LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2013 31.01.2013 Datum des Originals: 31.01.2013/Ausgegeben: 05.02.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 738 vom 30. November 2012 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/1604 Netzentgeltbefreiung der Firma Urenco in Gronau Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 738 mit Schreiben vom 31. Januar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den letzten Wochen wird in der Öffentlichkeit intensiv über die Befreiung zahlreicher Unternehmen von der EEG-Umlage und den Netzentgelten diskutiert. Betroffen von den Vergünstigungen sind auch Unternehmen der Atomindustrie. Schlagzeilen machte dabei erneut der bundesweit einzige Urananreicherer, das multinationale Unternehmen Urenco, an dem auch E.ON und RWE beteiligt sind. Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag ausdrücklich die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau zu ihrem politischen Ziel erklärt. Am 22. November 2012 berichtete die Münsterländische Volkszeitung, dass der Urananreicherer Urenco insgesamt 939 000 Euro jährlich durch die Befreiung von den Netzentgelten spart. Die Summe wurde von Urenco-Sprecher Chris Breuer bestätigt, während die SPDBundestagsabgeordnete Arndt-Brauer diese Befreiung als „fragwürdig“ und „nicht gerechtfertigt “ kritisierte. Vorbemerkung der Landesregierung Die Urenco Deutschland GmbH in Gronau wird auf Hochspannungsebene aus dem Netz der Westfalen-Weser-Ems Verteilnetz GmbH mit Strom versorgt. Da an das Stromverteilnetz der Westfalen-Weser-Ems Verteilnetz GmbH mehr als 100.000 Kunden angeschlossen sind, fällt sie in die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur. Auf Antrag der Westfalen-Weser-Ems Ver- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2013 2 teilnetz GmbH vom 13.12.2011 befreite die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 24.07.2012 (BK4-11-639) die Urenco Deutschland GmbH für ihre Abnahmestelle in Gronau (Urananreicherungsanlage) von der Zahlung von Netzentgelten ab dem 01.01.2011. 1. Teilt die Landesregierung die Kritik der SPD-Bundestagsabgeordneten Arndt- Brauer an der Befreiung der Firma Urenco von den Netzentgelten? Voraussetzung für Befreiungen von Netzentgelten ist allein die Erfüllung der Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 Satz 2 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Nach dieser 2011 in die StromNEV eingefügten Regelung sollen solche Letztverbraucher auf Antrag von der Zahlung von Netzentgelten befreit werden, die an einer Abnahmestelle in mindestens 7.000 Benutzungsstunden pro Jahr mehr als 10 GWh Strom verbrauchen. Der Zweck des Stromverbrauchs ist nach dieser bundesrechtlichen Regelung unerheblich. 2. In welcher Weise war die Landesregierung am Genehmigungsprozess für die Befreiung der Urenco von den Netzentgelten beteiligt? Die Bundesnetzagentur übermittelt ihre Beschlüsse vor Erlass als Entwurf den Landesregulierungsbehörden der jeweils betroffenen Länder und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme , die im vorliegenden Fall nicht wahrgenommen wurde. Da, wie ausgeführt, der Zweck des Stromverbrauchs für die Genehmigung einer Netzentgeltbefreiung unerheblich ist, bestand keine rechtliche Möglichkeit, den Umstand einer Befreiung eines Unternehmens der Atomindustrie gegenüber der Bundesnetzagentur zu thematisieren. 3. Auf welche Weise wird die Landesregierung versuchen, die Befreiung der Uren- co von den Netzentgelten politisch rückgängig zu machen (z. B. durch eine Bundesratsinitiative )? Die Befreiung der Urenco Deutschland GmbH von den Netzentgelten entspricht wie dargestellt grundsätzlich der derzeitigen bundesrechtlichen Gesetzes- und Verordnungslage. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat allerdings mit Beschluss vom 12.12.2012 (VI-3 Kart 46/12 [V]) entschieden, dass für 2011 überhaupt keine Netzentgeltbefreiungen hätten erteilt werden dürfen. Darüber hinaus hat es aus kompetenziellen Gründen die Befugnis des Verordnungsgebers angezweifelt, eine Möglichkeit der vollständigen Befreiung von Netzentgelten in der StromNEV vorzusehen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, denn es kann Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt werden. Außerdem steht die Möglichkeit der Befreiung von Netzentgelten vor beihilferechtlichem Hintergrund auf dem Prüfstand der Europäischen Kommission. Auf der Grundlage der Entscheidungen über diese Rechtsfragen wird die Landesregierung über mögliche konkrete Handlungsoptionen entscheiden. 4. Welche anderen finanziellen Vergünstigungen (z. B. steuerlicher Art oder durch reduzierte Abgaben und Umlagen) nimmt die Urenco derzeit in Anspruch? Die Urenco Deutschland GmbH war nicht bereit, hierzu Angaben zu machen. Im Übrigen steht im Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AO) die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) der Offenbarung durch das Steuergeheimnis geschützter Verhält- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2013 3 nisse eines Steuerpflichtigen entgegen. Unabhängig davon wird die Landesregierung darauf hinwirken, die Subventionierungen von Anlagen im Bereich der Atomenergie zu beenden. 5. Welche weiteren Firmen im Bereich der Atomindustrie sind in NRW derzeit von Netzentgelten bzw. der EEG-Umlage befreit oder zahlen nur einen verminderten Betrag? Das Energiewirtschaftsgesetz gibt vor, dass Netzbetreiber, an deren Strom- oder Gasverteilnetz jeweils weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind, in die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörden fallen. Die Landesregulierungsbehörde NRW hat bislang in ihrem Zuständigkeitsbereich keine Netzentgeltbefreiungen oder -reduzierungen zugunsten von Unternehmen der Atomindustrie genehmigt, weil keine entsprechenden Anträge von Netzbetreibern in ihrer Zuständigkeit gestellt worden sind. Die Bundesnetzagentur, in deren Zuständigkeit die übrigen Netzbetreiber fallen, veröffentlicht Angaben zu ihren Verfahren zur Genehmigung von Netzentgeltreduzierungen und - befreiungen auf ihrer Website (www.bundesnetzagentur.de/cln_1931/DE/DieBundesnetzagentur/Beschlusskammern/BK 4/bk4_node.html). Begrenzungen der EEG-Umlage im Rahmen der sog. Besonderen Ausgleichsregelung nach §§ 40 ff. EEG bedürfen der Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle . Es veröffentlicht auf seiner Website (www.bafa.de/bafa/de/energie/besondere_ausgleichsregelung _eeg/publikationen/index.html) für die letzten drei Jahre Listen der Unternehmen oder Unternehmensteile, die in dem jeweiligen Jahr von der Besonderen Ausgleichsregelung profitieren. In Nordrhein-Westfalen erhält die Siempelkamp Giesserei GmbH in Krefeld, die neben Komponenten für Windenergieanlagen auch schwach radioaktive Stähle aus kerntechnischen Anlagen einschmilzt, Erstattungen aus der besonderen Ausgleichregelung des EEG.