LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2057 12.02.2013 Datum des Originals: 12.02.2013/Ausgegeben: 15.02.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 800 vom 9. Januar 2013 des Abgeordneten Ernst-Ulrich Alda FDP Drucksache 16/1828 Was unternimmt die Landesregierung, um die Qualifizierung von Beschäftigten im Niedriglohnsektor zu verbessern? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 800 mit Schreiben vom 12. Februar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Arbeitsmarktreport NRW 2012 (Sonderbericht: Struktur und Entwicklung der Beschäftigung mit dem Schwerpunkt: atypische und Niedriglohn-Beschäftigung) verweist auf Seite 30 ausdrücklich auf die „enorme Bedeutung des Qualifikationsniveaus für die Lohnhöhe.“ Danach sinke mit steigendem Bildungsniveau die Wahrscheinlichkeit, im Niedrigsektor beschäftigt zu sein. Als Beleg dafür dient den Autoren die Tatsache, dass im Jahre 2010 30,1 Prozent der Kern-Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung und 42 Prozent ohne Angabe der Berufsqualifikation ein monatliches Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle erzielten. Dagegen waren nur vier Prozent der Kern-Beschäftigten mit einem Fach- oder Hochschulabschluss im Niedriglohnsektor tätig. Der Anteil der Niedriglohnempfänger mit abgeschlossener Berufsausbildung lag bei 14,7 Prozent. Auch der Gesprächskreis „Arbeit und Qualifizierung“ der Bundesagentur für Arbeit macht in einem Papier „Betriebliche Weiterbildung von Beschäftigten“ darauf aufmerksam, dass der deutsche Arbeitsmarkt zukünftig noch ausgeprägter als heute ein Fachkräftearbeitsmarkt sein wird. Danach verbessern Investitionen in Bildung die Arbeitsmarktchancen von Arbeitssuchenden und Beschäftigten, stärken die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe , erleichtern den Strukturwandel und sind eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Daher sei es für Beschäftigte wichtig, dass ihre berufliche Qualifikation mit den steigenden Anforderungen am Arbeitsmarkt Schritt hält. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2057 2 Zur Förderung der beruflichen Weiterbildung vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen wurde 2006 das WeGebAU-Programm (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) eingeführt. Damit können durch die Bundesagentur für Arbeit Personen gefördert werden, die von ihrem Arbeitgeber für die Dauer einer Qualifizierung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freigestellt werden. Wie sich einer Information der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B) entnehmen lässt, wurde zur Umsetzung des Sonderprogramms zwischen dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW und der Regionaldirektion NRW eine Kooperationsrahmenvereinbarung abgeschlossen . Innerhalb der Arbeitsmarktpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen spielt insbesondere der Bildungsscheck NRW eine wichtige Rolle. Dieses Förderinstrument wurde vom damaligen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS) mit Beginn des Jahres 2006 aufgelegt. Mit dem Bildungsscheck erhalten Beschäftigte und Unternehmen einen Zuschuss bis zu 500 Euro, zu den Weiterbildungskosten. Dieser Förderzuschuss wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Die andere Hälfte übernehmen die Betriebe und die Beschäftigten selbst. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider hat am 31. Mai 2011 in einer Presseinformation bekannt gegeben, dass der Kreis der Zielgruppen für den Bildungsscheck NRW erweitert wurde. Seitdem können auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten gefördert werden. Der Bildungsscheck NRW richtet sich an folgende Zielgruppen:  Beschäftigte, die über keinen Berufsabschluss verfügen  Beschäftigte, die seit mehr als vier Jahren nicht mehr im erlernten Beruf arbeiten  Befristet Beschäftigte  Zeitarbeitskräfte  Berufsrückkehrende, die besondere Schulungen zum beruflichen Wiedereinstieg benötigen  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die älter als 50 Jahre sind. 1. Wie bewertet die Landesregierung die im Arbeitsmarktreport NRW hervorgeho- bene Bedeutung des Qualifikationsniveaus für die Lohnhöhe? Die Landesregierung teilt die Einschätzung, die sich aus dem Arbeitsmarktreport NRW 2012 (Sonderbericht: Struktur und Entwicklung der Beschäftigung mit dem Schwerpunkt: atypische und Niedriglohn-Beschäftigung) ergibt: Je höher das erreichte Bildungsniveau, desto höher sind die Einkommen. Unter anderem deshalb hat die Landes-regierung bereits im Oktober 2011 die Fachkräfteinitiative gestartet. Sie zielt auf die Sicherung der Fachkräfte in Nordrhein-Westfalen u.a. durch Qualifizierung. In diesem Zusammenhang stehen auch die vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen verantworteten Förderprogramme „Bildungsscheck NRW“ (das seit 2006 existiert) und die „Beratung zur beruflichen Entwicklung“ (seit Ende 2012 im Aufbau). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2057 3 2. Was unternimmt die Landesregierung, damit sich das Qualifikationsniveau der Beschäftigten im Niedriglohnbereich nachhaltig verbessert? Die Landesregierung hat sich im Rahmen der Fachkräfteinitiative zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung und Qualifizierung von Fachkräften auf allen Ebenen des Bildungssystems voran zu treiben. Dies geschieht u.a. mit den drei Förderprogrammen „Fachkräfteprogramm NRW“, „Bildungsscheck NRW“ und „Beratung zur beruflichen Entwicklung“. Fachkräfteprogramm NRW Mit dem Fachkräfteprogramm NRW macht die Landesregierung den Unternehmen in Nordrhein -Westfalen ein Angebot. Die regionalen Akteure, insbesondere Unternehmen, Verbände und Kammern werden darin unterstützt, sich vor dem Hintergrund des regionalen Bedarfes zu vernetzen und gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln. In vielen dieser Projekte werden Beschäftigte weiter qualifiziert, so dass sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes besser gewachsen sind und ihr fachliches Niveau verbessern können. Bisher sind 126 Vorhaben für das Fachkräfteprogramm eingereicht worden. Davon sind 49 zur Förderung vorgesehen; über 20 Projekte haben ihre Arbeit bereits aufgenommen. Bildungsscheck NRW Das Förderprogramm Bildungsscheck NRW fördert über zwei Zugänge die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Das Programm richtet sich an Beschäftigte, die in kleinen und mittleren Betrieben arbeiten (betrieblicher Zugang) und an Beschäftigte, die ohne Unterstützung durch den Betrieb an einer beruflichen Weiterbildung teilnehmen möchten (individueller Zugang ). Beratung zur beruflichen Entwicklung Mit dem neuen Förderangebot „Beratung zur beruflichen Entwicklung“ unterstützt die Landesregierung Personen in beruflichen Veränderungsprozessen. Mit dem kostenlosen Angebot werden auch Beschäftigte angesprochen, die bisher nur über eine geringere Qualifizierung verfügen. Durch die Beratung wird ein geeigneter Qualifizierungsinhalt identifiziert. Außerdem geht es um die Frage der Finanzierbarkeit von Weiterbildungsanboten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Bereitschaft zur Mobilität. 3. Inwiefern nutzen geringqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen das WeGebAU-Programm sowie das Instrument des „Bildungsscheck NRW“? Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen (WeGebAU) Das Programm richtet sich aktuell an gering qualifizierte Beschäftigte und Beschäftigte in kleineren und mittleren Unternehmen. Unter „gering qualifiziert“ sind Ungelernte oder Personen mit Berufsabschluss und mehrjähriger Berufsentfremdung aufgrund anderweitiger Tätigkeit auf Helferebene zu verstehen. Von Januar bis September 2012 wurden in NRW 1.041 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Maßnahmen zur Weiterbildung durch WeGebAU gefördert, davon waren gut zwei Drittel Geringqualifizierte . Daten zum Jahresabschluss 2012 liegen zurzeit noch nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2057 4 Bildungsscheck NRW Die Konditionen für den Bildungsscheck wurden Anfang Juni 2011 geändert. Mit der Änderung war eine verbesserte Datenerhebung verbunden. Auf dieser Basis können folgende Aussagen getroffen werden: Im Zeitraum Juni 2011 bis Dezember 2012 wurden insgesamt 2.605 Bildungsschecks an Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung ausgegeben. Auf den betrieblichen Zugang entfielen 1.577 Bildungsschecks; auf den individuellen Zugang 1.028. 4. Welche Qualifizierungsinhalte innerhalb des WeGebAU-Programms sowie des „Bildungsscheck NRW“ werden von geringqualifizierten Beschäftigen in Nordrhein -Westfalen bevorzugt? Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen (WeGebAU) Das Programm besteht aus zwei Säulen: Der Förderung von gering qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus kleinen und mittleren Unternehmen. Bei der Förderung der gering qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden seit Februar 2012 hauptsächlich Maßnahmen bezuschusst , deren Ziel der Erwerb eines Berufsabschlusses ist. Im Jahr 2012 bezogen sich diese Maßnahmen in NRW vor allem auf die Berufsbereiche Altenpflege, Metallverarbeitung und -bearbeitung, Logistik und Verwaltung. Insbesondere der pflegerische Bereich stand dabei im Fokus. Bildungsscheck NRW Bildungsschecks werden vor allem an Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung ausgegeben, die sich drei Branchen zuordnen lassen: soziale und pflegerische Berufe (30 %), gewerbliche Berufe (20 %) und kaufmännische Berufe (10 %). Etwas mehr als 12 % entfielen auf berufsübergreifende Themen (z.B. Kommunikation am Arbeitsplatz, Medienkompetenz ), der Rest auf Sprachen (7 %), EDV (6 %) und Sonstige (12 %).