LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 25.02.2013 Datum des Originals: 22.02.2013/Ausgegeben: 28.02.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 814 vom 9. Januar 2013 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/1874 Wie bewertet die Landesregierung neueste wissenschaftliche Untersuchungen zu unterschiedlichen Unterrichtsformen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 814 mit Schreiben vom 22. Februar 2013 namens er Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat am 15.12.2012 einen Artikel unter dem Titel: „Frontalunterricht macht klug“ veröffentlicht. In der Unterzeile heißt es: „Problemorientierter oder offener Unterricht – die ganze moderne Pädagogik stiftet wenig Nutzen. Am besten ist noch immer moderner Frontalunterricht, fanden Forscher heraus.“ In dem genannten Artikel wird ausgeführt, dass durch Bildungsökonomen auf der Basis qualitativer Daten und im Rahmen einer „groß angelegten Analyse“ in den Vereinigten Staaten herausgefunden wurde, dass ein „Frontalunterricht“ bessere Erfolge zeitige als ein problemorientierter oder offener Unterricht. Der Artikel führt aus, dass Reformpädagogen in der Empirie wenig Legitimation fänden. Hierzu heißt es: „In Amerika haben diese Ergebnisse die Fachwelt elektrisiert. Eine neuseeländische Metastudie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Es ist ein Witz: Die moderne Didaktik mit ihrem Anspruch, Chancengleichheit zu bringen, schadet denen am meisten, die Hilfe brauchen.“ Auf der Basis seiner Untersuchungen kommt laut Artikel ein Vertreter des Münchner Ifo-Instituts und demnach Autor der Untersuchung zu dem Schluss, dass bei einem Methodenmix ein erweiterter Anteil an frontalen Unterrichtsformen einen vergleichbar höheren Wissenszuwachs ermöglichen könne. Weniger „Frontalunterricht“ würde demnach häufig mit besseren Leistungen assoziiert, dies insbesondere bei schwächeren Schülern. Dieser Einschätzung widerspricht der Wissenschaftler und kommt zu dem Schluss: „Bei einem durchschnittlich begabten Pädagogen hat die Abkehr vom Frontalunterricht deutlich negative Effekte.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 2 Allerdings finden sich auch Gegenpositionen in dem genannten Artikel. So wird z.B. der Leiter des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg zitiert, wonach aus dessen Sicht diese Form (des Unterrichts) eine risikoreiche Methode sei, „Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, effektiv zu lernen.“ Lehrer wüssten nach so einer Schulstunde nicht genau, was die Kinder wirklich gelernt hätten. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ erschien am 3. Januar 2013 der Artikel „Ich bin superwichtig !“. Der neuseeländische Schulforscher John Hattie hat demnach versucht, alle englischsprachigen Studien zum Lernerfolg weltweit zu einer „Synthese der empirischen Unterrichtsforschung “ zusammenzuführen. In der Analyse kommt er zu dem Schluss, dass die Pädagogen die zentrale Rolle für den Lernerfolg einnehmen. Vielfältige Annahmen bezüglich des Lernerfolgs werden von Hattie demnach jedoch verworfen. Unter anderem führt der Artikel aus: „Andere Lieblingskonzepte der Neudenker von Schule fallen bei ihm ebenso durch. Das gilt besonders für den >>offenen Unterricht<< oder die >>jahrgangsübergreifenden Klassen <<. Für beides hat Hattie so gut wie keine empirischen Belege dafür gefunden, dass es das Lernen verbessert.“ Dem „Frontalunterricht“ kommt laut Artikel die Rolle einer durchaus wirksamen Unterrichtsmethode zu, allerdings müsse ein guter Lehrer über „ein breites Repertoire von Unterrichtsstilen“ verfügen, pädagogische Patentrezepte gebe es somit nicht. Generell zeigt die praktische Erfahrung als Pädagogin, dass unterschiedliche Methoden zu einer vielfältigen und einer kind- bzw. jugendlichengerechten Unterrichtsgestaltung zählen und zu einem höheren Lernerfolg beitragen. Auch kann eine individuelle Förderung selbstverständlich nicht in Form eines reinen „Frontalunterrichts“ durchgeführt werden und zu Lernfortschritten bei den Schülerinnen und Schülern führen. Jedoch können sinnvolle Phasen eines „Frontalunterrichts“ als eine temporär notwendige Methode genutzt und dem Förderanspruch gerecht werden. Die deutliche Abkehr von nahezu jeglichem „Frontalunterricht“ scheint daher, wie auch von den Wissenschaftlern in dem genannten Artikel dargelegt, insbesondere für schwächere Schülerinnen und Schülern eher abträglich zu sein. Gerade bei integriertem Unterricht und der – auch von der Schulministerin und der rotgrünen Landesregierung – immer wieder propagierten Binnendifferenzierung als Ersatz der äußeren Leistungsdifferenzierung dürfte aber das notwendige Maß an „Frontalunterricht“ – als einer unerlässlichen Maßnahme in einem Methodenmix – deutlich zu kurz kommen. Schwächere Schülerinnen und Schüler verlieren durch die unzureichende Anwendung einer sachangemessenen Methode – im Rahmen eines Methodenmixes – eine wichtige Form der pädagogischen Förderung. Letztendlich steht und fällt ein sinnvoller und fachbezogen anregender Unterricht mit der jeweiligen Qualität der Lehrkräfte. Dies gilt selbstverständlich auch für den vielfältigen Methodeneinsatz . „Frontalunterricht“ kann und darf andere Methoden in einem Methodenmix nicht ersetzen, muss jedoch auch den ihm gebührenden Platz im Unterrichtsgeschehen erhalten. Da diese wichtige Methode auch bei der rot-grünen Landesregierung im Zuge ihres schulpolitischen Handelns und im Kontext ihrer Aussagen offenkundig einen eher geringen Stellenwert einnimmt und sich insbesondere die Frage der qualitativen Umsetzung dieser Methode in dem von Rot-Grün favorisierten vollintegrierten Unterricht stellt, ist eine Einschätzung der Landesregierung zu den oben genannten wissenschaftlichen Ergebnissen von hohem Interesse . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 3 Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung geht wie die Fragestellerin davon aus, dass neue wissenschaftliche Studien zur Lern- und Unterrichtsforschung reflektiert und ggf. berücksichtigt werden müssen . Vor diesem Hintergrund werden aktuelle Studien – unter anderen auch die von der Fragestellerin angesprochenen Studien von John Hattie (2009 und 2012) und die Auswertung der TIMS-Studie von Schwerdt/Wuppermann für das IfO-Institut München (2011) – rezipiert und ausgewertet. 1. Wie bewertet die Landesregierung inhaltlich die in dem Artikel dargestellten wis- senschaftlichen Ergebnisse (bitte die Ergebnisse bezüglich der USA und Neuseeland jeweils aufgeschlüsselt bewerten)? Die Studie von Hattie et al. („Visible Learning. A Synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement“, 2009) trägt in bisher einzigartiger Weise Forschungsergebnisse zusammen , indem sie 815 Meta-Analysen aufgearbeitet hat, in die Ergebnisse aus 52.637 englischsprachigen Einzelstudien eingegangen sind. Die Ergebnisse sind beachtenswert, allerdings müssen sie im Kontext des Forschungsdesigns und im Hinblick auf die Reichweite der jeweilige Aussagen bewertet werden. Dabei ist Folgendes zu beachten: Die Studie berücksichtigt nur die Faktoren, die sich in quantitativ-empirischer Forschung – hauptsächlich in angel-sächsischen Forschungsprojekten – als wirksam messen ließen (vorrangig Studien aus den1980er-/1990er-Jahren, jüngste Studie 2008). In einer solchen„Meta-Meta-Analyse“ bleiben Zusammenhänge zwischen Faktoren und ihr Zusammenwirken methodenbedingt unberücksichtigt. Ebenso ist der Grad des Einflusses weiterer intervenierender Faktoren auf die Wirkungsmächtigkeit (Effektstärke) nicht geklärt (wie z.B. motivationsfördernde oder -hemmende Faktoren des Lernarrangements; Ausblendung z.B. von gesellschaftlichen Hintergründen oder Gender-Aspekten). Zudem sind die allermeisten Studien, die in der Hattie-Studie aufgearbeitet werden, auf eine ausschließliche Betrachtung von Lernleistung – die wiederum keiner einheitlichen Definition über die Studien hinweg folgt – ausgerichtet. Weitere Bildungs- und Erziehungsziele werden nicht erfasst. Dies stellt die Studie und ihre Relevanz nicht in Frage, sollte aber bei der Rezeption und Interpretation der Daten und Schlussfolgerungen berücksichtigt werden. Insgesamt zeigt sich, dass Hatties wirkungsmächtige unterrichtsbezogene Faktoren mit den Basisdimensionen erfolgversprechenden Unterrichts in der aktuellen Lehr- und Lernforschungsdiskussion korrespondieren. In der Hattie-Studie von 2009 und noch einmal detailliert ausgeführt in dem Folgeband von 2012 (John Hattie: „Visible Learning for Teachers – Maximizing impact on Learning“) wird gefolgert, dass Unterricht dann erfolgversprechend ist, wenn die Lehrkräfte ihren Unterricht in komplexer Weise aus der (Lern-) Perspektive der Schülerinnen und Schüler heraus planen und gestalten, dabei deren Bedürfnisse ernstnehmen und dies mit den fachlichen Erfordernissen verknüpfen. Ein solches Vorgehen erfordert seitens der Lehrkräfte die Kenntnis und Berücksichtigung unterschiedlicher Lernausgangslagen in der Lerngruppe, die Verwendung aktivierender Lernstrategien und die Bereitschaft, Feedback zu geben und nachzufragen. Hattie sieht die Lehrkraft in der Rolle des „evaluators“, der die Wirkungen und Effekte des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 4 Unterrichts auf die Lernenden kennt und berücksichtigt und des „activators“, der differenzierte Lernangebote zur Verfügung stellt und unterschiedliche Lernwege anbietet. Hattie fordert für die Unterrichtsplanung ein ausgewogenes Verhältnis von Informationsvermittlung, Verstehensprozessen und Transfermöglichkeiten sowie die konzeptuelle Einbindung des Gelernten. Entscheidend ist vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse eine kognitive Aktivierung durch herausfordernde Aufgabenstellungen und Materialien. Lehrkräfte sollen bewusst in Lernprozesse eingreifen. Allerdings warnt Hattie vor einem monologischen Unterrichtsstil und vor zu hohen Sprechanteilen der Lehrkraft, vielmehr setzt er auf dialogische Arrangements und die Potenziale des Lernens unter Gleichaltrigen (z. B. Hattie, 2012, S. 72 und 78f.). Die Landesregierung wertet die internationalen Schulleistungsstudien wie PISA, TIMSS, PIRLS/IGLU im Detail aus. In diesem Kontext und im Vergleich zur umfassenden HattieStudie kommt der Arbeit von Schwerdt/ Wuppermann (2011) „Is Traditional Teaching Really All that Bad?“ für das IfO-Institut ein geringerer Stellenwert zu. Die Autoren beziehen sich lediglich auf mehr als zehn Jahre alte Daten aus der TIMS-Studie im Lernbereich Naturwissenschaften auf einer Altersstufe (8. Klassen) in einem spezifischen Land (USA). Es wird hier aus Korrelationen von Test- und Befragungsdaten auf eher kurzfristige Wirkungen geschlossen . Bei diesem sehr spezifischen Zuschnitt der Untersuchung stellt sich zudem die Frage der Übertragbarkeit auf die deutsche Situation. In der Unterrichts- und Schulforschung steht außer Frage, dass unterschiedliche Sozial- und Arbeitsformen – auch so genannte „traditionelle“ – bezogen auf unterschiedliche Lern- und Bildungsziele jeweils ihre Berechtigung haben. So müssen auch die durchaus interessanten Ergebnisse der letztgenannten Studie im Kontext des jeweiligen pädagogischen Zusammenhangs, der jeweiligen Schülervoraussetzungen und des jeweiligen Bildungsziels (z.B. Erwerb intelligenten Wissens, anwendungsfähigen Wissens, sozialer Kompetenzen, von Wertorientierungen) gesehen werden, da jeweils andere didaktisch-methodische Herangehensweisen und Arrangements erfolgversprechend sind. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des genannten Artikels, wonach „Reformpädagogen in der Empirie wenig Legitimation fänden“? Diese Aussage wird weder durch die Ergebnisse der genannten Studie noch durch die übrige Forschung gestützt. Die Hattie-Studie geht der Frage nach „What works best?“. Die aufgezeigten Effektstärken offenen oder jahrgangsübergreifenden Unterrichts, von Team-Teaching oder auch externer /interner Differenzierung stellen sich bezogen auf die Faktoren, die in quantitativempirischer Forschung gemessen und aufgrund von Korrelationen als wirkungsvoll interpretiert wurden, als unauffällig dar. Bei der Interpretation dieser Daten ist zu berücksichtigen, dass die Forschungsdesigns, wie oben bereits angesprochen, Zusammenhänge zwischen Faktoren und ihr Zusammenwirken – ebenso wie andere pädagogische Zielkriterien (z. B. Selbstständigkeit, Verantwortungsübernahme , Motivierung, Kooperations- und Teamfähigkeit etc.) – methodenbedingt nicht erfassen. Prof. Olaf Köller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass allein „der Einsatz leicht beobachtbarer `Sicht- bzw. Oberflächenstrukturen` wie offener oder jahrgangsübergreifender Unterricht (…) noch nichts über erfolgversprechende Tiefenstrukturen (…) (z.B. wie kognitiv aktivierend ist der Unterricht)“ aussagt. (O. Köller: What works best in school?, Psychologie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 5 in Erziehung und Unterricht. 2012. 59. S. 75). In gleicher Weise wertet Prof. Eckhard Klieme die Daten, indem er betont, dass Individualisierung wie auch andere ´offenere´ Lehr- und Lernformen der strukturgebenden Einbettung und einer Ausbalancierung mit anderen Lehrund Lernstrategien bedürfen. Sie seien für den Aufbau „intelligenten Wissens“ nur relevant, wenn „sie mit klarer Strukturierung und herausfordernden, kognitiv aktivierenden Inhalten einhergehen“ (E. Klieme, Vortrag im Hessischen Kultusministerium, 06.10.2010, dokumentiert bei U. Steffens & D. Höfer: Was ist das Wichtigste beim Lernen?, Pädagogik 12/12, S.42). Bei Verfahren und Methoden, deren Ausgestaltung bereits stärker mit bestimmten Strukturen und Strategien gekoppelt ist, lassen sich hohe und sehr hohe Effektstärken messen (z. B. Kooperatives Lernen - d = .41; metakognitive Strategien (bewusste Steuerung eigenen Lernens ) - d = .69; reziprokes Unterrichten (Schüler und Schülerinnen in der Lehrerrolle) - d = .74). 3. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass Phasen des „Frontalunter- richts“ eine der wichtigen Methoden von Unterrichtsgestaltung darstellen? Der Begriff „Frontalunterricht“ ist keine Kategorie in der Forschung, sondern steht alltagssprachlich für einen rein lehrerzentrierten, monologischen, uni-direktionalen und nicht differenzierenden Unterricht. Unstrittig ist die Leistungsfähigkeit lehrergeleiteter, durch stärkere Instruktion und Strukturierung geprägter Phasen wie z. B. des Unterrichtsgesprächs im Plenum oder auch des Lehrervortrags . Weitgehend passives Zuhören macht allerdings – nicht nur laut Hattie – ein aktives und erfolgreiches Lernen wenig wahrscheinlich, sodass auch hier die Lehrkraft der Wirkung besondere Aufmerksamkeit schenken sollte, um allen Schülerinnen und Schülern angemessene Lernangebote machen und entsprechende Arbeitsformen wählen zu können. Im Sinne Prof. Andreas Helmkes, der die Forschung zu erfolgversprechendem Unterricht wie folgt zusammenfasst, geht es um Passung und Balance: Es kommt beim Unterricht darauf an, „jenseits pädagogischer Moden und Trends und der gerade dominierenden ‚herrschenden Meinung‘ Ausgewogenheit und Balance zu suchen: zwischen direkter und indirekter Instruktion , zwischen lehrer- und schülergesteuertem Unterricht, zwischen kognitiven und affektiven Lernzielen …“ (Andreas Helmke, Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern, Seelze 2003, S. 14). 4. Wie können Phasen des „Frontalunterrichts“ in einem Unterricht ohne äußere Differenzierung aus Sicht der Landesregierung so umgesetzt werden, dass schwächere Schülerinnen und Schüler nicht überfordert und stärkere nicht unterfordert werden? Von zentraler Bedeutung sind die kognitive Aktivierung der Lernenden und die Angemessenheit der gewählten Arbeits- und Sozialform angesichts des fachlichen Inhalts, des jeweiligen Bildungsziels (fachliches Lernen im engeren Sinne, Gestaltungskompetenz / Sozialkompetenz etc.) und der Schülervoraussetzungen. Dabei können der Unterricht im Plenum und das Unterrichtsgespräch durchaus eine sinnvolle Rolle spielen, sei es zur differenzierten Impulsgebung, zur Instruktion, zur Präsentation oder zur gemeinsamen Reflexion und Diskussion von Arbeitsergebnissen. Allerdings ist das in der Fragestellung formulierte Ziel mit nicht differenzierenden plenaren Formen, die nicht alle Lernenden in aktive Lern- und Arbeitsprozesse einbeziehen, allein nicht zu erreichen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2182 6 Die Forschungen der 1990er-Jahre haben bereits herausgearbeitet, (z.B. Prof. Sabine Gruehn), dass Schülerinnen und Schüler mit ungünstiger Ausgangsposition eher strukturierte Lernumgebungen, klar definierte Lernaufgaben und häufige positive Rückmeldungen brauchen . Schülerinnen und Schüler mit günstiger Ausgangsposition können hingegen offene Lernangebote besser nutzen. Dies stellt unterschiedliche Anforderungen an die Lernangebote, die möglichen Lernwege und die Lernprozessbegleitung. Zielsetzung auch im Sinne einer Vorbereitung auf lebenslanges Lernen ist für alle Schülerinnen und Schüler, zunehmend kompetent für selbstreguliertes Lernen zu werden – oder im Sinne der Hattie-Studie formuliert: Schülerinnen und Schüler sollen zunehmend die Steuerung ihres eigenen Lernens übernehmen und die Wirksamkeit einschätzen können. 5. Welchen Stellenwert nimmt im Rahmen der Lehrerausbildung die Umsetzung von gutem „Frontalunterricht“ ein? Die Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen greift die Lehr- und Lernforschung differenziert auf und vermittelt den angehenden Lehrkräften ein breites Repertoire an Unterrichtsstilen und didaktisch-methodischen Herangehensweisen. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass verschiedene Arbeits- und Sozialformen im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit, Wirkungsweisen und Grenzen eingeschätzt und angemessen eingesetzt werden können. Die Verpflichtung, Unterricht fach- und sachgerecht vor dem Hintergrund aktueller Ergebnisse der Unterrichtsforschung zu planen, durchzuführen und zu evaluieren ist in den Standards der Kultusministerkonferenz für die Bildungswissenschaften sowie in den KMK-Standards für die Fachwissenschaften und in Fachdidaktik festgelegt. Sie wurden im Lehrerausbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2009 sowie im Kerncurriculum für den Vorbereitungsdienst aus dem Jahr 2011 verbindlich umgesetzt.