LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2037 05.02.2013 Datum des Originals: 05.02.2012/Ausgegeben: 08.02.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 772 vom 18. Dezember 2012 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/1735 Volle Transparenz auch für politisch nicht genehme Gutachtenergebnisse – Wie ehrlich und vollständig veröffentlicht die Landesregierung die Befunde der von ihr beauftragten und bezahlten Gutachten sowie Expertisen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 772 mit Schreiben vom 5. Februar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits zum zweiten Mal ist in jüngster Vergangenheit der Medienberichterstattung zu entnehmen , dass die nordrhein-westfälische Landesregierung von ihr offiziell bestellte – und zumindest in einem Fall auch belegbar aus Steuermitteln finanzierte – Gutachten aus verschiedenen Fachbereichen vor der Öffentlichkeit und dem Parlament zurückgehalten hat. Politisch relevante sowie für die aktuellen parlamentarischen Debatten wesentliche Informationen und Erkenntnisse sind auf diese Weise der interessierten Öffentlichkeit und den Fraktionen im Landtag vorenthalten worden. So hat die grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens laut Berichterstattung der WAZ vom 22. November 2012 sogar ein Jahr lang das von ihrem Ministerium ausdrücklich selbst in Auftrag gegebene Gutachten zum Genuss sogenannter E-Zigaretten unter Verschluss gehalten, da die Ergebnisse der Gutachter nicht mit ihrer persönlichen Meinung sowie ihrer Amtsausübung im Umgang mit ihrem Verbot der E-Zigarette übereinstimmen. Ihr grüner Kabinettskollege , Umweltminister Johannes Remmel, hat ferner eine Kraftwerksstudie geheim gehalten, die die Zukunft der nordrhein-westfälischen Energieversorgung kritisch beleuchtet. Dieses Vorgehen ist bereits in der Plenarsitzung am 28. November 2012 von der Opposition im Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde thematisiert worden. Der Minister persönlich hat sich gegenüber dem Landesparlament jedoch in keiner Weise dazu geäußert, warum er LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2037 2 die Ergebnisse der Studie als streng vertraulich eingestuft und bislang nicht veröffentlicht hat (vgl. http://www1.wdr.de/themen/politik/kraftwerke100.html). Im September dieses Jahres hat die Landesregierung auf die parlamentarische Anfrage „Vergabeentscheidungen des Landes für teure Gutachten und Beratungsaufträge – Welche wertvollen zusätzlichen fachlichen Erkenntnisse gewinnt die Landesregierung zur Entscheidungsunterstützung ihrer Politik durch Beauftragung externer Dritter?“ (LT-DS 16/809) eine umfangreiche Auflistung aller seit März 2011 in Auftrag gegebenen Gutachten oder sonstiger externer Beratungsaufträge vorgelegt. Dies waren allein für diesen Teil der Veröffentlichung in der Summe aller Ressorts 174 Auftragsvergaben. Zusammen mit der bereits im Mai 2011 veröffentlichten Zusammenstellung (LT-DS 15/2105) über die erste Phase der 15. Wahlperiode ergibt sich ein vollständiges Bild der seitens der rot/grünen Landesregierung seit deren Amtsantritt im Juli 2010 insgesamt beauftragten und bezahlten Expertisen. Im Einzelnen sind die jeweilige Kurzbezeichnung des Gutachtens oder Beratungsauftrages, Hinweise zum Auftragnehmer, der Auftragsinhalt, das Datum der Auftragserteilung sowie in der Regel auch die Höhe der Kosten in den Landtags-Drucksachen 15/2105 und 16/809 nachzulesen. Darunter befindet sich beispielsweise auch das erwähnte Rechtsgutachten zur E-Zigarette, das am 15. November 2011 mit dem Auftragsinhalt „Rechtliche Prüfung und Erstellung eines Rechtsgutachtens, ob der Gebrauch einer E-Zigarette dem Anwendungsbereich des NiSchG NRW, insbesondere als dem dort verankerten grundsätzlichen Rauchverbot unterfällt“ erteilt worden ist. Keine Erwähnung findet in LT-DS 16/809 jedoch die Kraftwerksstudie , die laut Berichterstattung der WAZ vom 26. November 2012 „im Auftrag des Umweltministeriums“ von Prognos erstellt worden sein soll. Die im Wiederholungsfalle unterlassene Publikation politisch ungewollter oder inhaltlich brisanter Gutachtenergebnisse sorgt für Intransparenz gegenüber Politik und Öffentlichkeit und ist nicht im Interesse eines lebendigen politischen Diskurses der rot/grünen Landesregierung mit den politischen Entscheidungsträgern der ersten Staatsgewalt im Landtag. Insbesondere die grünen Kabinettsmitglieder werden in diesem Zusammenhang ihren ansonsten gern postulierten eigenen moralischen Ansprüchen an Transparenz und Stärkung der Demokratie nicht gerecht. Minister Remmel wird noch zuletzt im Oktober 2012 im Zuge der Erarbeitung eines Klimaschutzplanes bei der Selbstdarstellung auf der Internetpräsenz des Umweltministeriums mit den Worten zitiert: „Transparenz ist für uns keine Leerformel“. Es ist auch vor diesem Hintergrund von besonderem Interesse für das Landesparlament, umfassend darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, aus jeweils welchen Sachgründen genau welche Studien und Gutachtenergebnisse zu allgemeinen politischen Fachfragen gegenüber dem Parlament zur Einbeziehung in dessen Meinungsbildung ausdrücklich nicht bereitgestellt worden sind. Es ist nachvollziehbar, dass Rechtsberatungen, die individuelle Sachverhalte betreffen und daher Datenschutzbelange tangieren, nur dem Grunde nach und ohne vollständigen Wortlaut publiziert werden müssen. Für reine fachpolitische Sachfragen, wie die hier thematisierte rechtliche Würdigung der Vorgänge rund um das elektronische Verdampfen von Liquids, erschließt sich kein rechtfertigender Grund für übertriebene Geheimhaltung wissenschaftlicher Befunde. Vorbemerkungen der Landesregierung: Gutachten der Landesregierung werden zur fachlichen Unterstützung bzw. Vorbereitung einzelner Fach- oder Rechtsfragen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse fließen in die Arbeit der Landesregierung und nicht zwingend in die Öffentlichkeitsarbeit ein. Eine generelle Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gutachten oder Gutachtenergebnissen besteht nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2037 3 Nach der ersten Vorlage durch den jeweiligen Gutachter werden die Gutachten gründlich daraufhin geprüft, ob sie dem erteilten Auftrag vollumfänglich entsprechen. Nur wenn das der Fall ist, besteht auch ein Zahlungsanspruch. Das kann auch im Einzelfall eine gemeinsame Besprechung des vorgelegten Gutachtens, insbesondere auch auf Wunsch des Gutachters umfassen, so dass Modifikationen von Gutachten nicht zuletzt auch darauf beruhen können, dass der Gutachtende selbst im Sinne einer optimalen Auftragserledigung an der einen oder anderen Stelle seine Aussagen nochmals fokussierter oder verständlicher formulieren will, ohne dass damit die grundsätzliche Aussage und Qualität des Gutachtens in Frage gestellt würde. 1. Welche der in den erwähnten LT-DS 15/2105 sowie 16/809 aufgeführten Gutach- ten und Beratungsaufträge sind unter Nennung der dafür jeweils einschlägigen Sachgründe des konkreten Einzelfalls bislang nicht seitens der Landesregierung veröffentlicht worden? (bitte vollständige Enumeration, ggf. durch Komplettierung der Übersichtstabellen) 2. Wie lange etwa wurden die in den LT-DS 15/2105 und 16/809 aufgeführten einzel- nen Gutachten und Beratungsaufträge jeweils vom Zeitpunkt ihrer Übergabe an das jeweilige Ministerium bis zur Publikation gegenüber der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidern im Landtag zurückgehalten? Die Antworten zu den Fragen 1 und 2 ergeben sich aus der in den Anlagen enthaltenen Zusammenstellung . 3. Aus welchen einzelnen Gründen im Detail ist die genannte Kraftwerksstudie von Prognos nicht in der besagten LT-DS 16/809 auffindbar aufgelistet worden? Der Vertrag zum Prognos-Gutachten wurde vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz am 03.08.2012 und vom Auftragnehmer am 15.08.2012 unterzeichnet und fiel daher nicht unter den abgefragten Zeitraum (April 2011 - Juli 2012). 4. Jeweils welche alle in den erwähnten LT-DS 15/2105 sowie 16/809 aufgeführten Gutachten sind nach erster Vorlage durch den Leistungserbringer beim Land seitens des Bestellers Landesregierung zum Zwecke irgendeiner Modifikation (wie beispielsweise inhaltliche Überarbeitung oder Vervollständigung, Korrektur, sprachliche Neuformulierung von Passagen etc.) vor einer endgültigen Annahme des Landes an den Vertragspartner zurückgegeben worden? (bitte vollständige Enumeration, ggf. durch Komplettierung der Übersichtstabellen) In Einzelfällen stellt die Landesregierung nach Übersendung der Erstfassung eines Gutachtens fest, dass noch Nachbearbeitungen erforderlich sind, sei es, weil es unvollständig erscheint (und somit nicht als vertragsgemäß abgenommen werden kann) oder einer sprachlichen Überarbeitung bedarf. Auf den sachlichen Aussagegehalt wird dabei kein Einfluss genommen . Eine Beantwortung der Frage bezogen auf die einzelnen Gutachten kommt nach Auffassung der Landesregierung nicht in Betracht, da Außenstehende im Falle der detaillierten Beantwortung die zuvor beschriebene übliche Verfahrensweise als „Reklamation“ verstehen könnten und damit die Geschäftsinteressen der Auftragnehmer beeinträchtigt wären. Hinzu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2037 4 kommt, dass einige Gutachten auch dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzurechnen sind. 5. Zu welchen konkreten einzelnen Änderungen am bisherigen Umgang mit der Transparenz bezüglich der Gutachtenergebnisse (wie zum Beispiel automatische Bereitstellung der Befunde für das Parlament, Verkürzung der Zurückhaltungsfrist bei an sich beabsichtigter Veröffentlichung von Gutachten etc.) ist die Landesregierung zukünftig zur Verbesserung der Transparenz ihrer fachlichen Arbeit bereit? Die Gutachten, die die Landesregierung in Auftrag gibt, dienen der Vorbereitung und Verbesserung der Regierungsarbeit. Sofern Gutachten auch für den Landtag als Legislativvorgang oder in seiner Funktion als Kontrollorgan von Regierung und Verwaltung für eine konkrete Fragestellung relevant sind, ist die Landesregierung gerne bereit, die Gutachten dem Landtag zur Verfügung zu stellen, soweit nicht der Schutz personenbezogener Daten, der Geheimschutz oder der Schutz anderweitiger Rechtsgüter von Verfassungsrang dem entgegenstehen . Die Landesregierung ist der Ansicht, dass diese im Gewaltenteilungsprinzip angelegte Aufgabenteilung beibehalten werden sollte.