusiven Schulangebots notwendig sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 2. Wie wird die Landesregierung die Einhaltung des Konnexitätsprinzips z.B. auch bei den sog. individuellen Vorkehrungen gewährleisten? Der Gesetzentwurf, den die Landesregierung nach Abschluss ihrer noch laufenden Prüfung vorlegen wird, wird auch auf die Fragen einer Belastung der davon betroffenen Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Konnexität im Sinne von Artikel 78 Absatz 3 der Landesverfassung eingehen. 3. Wie stellt die Landesregierung die Versorgung der Schulen mit Sonderpädago- gen in Essen sicher? Die Personalausstattung von Schulen ist Aufgabe der zuständigen Schulaufsicht. Der Landeshaushalt stellt dazu die notwendigen Lehrerstellen zur Verfügung. Seit Jahren zeichnet sich ab, dass landesweit nicht alle Stellen für Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung von grundständig an den Universitäten ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen besetzt werden können. Daher werden die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten erhöht werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1973 3 Da auch bei einer Ausweitung der Studienkapazitäten grundständig ausgebildete Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung erst zum Ende dieses Jahrzehnts in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen werden, hat der Landtag im Rahmen des 8. Schulrechtsänderungsgesetzes das Lehrerausbildungsgesetz geändert. Künftig können Lehrkräfte anderer Lehrämter im Rahmen einer 18-monatigen berufsbegleitenden Ausbildungsmaßnahme an den Zentren für schulpraktische Lehrerbildung das Lehramt für sonderpädagogische Förderung erwerben. Sie werden damit in die entsprechende Besoldungsgruppe eingestuft. Die als Überbrückung gedachte Ausbildungsmaßnahme beginnt am 1. Februar 2013, ist auf insgesamt fünf Jahre angelegt und umfasst zehn Ausbildungskohorten mit insgesamt bis zu 2.500 Lehrkräften. 4. Inklusive Bildung ist nicht nur Angelegenheit von Sonderpädagogen, sondern aller Lehrerinnen und Lehrer im Kollegium. Wie stellt die Landesregierung die systematische Fort- und Weiterbildung aller Lehrerinnen und Lehrer sicher? Die Landesregierung bietet eine Weiterbildung „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ für Moderatorinnen und Moderatoren der Kompetenzteams an. Seit Ende 2011 nehmen 157 Moderatorinnen und Moderatoren teil. Zu Beginn des Schuljahres 2012/13 startete die Weiterbildung einer zweiten Moderatorengruppe von ca. 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auf der Grundlage der Weiterbildung „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ der Moderatorinnen und Moderatoren ist ein Fortbildungsangebot für Schulen entwickelt worden. Fortbildungsangebote für Lehrkräfte unterliegen der Mitbestimmung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 LPVG. Diese Mitbestimmung wird zurzeit durchgeführt. Das Fortbildungsangebot wird anschließend im Internet bekannt gemacht. Dieses Fortbildungsangebot soll allgemeine Schulen auf dem Weg zur inklusiven Schule begleiten. Es legt den Schwerpunkt auf den Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen. Die Fortbildung soll schulintern stattfinden und wird von den Moderatorinnen und Moderatoren der Kompetenzteams durchgeführt. Sie richtet sich an Steuergruppen und Lehrkräfteteams in der Schule, die das Gemeinsame Lernen in der Schule umsetzen sollen und dabei längerfristig, in der Regel zwei Jahre, begleitet werden. Die Bezirksregierungen und Kompetenzteams machen bereits seit Jahren Fortbildungsangebote zur „Individuellen Förderung“ und zum „Gemeinsamen Unterricht“. Diese Angebote sollen weitergeführt werden. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2013 sieht eine Erhöhung der Fortbildungsmittel für den Bereich Inklusion vor, so dass diese Angebote flächendeckend umgesetzt werden können und auf zusätzliche Bedarfe reagiert werden kann. 5. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I haben in Essen bisher an Weiterbildungsmöglichkeiten für inklusiven Unterricht teilgenommen? Die Moderatorinnen und Moderatoren in der Weiterbildung „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ können bereits jetzt von Schulen der Primarstufe und der Sekundarstufe I für schulinterne Fortbildungen gebucht werden. Dazu sind bisher keine Daten erhoben worden. An 2.500 Fortbildungsangeboten der Kompetenzteams zur „Individuellen Förderung“ haben im Schuljahr 2011/12 landesweit aus den Schulformen der Sekundarstufe I mehr als 17.500 Lehrkräfte teilgenommen; davon unterrichten ca. 400 Lehrkräfte an Schulen in der Stadt Essen .